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Hausarzt MedizinOpioide – die wichtigsten Unterschiede

Zur Behandlung starker Schmerzen kommen Opioide zum Einsatz. Worauf bei der Auswahl einer geeigneten Substanz zu achten ist, lesen Sie in dieser Folge der Serie Schmerz.

Opioide wirken über verschiedene Untertypen von Opioidrezeptoren sowohl im Zentralnervensystem als auch im peripheren Gewebe. Da jeder Mensch eine andere Ausstattung an Untertypen dieser Opioidrezeptoren hat, ist die Verträglichkeit der unterschiedlichen Opioide bei jedem Menschen anders. Es gilt daher, das für den jeweiligen Patienten am besten geeignete Opioid zu finden und dann auch zu verwenden.

Nebenwirkungen

Vor allem in den ersten zwei Wochen der Anwendung ist mit Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit und Schwindel zu rechnen. Deshalb sollte in den ersten ein bis zwei Wochen ein Antiemetikum verordnet werden. Haloperidol (z. B. 3 × 5 Tropfen täglich oder 15 Tropfen abends) eignet sich gut, da es direkt an der für die Opioid induzierte Übelkeit verantwortlichen Chemorezeptorentriggerzone wirkt.

Viel gefürchtet ist die atemdepressive Wirkung der Opioide. Da Schmerz ein sehr starker Atemantrieb ist, kann man jedoch bei sachgerechter Titration und noch bestehendem „Restschmerz“ in der Regel keine Atemlähmung auslösen. Die durch eine erhebliche Überdosierung ausgelöste Atemdepression zeigt sich zudem an anderen Überdosierungszeichen. Opioide lösen dauerhaft Obstipation aus, weshalb während der gesamten Dauer der Anwendung Laxanzien (z. B. Macrogol) gegeben werden sollten.

Welches Opioid?

Die Auswahl sollte gleichzeitig bestehende Leber- und Nierenfunktionsstörungen berücksichtigen. Bei Leberfunktionsstörungen sollten Levomethadon und Oxycodon wegen ihres überwiegend hepatischen Abbaus nicht eingesetzt werden. Bei der Anwendung von Morphin und Hydromorphon sind je nach Leberfunktion die Bioverfügbarkeiten erhöht, was eine Anpassung des Dosisintervalls erfordert. Opioide, die keine oder kaum aktive Metabolite bilden, sind bei Niereninsuffizienz zu bevorzugen. Dies sind die semioder voll-synthetischen Opioide Tilidin, Hydromorphon, Fentanyl, Buprenorphin und Levomethadon.

Opioide der WHO-Stufe 2

Die Medikamente dieser Stufe zeichnen sich durch einen „Ceiling-Effekt“ aus, d. h. man erreicht ab einer Grenzdosis keine weitere Verbesserung der Schmerzen. Deshalb sind diese Medikamente für den Missbrauch nicht gut geeignet, da der Süchtige meist eine weitere Wirkungssteigerung verlangt. Sie unterliegen (Ausnahme Tilidintropfen!) nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung. In der Schmerztherapie müssen die Medikamente der Stufe 2 bei Erreichen der „Ceiling-Dosis“ und weiterbestehendem Schmerz durch stärkere Opioide der Stufe 3 ersetzt werden.

Tramadol ist ein vollsynthetisches Opioid sowie ein Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Diese zusätzlichen Wirkmechanismen sind insbesondere bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen von Vorteil. Die Äquivalenzdosis zu Morphin beträgt 10:1 (z. B. 300 mg Tramadol entsprechen 30 mg Morphin). Die Ceiling-Dosis liegt bei ca. 900 mg Tagesdosis. Tilidin ist ein vollsynthetisches Opioid, das mit dem Opioidantagonisten Naloxon kombiniert wird. Der Antagonist Naloxon wird in der Leber verstoffwechselt und das Tilidin selbst zu dem wirksamen Nortilidin umgebaut. Möglicherweise führt die Kombination mit dem Opioidantagonisten zu weniger Obstipation. Die Äquivalenzdosis zu Morphin beträgt 10:1 (z. B. 600mg Tilidin entsprechen 60mg Morphin). Die Ceiling-Dosis liegt bei ca. 600 – 1000mg.

Opioide der WHO-Stufe 3

Opioide der Stufe 3 haben mit Ausnahme von Buprenorphin keinen Ceiling-Effekt, d. h. die Dosis kann je nach Schmerzstärke ohne obere Grenzdosis angepasst werden.

Das älteste Präparat dieser Gruppe ist das natürlich vorkommende Morphin, das als Referenzopioid betrachtet wird. Vorteilhaft sind die verschiedensten Darreichungsformen (oral, rektal, intravenös, subkutan oder intrathekal).

