Hausarzt MedizinLipidmanagement nach ESC-Leitlinie

Einer der entscheidenden Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse ist ein erhöhtes LDL-Cholesterin. Da auch mit einer hochdosierten Statintherapie, die sich am individuellen Risiko orientierenden Zielwerte oft nicht erreicht werden, besteht Bedarf für zusätzliche Therapiestrategien, meint die ESC.

Die KHK und ihre Folgeerkrankungen sind weiterhin die häufigste Todesursache unserer Zeit. "Der entscheidende Risikofaktor ist ein erhöhtes LDL-Cholesterin", sagte Professor Klaus Parhofer, München. Das LDL-Cholesterin sei kein Risikomarker, sondern kausal in die Manifestation und Progression der Atherogenese involviert. In entsprechenden Interventionsstudien habe man zeigen können, dass eine Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l zu einer über 20-prozentigen Risikoreduktion führe.

Individuelles Risiko ist entscheidend

Die ESC-Leitlinie für das Lipidmanagement wurde angesichts neuer Studiendaten 2016 aktualisiert. Danach müssen mit Ausnahme der Triglyceride die Lipide im Allgemeinen nicht nüchtern bestimmt werden. "Die Zielwerte für das LDL-Cholesterin sollten sich am individuellen Risiko orientieren", so Parhofer. Die Abschätzung des individuellen Risikos erfolgt mit Hilfe eines Scores. Danach hat ein Raucher mit einem systolischen Blutdruck von 180 mm Hg und einem Gesamtcholesterin von 270 mg/dl ein zehnfach höheres Risiko als ein Nichtraucher mit einem systolischen Blutdruck von 120 mm Hg und einem Gesamtcholesterin von 240 mg/dl.

Bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko (bekannte KHK, Z.n. Myokardinfarkt, Z.n. ischämischen Schlaganfall, pAVK, dokumentierte atherosklerotische Gefäßerkrankung, Typ-2-Diabetiker, Typ-1-Diabetiker mit Endorganschäden) sollte ein LDL-C-Wert von < 70 mg/dl bzw. eine > 50-prozentige LDL-C-Senkung angestrebt werden. Damit werden jetzt auch Risikopatienten erfasst, die ein niedriges Ausgangs-LDL haben. Als hohes Risiko gilt, wenn ein Risikofaktor wie eine familiäre Hypercholesterinämie oder eine schwere Hypertonie oder ein Diabetes mellitus ohne Folgeschäden vorliegt bzw. die Ereignisrate in den nächsten 10 Jahren 5 – 10 Prozent beträgt. Bei solchen Patienten sollte ein Zielwert von < 100 mg/dl erreicht werden. Bei einem moderaten Risiko, d.h. einer Ereigniswahrscheinlichkeit in den nächsten 10 Jahren von 1 – 5 Prozent, gilt als Zielwert < 115 mg/dl.

Durch ein Statin kann das kardiovaskuläre Risiko um relativ 20-25 Prozent gesenkt werden. Entscheidend für die absolute Risikoreduktion ist aber das Ausgangsrisiko. Liegt dieses bei nur 5 Prozent/10 Jahre, so wird mit einem Statin bei einer relativen Risikoreduktion von 24 Prozent eine absolute Risikoreduktion von nur 1,2 Prozent/10 Jahre, nämlich von 5 auf 3,8 Prozent erreicht. Bei einem hohen Ausgangsrisiko von 20 Prozent/10 Jahre beträgt die absolute Risikoreduktion dagegen schon 4,8 Prozent/10 Jahre, nämlich 24 von 20 Prozent.

Limitationen der Statintherapie

Der bisherige unverzichtbare Standard bei der Therapie der Hypercholesterinämie sind die Statine. Doch diese sind mit einer Reihe von Problemen assoziiert. Denn trotz einer hochdosierten Statintherapie erreichen über 40 Prozent der Hochrisiko-Patienten nicht den Zielwert < 70 mg/dl. Auch führt die Verdoppelung der Statindosis nur zu einer geringen zusätzlichen LDL-C-Abnahme. Auch besteht trotz intensiver Statin-Therapie weiterhin ein hohes kardiovaskuläres Restrisiko. Ein Problem ist auch die Statin-Unverträglichkeit; denn 10 – 15 Prozent der mit einem Statin behandelten Patienten müssen dieses Medikament wegen Muskelschmerzen wieder absetzen.

