Ein abwendbar gefährlicher Verlauf wäre bei starken Allgemeinbeschwerden, etwa Somnolenz, Fieber oder starkem Schwindel, anzunehmen bzw. auszuschließen, z. B. bei einem Erysipel oder Abszedierungen ins Schädelinnere bei verschleppten Verläufen. Zum Glück sind sie selten. Auch stehen dann oft andere Beschwerden im Vordergrund.
Anhören
Zunächst lassen wir uns berichten, wie die Schmerzen aufgetreten sind. Plötzlich, innerhalb von Stunden oder Tagen oder gar schon viel länger bzw. immer wieder rezidivierend? Verletzung, etwa durch Knall oder Schlag aufs Ohr? Flugreise trotz Schnupfen? Schwimmbadbenutzung? Ist das Hören beeinträchtigt? Bestehen andere Erkrankungen, Begleiterscheinungen, auch wenn sie „gar nichts damit zu tun haben“, wie der Patient meinen mag, etwa ein Diabetes oder sonstige Erkrankungen oder Therapien, die zu einer Schwächung der Immunabwehr führen?
Bestehen die Ohrenschmerzen nur bei Kälte bzw. Wind? Dann lassen sie sich durch eine Kopfbedeckung vermeiden, sind also kein arztpflichtiges Problem. Meist gehen diese Beschwerden auf eine ansonsten ausgeheilte frühere Erkrankung zurück.
Anschauen
Dann schauen wir uns das Ohr bzw. die Ohren an. Ist schon äußerlich eine Veränderung zu sehen? Ausfluss oder eine Besonderheit an der Ohrmuschel? Ist vielleicht dem Patienten selbst eine Veränderung aufgefallen? Unsere Feststellungen halten wir zunächst im Gedächtnis oder in der Dokumentation fest.
Anschließend legen wir Wert auf eine möglichst exakte Beschreibung der Veränderung: Seitenvergleich der Farbe, Stellung und Form der Ohrmuschel und der Umgebung, Beschreibung der Hautveränderungen sowie des einsehbaren Teils des äußeren Gehörgangs.
Anfassen
Vorsichtig tasten wir über die Ohrmuschel und die Umgebung des Ohres bis zum Mastoid und das Kiefergelenk auf der Suche nach Druckschmerz oder hyperalgetischen Hautzonen. Drücken wir nun auf den Tragus und ziehen die Ohrmuschel dann nach hinten oben. Dabei auftretende Schmerzen weisen auf die Erkrankung des äußeren Gehörgangs hin. Möglicherweise müssen wir hier schon die Untersuchung abbrechen, denn wenn der Gehörgang sehr empfindlich ist, werden wir kaum einen Ohrtrichter einführen können.
Vielleicht schauen wir nun mit starkem Licht und unbewaffnetem Auge so weit wie möglich in den Gehörgang hinein, um einen nahen Verschluss etwa durch einen Gehörgangsfurunkel bzw. den Zustand der Haut und ggf. Ausfluss zu sehen. Sind Druck und Zug ohne wesentliche Schmerzverstärkung zu ertragen, können wir nun zur Spiegelung des Ohres kommen.
Reinschauen
Der Kopfspiegel benötigt einen entsprechenden Arbeitsplatz mit Lichtquelle und Patientenstuhl – und ein geübtes Auge. Der Vorteil: Man kann ggf. direkt unter Sicht manipulieren, etwa Krusten abtragen, einen Fremdkörper oder Zeruminalpfropf mit dem Häkchen entfernen.
Für den Ungeübten ist ein Ohrenspiegel mit Lichtquelle und Lupe einfacher. Auch kann er unabhängig vom Ort auch im Hausbesuch verwendet werden. Nun gilt es, schön langsam zunächst die Haut des Gehörgangs zu beurteilen, dann das Trommelfell darzustellen. Trommelfell grau? Matt oder glänzend? Vorgewölbt oder eingezogen? Defekt? Sekretausfluss? Blasen? Blutiger Belag? Oder gar nichts, nur Dunkelheit oder braune Massen?
Ein Ekzem oder eine Psoriasis in der Umgebung des Ohres geben schon einen Hinweis auf eine mögliche Otitis externa. Diese kann aber auch auf den Gehörgang selbst beschränkt sein und wird erst bei der Spiegelung sichtbar.
Ist unser Patient ein Badefreund? Keime (Streptokokken, Staphylokokken und Pseudomonaden) sind immer im Gehörgang vorhanden, es bedarf nicht einer Infektion von außen. Aber Manipulationen wie mechanisches Trocknen des Gehörgangs mit der Gefahr kleiner Verletzungen und das für Bakterien ideale Klima der feuchten Kammer und eine Störung des gewöhnlich mit einem pHWert von fünf leicht sauren Milieus der Haut bahnen Infektionen den Weg.
Auch beim Ekzem und bei der Schuppenflechte begünstigen ein gestörtes Milieu und Manipulationen die Exazerbation. Bei der Schuppenflechte stauen sich die squamösen Belege, führen zum Verschluss des Gehörgangs und schließlich zum harten Pfropf und darunter zur Entzündung. Am äußeren Teil des Gehörgangs können an den Haarfollikeln Gehörgangsfurunkel entstehen – fürwahr kein Vergnügen, weil außerordentlich schmerzhaft, daher sollten sie hier nichts anfassen.
Mehr im äußeren Teil können Reaktionen auf das Tragen des Hörgeräts oder von Hörstöpseln oder Lärmschutzmaterial bestehen.