Morphin ist oral mit verschiedenster Wirkdauer verfügbar, nämlich als kurzwirksame Tabletten oder Tropfen mit 4 Stunden Wirkung für den Durchbruchschmerz (z. B. Sevredol®, Morphintropfen), Retardtabletten mit 8 – 12 Stunden Wirkung (z. B. MST®, auch als Granulat für die Magensonde) oder ultraretardierte Tabletten, die 24 Stunden wirksam sind (z. B. MST Continus®). Bei intravenöser Gabe beträgt die Wirkdauer nur 2 Stunden, bei subkutaner Gabe 4 Stunden.

Morphin wird vor allem über die Niere ausgeschieden. Es kumuliert daher bei Niereninsuffizienz. Bei noch bestehendem Restschmerz kann es dann durch Kumulation von Morphinabbauprodukten bereits zu Überdosierungserscheinungen wie Sedierung und Myoklonien kommen.

Hydromorphon wird nur zu einem geringen Prozentsatz über die Niere ausgeschieden. Bei Niereninsuffizienz kommt es daher in der Regel kaum zu einer Kumulation toxischer Metabolite. Neben Tabletten mit unterschiedlicher Wirkdauer (retardiert: 8 – 12 Stunden Wirkdauer; nicht retardiert: 3 – 4 Stunden Wirkdauer; ultraretardiert: 24 Stunden Wirkdauer) stehen Ampullen zur intravenösen oder subkutanen Gabe zur Verfügung.

Die Äquivalenzdosis zu Morphin beträgt bei intravenöser oder subkutaner Gabe 1:5 und bei oraler Gabe 1:7,5, d. h. 4 mg Hydromorphon Tabletten entsprechen 30 mg Morphintabletten bzw. 2 mg Hydromorphon subkutan entsprechen 10 mg Morphin subkutan.

Oxycodon wird als Retardtablette mit schnell wirksamer Komponente (8 – 12 Stunden Wirkdauer) oder als kurzwirksame Tablette für den Durchbruchschmerz hergestellt. Ampullen zur s.c. oder i.v. Gabe sind ebenfalls verfügbar. Eine fixe retardierte Kombination von Oxycodon mit Naloxon (Targin®) flutet langsamer an und ist etwas weniger obstipierend. Die Äquivalenzdosis zu Morphin beträgt 1:2, d. h. 10 mg Oxycodon wirken so stark wie 20 mg Morphin. Bei Nierenund Leberinsuffizienz ist eine Dosisreduktion erforderlich.

Fentanyl wird als Pflaster zur transdermalen Applikation, als transmukosal über die Mund bzw. Nasenschleimhaut schnell freisetzende Form und als Lösung zur intravenösen bzw. subkutanen Injektion hergestellt.

Das Pflaster hat eine Wirkdauer von (48 –) 72 Stunden. Ein Nachteil ist der späte Wirkeintritt, denn erst nach 12 – 24 Stunden wird eine Steady-state-Konzentration erreicht. Umgekehrt dauert es ca. 12 – 24 Stunden, bis die Wirkung nach Entfernen des Pflasters abgeklungen ist. Wegen des langsamen Wirkeintritts und der verzögerten Reaktion bei Dosiserhöhungen sind Fentanylpflaster daher nur bei stabilem Schmerzsyndrom gut einsetzbar. Sie sind wegen der transdermalen Gabe bei Schluckstörungen gut geeignet.

An transmukosalen Darreichungsformen mit raschem Wirkeintritt stehen Fentanyllutscher (Actiq®), Buccaltabletten (Effentora®), Sublingualtabletten (Abstral®) oder Nasensprays (Instanyl ®, Pec-Fentanyl®) zur Verfügung. Sie sind zur Behandlung des Durchbruchschmerzes hervorragend geeignet. Wie intravenöse Gaben wirken sie sofort (nach 7 – 20 Minuten), aber kurz (60 – 90 Minuten). Sie sollten daher nur zusätzlich zu einer bereits bestehenden Opioidtherapie zur Behandlung des Durchbruchsschmerzes eingesetzt werden.

Die Äquivalenzdosis von Fentanyl zu Morphin beträgt 1 : 100, d. h. die Wirkung von 1 mg Fentanyl entspricht der Wirkung von 100 mg Morphin.