Als Alternative oder als Kombinationspartner bietet sich dann Ezetimib an. Dass durch die Gabe von Ezetimib zusätzlich zu Simva-statin das kardiovaskuläre Risiko weiter gesenkt werden kann, konnte im Rahmen der IMPROVE-IT-Studie gezeigt werden. Durch die Kombination konnte der LDL-Wert um 24 Prozent und das relative kardiovaskuläre Risiko nach sieben Jahren um 6,4 Prozent reduziert werden. Sowohl die Rate an Herzinfarkten als auch an Schlaganfällen war signifikant niedriger. Der LDL-Wert sank in der Monotherapiegruppe auf 69 mg/dl, durch die Kombination auf 54 mg/dl. Durch die zusätzliche Gabe von Ezetimib wurden aber nicht nur die Erst- sondern auch Folgeereignisse verhindert. So zeigte sich eine Abnahme aller kardiovaskulären Ereignisse um 9 Prozent, der nicht-tödlichen Infarkte um 13 Prozent und der nicht-tödlichen Schlaganfälle um 23 Prozent.

PCSK9-Hemmung

PCSK9 ist ein Protein, das sich an die LDL-Rezeptoren bindet, was zu deren Abbau führt. Somit stehen weniger LDL-Rezeptoren auf den Hepatozyten zur Verfügung, um das LDL-C aus dem Blut zu eliminieren. PCSK9 verringert die Verfügbarkeit des LDL-Rezeptors und Antikörper gegen PCSK9 erhöhen dessen Verfügbarkeit und senken somit das LDL-Cholesterin. Die Hemmung des PCSK9-Stoffwechselwegs ist ein neuer vielversprechender Therapieansatz zur Senkung des LDL-C. Die additive Gabe eines PCSK9-Inhibitors zusätzlich zu einem Statin erscheint sinnvoll, da Statine nicht nur die Cholesterin-Synthese hemmen, sondern auch die Expression der LDL-Rezeptoren erhöhen, was eine Gegenregulation in Form einer PCSK9-Induktion zur Folge hat. Dies erklärt, warum eine Erhöhung der Statindosis nur einen geringen zusätzlichen Effekt zeigt. Nach den vorliegenden Studienergebnissen kann mit einem PCSK9-Inhibitor das LDL-Cholesterin um 50 – 60 Prozent gesenkt werden.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse

Dass dies auch zu einer Abnahme des kardiovaskulären Risikos führt, konnte erstmals im Rahmen einer Outcome-Studie (FOURIER) gezeigt werden. Ausgewertet wurden die Daten von 27.564 Patienten mit einem LDL-Wert ≥ 70 mg/dl oder einem Wert des Non-HDL-Cholesterins von ≥ 100 mg/dl und klinisch nachweisbarer atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung, die mit einer optimierten Statin-Dosis behandelt waren. Sie erhielten randomisiert alle zwei Wochen 140 mg oder einmal monatlich 420 mg Evolocumab bzw. Placebo s.c.. Nach einer Beobachtungsdauer von drei Jahren wurde durch Evolocumab der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall um 20 Prozent, also von 9,9 Prozent auf 7,9 Prozent gesenkt. Der positive Effekt war bereits nach sechs Monaten sichtbar und nahm im weiteren Verlauf von 16 Prozent im ersten Jahr auf 25 Prozent in der Folgezeit zu. Mit dem PSCK9-Inhibitor konnte das LDL-Cholesterin um 59 Prozent auf im Durchschnitt 30 mg/dl gesenkt werden. Bzgl. Nebenwirkungen ergab sich kein Unterschied zu Placebo.

Im Rahmen der EBBINGHAUS-Studie wurde bei 1.900 Patienten der FOURIER-Outcome-Studie auch der Effekt des PCSK9-Antikörpers auf die kognitive Leistungsfähigkeit untersucht. Dabei ergab sich keinerlei Hinweis darauf, dass Evolocumab die Kognition negativ beeinflussen könnte.

Tipp

"Der Hausarzt" 5 hat die DEGAM-S3-Leitlinie zur kardiovaskulären Prävention vorgestellt. Danach besteht für Statine die beste Evidenz. Von Kombinationen verschiedener Lipidsenker rät sie ab.

Fazit

  1. Je niedriger das LDL-Cholesterin, umso besser.Je früher die Lipidsenkung einsetzt, umso effektiver. Es gibt kein "zu niedriges Cholesterin".

  2. Bei sehr hohem Risiko sollte ein Ziel-LDL-Wert < 70 mg/dl angestrebt werden.

  3. Eine Regression der Atherosklerose und eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch eine aggressive Cholesterinsenkung sind möglich.

  4. Die DEGAM vertritt eine konträre Meinung zur ESC. DEGAM-Leitlinie zur kardiovaskulären Prävention: hausarzt.link/CrsqC

Quelle: Diabetes Update 2017

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