Trommelfell grau, aber eingezogen?
Kein Problem. Ein Tubenkatarrh entsteht meist infolge eines Schnupfens. Schlimm wird es bei starken Luftdruckschwankungen wie im Flugzeug bei Start und Landung. Da sollte man vorsorglich die Nase sorgfältig mit abschwellenden Tropfen vorbereiten. Tauchen wäre in diesem Fall ohnehin strikt zu untersagen wegen der Gefahr von Schwindel!
In traditionellen Praxen ist für die Behandlung des Tubenkatarrhs ein Politzer-Ballon zu Hand: Der Behandler hält ein Nasenloch zu, das andere verschließt die Olive des Ballons, beim Schlucken wird der Ballon kräftig zusammengedrückt und der Druckstoß öffnet die verklebte Tuba auditiva. In leichteren Fällen kann sich der Patient auf ähnliche Weise selbst helfen, indem er einen Schluck Wasser in den Mund nimmt, sich die Nase zuhält, kräftig presst und dann schluckt. Auch hier öffnet sich gewöhnlich die Tuba. Die Befreiung vom Schmerz erfolgt unmittelbar, stabilisiert werden kann das durch abschwellende Nasentropfen: Kopf auf die Seite legen, die Tropfen in das nun untere Nasenloch einträufeln und die Flüssigkeit verschnüffeln: Dann kommt das Mittel an den richtigen Ort. Vor- oder Rückbeugen sind nicht zielführend.
Trommelfell gerötet?
Wenn die anamnestischen Angaben auf eine akute Otitis media hinweisen, wäre die Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie zu prüfen. Blutige Blasen sehen wir bei einer Grippe-Otitis.
Trommelfeld defekt mit Sekretausfluss oder tumorösen Massen?
Dann ist die Mitbehandlung durch einen HNO-Kollegen einzuleiten. Sollten wir bei Verschluss des Gehörgangs spülen? Bei perforiertem Trommelfell könnte Schwindel ausgelöst werden, insbesondere bei zu kaltem Wasser. Dennoch kann das Spülen mit angemessener Technik (körperwarmes Wasser, moderater Druck, ggf. Aufweichen des Pfropfens mit glyzerinhaltigen Ohrentropfen) in der Hausarztpraxis auch durch eine routinierte Helferin erledigt werden. Hausärztliche Betreuungskompetenz statt Lotsenfunktion.
Bei anamnestischem Hinweis auf Perforation oder Verdachtsmomenten für andere Ursachen lieber zurückhalten: Der HNO-Kollege kann es unter Sicht mit dem Häkchen besser.
Schmerzen
Schmerzen, und nichts zu sehen? Vielleicht wird es ein Zoster? Meist ist dann auch die Haut der Umgebung im Bereich des unteren Trigeminusastes (N. mandibularis) hyperalgetisch berührungsempfindlich. Die Allodynie ist typisch für den neuropathischen Schmerz. Unter symptomatischer, d. h. analgetischer Therapie kann man den wohl instruierten Patienten beobachten und warten lassen: Beim ersten Auftreten der typischen Bläschen sollte so rasch wie möglich die antivirale Therapie beginnen, daher sollte der Patient kurzfristig für den übernächsten Tag wiederbestellt werden. Die Bläschen könnten sich im Gehörgang entwickeln. Bei hoch gefährdeten und gut kooperierenden Patienten habe ich schon mal (vor dem Wochenende!) das Rezept mitgegeben, einzulösen bei entsprechendem Verlauf, natürlich mit erstmöglichem Kontrolltermin. Aber Zoster kann auch ohne Bläschen auftreten und schmerzt dennoch.
Der neuraltherapeutisch tätige Arzt sucht nach Narben als Schmerzquelle und behandelt entsprechend mit Infiltrationen. Das könnte jeder Hausarzt auch tun.
Ähnlich können auch neuralgiforme Schmerzen aus der oberen Halswirbelsäule sein. Das Segment des unteren Kopfgelenks (zwischen 1. und 2. Halswirbel) kann bei Blockierung auch nach längerem Verlauf in die Parietalregion ausstrahlen. Meist aber kann hier schon eine längere Vorgeschichte mit rezidivierenden Schmerzen der Halswirbelsäule eruiert werden, auch Ausstrahlungen in den Oberkiefer. Der Schmerzbereich ist nicht identisch mit dem Trigeminusast, sondern mit dem vegetativen Segment.
Es wäre hier die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zu prüfen, zunächst global, dann speziell die Rotation mit maximal vorgebeugtem Kopf. Da so die untere Halswirbelsäule nicht rotieren kann, kommen jetzt auftretende Bewegungsschmerzen und -einschränkungen aus der oberen Halswirbelsäule. Bildgebende Verfahren sind hier nutzlos. Indiziert ist ein Therapie mit Quaddelung, Infiltration, manueller Extension, oder lassen Sie einfach einen Chirotherapeuten ran. Entlastung bringt meist schon die Behandlung des Nackens, der Lendenwirbelsäule und der Iliosakralfugen, also weniger problematischer Zonen für diese Methoden. Am 2. Halswirbel setzt übrigens der M. Trapezius, er kann bei Verkürzung und/oder Verspannung dieses Segment reizen und die genannten Folgebeschwerden auslösen, etwa bei längerem schwerem Tragen.
Fazit
Ein systematisches Vorgehen erleichtert die Lösung des Problems. Auch bei einer Überweisung sollte zuvor ein Befund erhoben und mitgeteilt sowie ein Bericht eingefordert werden.