Buprenorphin ist ein gemischter Opioidagonist und -antagonist. Aufgrund seiner langanhaltenden Rezeptorbindung und Dissoziation kommt es zu einem verzögerten Wirkeintritt und einer recht langen Wirkdauer. Es wird als sublinguale Tablette (z. B. Temgesic®) mit 6 – 8 Stunden Wirkdauer und als Pflaster mit 3 – 4 Tagen (Transtec®) oder 1 Woche (Norspan®) Wirkdauer hergestellt. Ein Ceiling-Effekt wird teilweise bei einer Dosis von 3 – 5 mg beschrieben. Die Äquivalenzdosis zu Morphin wird mit 50 – 60 : 1 angegeben. Es wird nicht über die Niere ausgeschieden und kann daher auch bei Niereninsuffizienz eingesetzt werden.

Levomethadon (Polamidon®) ist nicht nur ein Opioidagonist, sondern auch ein NMDA-Rezeptorantagonist und ein präsynaptischer Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Es hat daher auch koanalgetische Eigenschaften, was bei neuropathischen Schmerzen vorteilhaft ist. Levomethadon hat eine sehr lange Verweildauer (10 – 75 Stunden) im Körper und besonders im Fettgewebe, ist aber nur 6 – 12 Stunden analgetisch wirksam. Deshalb ist die Aufdosierung ausgesprochen kompliziert und es gilt als Opioid zweiter Wahl.

Tapentadol (Palexia®) ist ein vollsynthetisches Opioid mit zusätzlicher Wirkung als Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Es könnte daher für neuropathische Schmerzen geeignet sein. Tapentadol wurde als schnell freisetzende und als retardierte Form entwickelt. Nach den bisherigen Studien sollen opioidtypische Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen Opioiden weniger ausgeprägt sein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Opioiden der Stufe 3 gibt es eine Tageshöchstdosis, die nicht überschritten werden sollte.

Eindosierung und Rotation

Bei der schnellen Titration wird durch häufige Gaben unretardierter Tabletten oder von Tropfen solange die Dosis gesteigert, bis die Schmerzen ausreichend gelindert sind. Daran anschließend wird auf Retardtabletten in gleicher Dosis gewechselt. Noch schneller ist die intravenöse Titration, bei der beispielsweise ein Perfusor so lange in kurzen Intervallen in der Dosis erhöht wird, bis die ausreichende Dosis erreicht ist. Auch dann wird auf Retardtabletten in gleicher Dosierung gewechselt. Die langsame Titration erfolgt mittels Retardtabletten, die bis zur deutlichen Schmerzreduktion täglich gesteigert werden.

Bei Durchbruchschmerzen wird jeweils ca. 1/6 der Tagesdosis des verordneten Opioids als Bedarf gegeben. Schnellwirksame Fentanylpräparationen können ebenfalls eingesetzt werden und haben den Vorteil des schnelleren Wirkeintritts. Mit Opioidrotation wird der Austausch eines Opioids gegen ein anderes Opioid bei schlechter Verträglichkeit, unbeherrschbaren Nebenwirkungen, nicht zufriedenstellender Schmerzlinderung trotz hoher Dosis bezeichnet. Von der errechneten Äquivalenzdosis werden zur Sicherheit nur 2/3 verabreicht und dann erneut aufdosiert.

Literatur: Gerhard C. Praxiswissen Palliativmedizin, Thieme, Stuttgart 2015

Interessenkonflikte: keine

Fallbeispiel

Bei der 83-jährigen Frau J. wurde ein Mammakarzinom mit Wirbelkörpermetastasen diagnostiziert. Bisher waren die Schmerzen durch 4-stündliche Gaben von je 30 Metamizol-Tropfen und Morphin retardiert in einer Dosis von 2 x 200 mg täglich gut gelindert. Im Rahmen einer erheblichen Verstärkung der Rückenschmerzen wird jetzt die Morphindosis schrittweise auf 3 x 300 mg erhöht. Frau J. hat zwar kaum mehr Schmerzen, zeigt aber immer mal wieder generalisierte Myoklonien. Sie wird deshalb auf Hydromorphon umgestellt. Sie erhält schließlich 2 x 64 mg Hydromorphon und ist nun schmerzfrei ohne die Myoklonien ertragen zu müssen.

Kommentar

Myoklonien sind eine Nebenwirkung des Morphins, die durch Kumulation seiner Abbauprodukten (Morphin-3-Glucuronid) ausgelöst werden. Sie kommen unter Hydromorphon deutlich seltener vor.

Opioide

Natürlich vorkommende Opioide (Codein und Morphin) werden direkt aus der Mohnpflanze extrahiert und Opiate genannt. Durch chemische Veränderung entstehen halbsynthetische Opioide (z. B. aus Morphin durch Hydrierung Hydromor-phon). Opioide lassen sich auch vollsynthetisch herstellen (z.B. Buprenorphin, Fentanyl, Levomethadon, Tapentadol, Tildin, Tramadol).

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