Neurodegenerative Erkrankungen und Schlaf
In der Schlafforschung verdichten sich die Hinweise, dass Schlafstörungen der Entwicklung einer neurologischen Erkrankung vorausgehen können. Als Beispiel nannte Prof. Claudio L. Bassetti vom Universitätsklinikum Bern die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei welcher Träume – aufgrund einer fehlenden motorischen Hemmung – ausagiert werden. Dadurch kann es zu Eigen- bzw. Fremdgefährdung kommen. In einer Studie hatten 15 Jahre nach der Diagnose dieser Verhaltensauffälligkeit 90 Prozent der Betroffenen einen Morbus Parkinson, eine Multisystematrophie oder eine Lewy-Körperchen-Demenz entwickelt. Lagen zusätzlich Kofaktoren wie Geruchsstörungen oder Depressionen vor, traten die Erkrankungen früher auf. “Diese Daten legen aber auch nahe, dass es ein Zeitfenster für eine Intervention gibt, sollte uns zukünftig eine kausale Therapie zur Verfügung stehen”, betonte Bassetti.
M. Alzheimer könnte eine Erkrankung sein, bei der sich die Erkenntnisse der Schlafmedizin präventiv einsetzen lassen. Erste Hinweise stammten aus Tiermodellen, in denen Schlafentzug zu einer vermehrten Amyloidablagerung führte. Tatsächlich zeigen aktuelle Arbeiten diesen Effekt auch beim Menschen. “Selbst eine einzige Nacht mit Schlafentzug resultiert in einer Anhäufung von ß-Amyloid im menschlichen Gehirn, entweder weil mehr produziert wird oder aufgrund eines reduzierten Efflux”, erklärte Bassetti. Die spannende Frage – ob sich diese Dysbalance durch eine medikamentöse Schlafverbesserung beeinflussen lässt – sollen derzeit laufende Studien beantworten.
Ein- und Durchschlafstörung – So ist vorzugehen
Schlafmediziner schätzen, dass etwa 10 Prozent der Deutschen unter chronischer Insomnie leiden. Die richtige Diagnose werde jedoch in mindestens 85 Prozent der Fälle nicht gestellt. Zur Abklärung einer Insomnie rät die 2017 aktualisierte S3-Leitlinie dazu, Schlaftagebücher einzusetzen und mittels Fragebögen (z.B. Pittsburgher Schlafqualitätsindex oder Insomnia Severity Index) das Ausmaß und die Schwere der Beschwerden einzuschätzen. Die Diagnosestellung erfordert eine Ein- und/oder Durchschlafproblematik sowie eine damit zusammenhängende Tages-Beeinträchtigung. Klinisch relevant ist eine Schlafstörung, wenn sie mindestens 3 mal pro Woche für mindestens 3 Monate auftritt. Eine medikamentöse Behandlung empfiehlt die Leitlinie explizit nicht. Stattdessen sollte eine spezifisch für Schlafstörungen entwickelte psychotherapeutische Behandlung erfolgen.
Aktuelle Therapieoptionen der obstruktiven Schlafforschung
Bei der obstruktiven Schlafapnoe verschließen Zunge und umliegendes Gewebe jede Nacht viele Male die Atemwege wodurch die Betroffenen (meist unbemerkt) kurz aufwachen und ihre Atmung wieder einsetzt. Dieser Vorgang stört den Schlaf erheblich. Moderate bis schwere Schlafapnoe ist assoziiert mit einem erhöhten Risiko für allgemeine Sterblichkeit und Schlaganfall sowie mit einer erhöhten Krebsinzidenz und -mortalität. Zudem leiden die Betroffenen unter erhöhter Tagesschläfrigkeit und mangelnder Konzentration.
Als Erstlinienbehandlung wird in der Regel die CPAP (continuous positive airway pressure) -Therapie eingesetzt, welche die Atempausen mit Hilfe eines leichten Überdrucks beseitigt. Die Schlafapnoiker müssen dazu jede Nacht eine Maske tragen, die über einen Schlauch mit einem Kompressor verbunden ist. Diese Belastung (für die Betroffenen und die Bettpartner) führt zu einer oft mangelhaften Adhärenz. Alternative Verfahren rücken daher zunehmend in den Focus. Dazu zählt die implantierbare Hypoglossusnerv-Stimulation, welche den Zungennerv über eine Elektrode stimuliert. Dadurch bleibt der Muskeltonus erhalten und die Atemwege werden nicht verlegt. Statt einer aufwendigen Apparatur ist nur eine Fernbedienung erforderlich. Auch chirurgische Verfahren, wie die Entfernung überschüssigen Gewebes am Zungengrund oder der Straffungen des Weichgaumens wurden in den letzten Jahren optimiert.