Kindliche Migräne wird häufig unter- bzw. falsch diagnostiziert. Dabei weisen bereits 0,6 Prozent der Kinder im Grundschulalter (5-12 Jahre) eine chronische Migräne auf, im Jugendalter sind es bis zu 1,8 Prozent (chronische Migräne: >15 Kopfschmerztage/Monat, davon ≥8 Tage Migräne).
“Die kommunikativen Einschränkungen der Kinder können die Beschreibung der Schmerzen erschweren und dazu beitragen, dass die Differenzialdiagnostik durchaus anspruchsvoll werden kann”, berichtete PD Dr. Michael A. Überall, Nürnberg beim diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtag.
Untypische Migränesymptome
Neben den typischen Migräne-Zeichen können bei jungen Patienten auch untypische Symptome auftreten: Etwa ein pressender/drückender Kopfschmerz, der häufig beidseitig, bi-frontal, bi-occipital bzw. bi-temporal lokalisiert ist. Zudem eine teils deutlich kürzere Attackendauer (<2 Stunden) sowie gastrointestinale Symptome, die auch ohne begleitende Kopfschmerzen vorkommen können.
Während klinische Zeichen wie neuronale Hypersensitivität teilweise fehlen, sind Vorbotensymptome wie Blässe, Müdigkeit und insbesondere Reizbarkeit bzw. Gereiztheit oft sehr ausgeprägt.
Einige schwerwiegende Erkrankungen sollte man vor der Diagnose einer Migräne ausschließen. Dazu gehören ZNS-Tumoren, Schädel-Hirn-Traumata, psychische bzw. psychiatrische Störungen, Fehlsichtigkeit, Infektionen des ZNS und Systemerkrankungen wie z.B. Leukämie.
“Solange die Migräne einen repetitiven Verlauf nimmt und der Patient zwischen den Attacken eine altersentsprechende unauffällige Entwicklung und einen unauffälligen neurologischen Befund zeigt, gibt es eigentlich keine Indikation für eine bildgebende Untersuchung des ZNS”, erklärte Überall.
Akuttherapie: hit hard and early
Nicht-pharmakologische Therapieansätze spielen bei akuten Attacken keine große Rolle, sind jedoch hilfreich als unterstützende Maßnahmen. Darunter fallen etwa körperliche Ruhe, mentale Entspannung oder Schlafen – was viele Kinder von sich aus tun. Je nach individuellen Vorlieben kann die äußere Anwendung von Pfefferminzöl (10-prozentig) sowie eine Kühl- oder Wärmeanwendung lindernd wirken.
“Pharmakologische Maßnahmen sind das A & O in der Akuttherapie”, betonte Überall. Wichtig sei es, einen Behandlungsplan zu entwickeln und den Medikationsplan auch den Lehrern zugänglich zu machen. Grundsätzlich gelte es, so schnell wie möglich und mit ausreichend hoch dosierten Medikamenten zu behandeln – ein schrittweises Aufdosieren ist laut Überall bei dieser Erkrankung unsinnig.
Im Kindes- und Jugendalter gelten Nichtopioidanalgetika und NSAR als Mittel der ersten Wahl – insbesondere Ibuprofen. Dessen Dosierung (Einzeldosis: 10-15 mg/kgKG) sollte man in der Regel ausreizen, die Tagesdosis (40 mg/kgKG) jedoch nicht überschreiten.
Bei lang anhaltenden oder rekurrierenden Kopfschmerzen kann die Behandlung alle vier bis sechs Stunden wiederholt werden. Alternativen sind Naproxen, Paracetamol und Metamizol. Acetylsalicylsäure sollte bei Kindern unter 12 Jahren nicht gegeben werden.
Mittel der zweiten Wahl sind Triptane (Sumatriptan, Zolmitriptan) – nach klarer Definition der Einsatzkriterien. Hier gilt die Zweier-Regel: Maximal zwei Dosen/Tag, maximal zwei Behandlungstage/Woche.
Im Gegensatz zu Erwachsenen besteht die Prävention bei Kindern und Jugendlichen in nicht-pharmakologischen Maßnahmen. Sie umfasst zum Beispiel ein Kopfschmerztagebuch, Bewältigungsstrategien, progressive Muskelentspannung, kognitive Verhaltenstherapie, Schlafhygiene, ausreichende Trinkmengen und aeroben Ausdauersport.
Krebs-Schmerzen bei Kindern
Bei Kleinkindern stellen Leukämien die häufigste Tumorart dar, bei Schulkindern überwiegen Gehirntumore und Lymphome. “Schmerzen sind das am häufigsten beschriebene Symptom in der Kinderkrebstherapie”, erklärte PD Dr. Konrad Bochennek, Frankfurt am Main.
Da die Kinder ihre Schmerzen altersabhängig auf unterschiedliche Weise ausdrücken, sind diese oft schwer einschätzbar: Säuglinge schreien aus Leibeskräften, Kleinkinder projizieren jeglichen Schmerz auf den Bauch, Schulkinder verschweigen den Schmerz häufig aus Angst vor den Folgeuntersuchungen und manche Jugendliche wollen mit Ärzten am liebsten gar nicht sprechen.
Alarmzeichen für Tumore
Anhaltende Schmerzen in den Beinen vor allem in den Schienbeinen sowie eine Gehverweigerung (obwohl das Kind bereits gehen konnte) sind Hinweise auf eine Leukämie, denen man nachgehen sollte. Lässt sich im Kindesalter ein Tumor im Unterbauch tasten und tritt zugleich eine Invagination auf, ist das laut Bochennek hoch verdächtig für ein Burkitt-Lymphom. Diese Kinder sollten umgehend an ein (pädiatrisches) Zentrum überstellt werden.
Hirntumore machen sich häufig durch Kopfschmerzen bemerkbar, das spezifischere Symptom ist jedoch das Nüchternerbrechen am frühen Morgen. Wie der Kinderonkologe berichtete, wird dieses Symptom jedoch primär oft als “Essstörung” fehldiagnostiziert.
Auch anhaltende Rückenschmerzen sind bei Kindern ein Verdachtsmoment und sollten immer abgeklärt werden. So können etwa Neuroblastome in den Spinalkanal einwachsen und auf das Rückenmark drücken, wodurch es zu Schmerzen und Lähmungen kommen kann.
Weichteilsarkome kommen bei Kindern häufiger vor als bei Erwachsenen und verursachen tiefe, dumpfe Schmerzen in den Knochen. Problematisch sind hier die zahlreichen Differenzial-diagnosen wie etwa Wachstumsschmerzen, welche die Diagnose häufig deutlich verzögern.
“Sobald eine Schwellung oder eine Functio laesa auftritt, ist umgehend eine Abklärung mittels Bildgebung erforderlich”, betonte Bochennek.
Zu den Tumoren die lange Zeit keine Schmerzen bereiten, gehören abdominal wachsende Neuroblastome, wie etwa das Säuglingsneuroblastom. “In Kinderbäuchen ist sehr viel Platz, da passen auch große Tumoren hinein”, gab Bochennek zu Bedenken.
Quelle: Deutscher Schmerz- und Palliativtag: “Schmerztherapie bei Kindern”, anlässlich des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2023