Das sichtbare Zeichen einer Erkrankung der Lymphgefäße ist das Lymphödem. Dieses entsteht, wenn die Transportkapazität der Lymphgefäße so stark reduziert ist, dass im Extravasalraum anfallende Proteine nicht abtransportiert werden können. Je nach Ätiologie dieser Transportschwäche unterscheidet man primäre Lymphödeme von sekundären Lymphödemen, die z. B. durch Operationen im Bereich der Lymphwege, Infektionen wie dem Erysipel oder auch onkologische Erkrankungen verursacht werden.
Stadien
Im Stadium 1 der Erkrankung bildet sich die Schwellung zum überwiegenden Teil über Nacht zurück, das Gewebe ist weich, und
Hautkomplikationen sind meist nicht zu erwarten. Ab Stadium 2 ist das Gewebe deutlich derber und das Ödem bildet sich über Nacht in der Regel nicht zurück. Das Stadium 3 des Lymphödems ist durch die Entwicklung einer Elephantiasis gekennzeichnet, häufig bedingt durch rezidivierende Erysipele.
Therapie
Die Therapie des primären und sekundären Lymphödems unterscheidet sich unwesentlich. Wichtig ist, dass Diuretika zur Therapie des Lymphödems kontraindiziert sind. Durch eine Diuretika-Gabe erhöht sich die relative Eiweißkonzentration im Gewebe und verschlechtert so mittelfristig das Lymphödem.
Die Therapie der Wahl beim Lymphödem ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE, Tabelle 1). Die KPE beinhaltet zwei wesentliche Betsandteile: die Entstauung sowie die Konservierung des Therapieerfolgs. In der Entstauungsphase wird die Kompression in der Regel mit Kompressionsbandagen durchgeführt, während für die Konservierung des Therapieerfolgs typischerweise Kompressionsstrümpfe verwendet werden.
In fortgeschrittenen Stadien des Lymphödems (Stadium 2 bis 3) erfolgt die Entstauungsphase häufig stationär, da besonders zu Beginn der Entstauung oft mehrfach täglich Kompressionsverbände gewechselt und manuelle Lymphdrainagen durchgeführt werden sollten.
Kompressionsverbände
Kompressionsverbände bieten gegenüber Kompressionsstrümpfen den großen Vorteil, dass sie täglich den Umfangsreduktionen während der Abschwellung der Extremität angepasst werden können. Die aus mehreren Schichten bestehenden Kompressionsbandagen (Tabelle 2) sollten mindestens 1 × täglich gewechselt und können auch nachts belassen werden. Der jeweilige empfohlene Kompressionsdruck des Verbands richtet sich nach der Lokalisation des Lymphödems. Im Bereich der Arme sind geringere Kompressionsdrücke von bis zu 30 mmHg ausreichend, an den Beinen hingegen werden Kompressionsdrücke von bis zu 50 – 60 mmHg eingesetzt.
Da primäre Lymphödeme häufig mit Schwellungen der Fußrücken und Zehen einhergehen, muss für diese Lokalisationen spezifisches Material verwendet werden. Die Bandagenhersteller bieten oft Lymphsets an, die jeweils das Material für die lymphologische Bandagierung einer Extremität beinhalten. Alternativ zu diesen Systemen können auch Mehrkomponentensysteme mit kohäsiven Binden oder Softkompress-Fertigssysteme verwendet werden.
Die Kompressionsbandagen sollten derart angelegt werden, dass keine Schmerzen entstehen, der Patient die Extremität ausreichend bewegen kann und der Verband trotzdem fest sitzt.
Kompressionsstrümpfe
Heutzutage wird nur noch in Ausnahmefällen Latex bzw. Naturgummi für Kompressionsstrümpfe in der Phlebologie und in der Lymphologie verwendet. Stattdessen dominiert bei den Kernfäden heute gesponnenes Polyurethan (Elastan). Dieses ist deutlich unempfindlicher gegenüber äußeren Einflüssen wie Salben oder UV-Licht und wesentlich haltbarer als Latex bzw. Gummi.
Die Kompressionsstrümpfe weisen eine hohe Steifigkeit auf. Dies hat zwei Vorteile: Einerseits bieten sie ein besseres Widerlager und einen besseren Massageeffekt, andererseits neigen steifere Gewebe weniger dazu, Schnürfurchen in Hautfalten zu bilden. Da Lymphödempatienten häufig tiefe Hautfalten im Bereich des Übergangs vom Fußrücken zum Unterschenkel, selten auch im Bereich des Knies, entwickeln, werden sehr feine Materialien gemieden, die dazu neigen, schon bei geringem Verrutschen Schnürfurchen in diesen vorbestehenden Hautfalten zu entwickeln.
Die atypischen Beinformen der Lymphödempatienten bedingen häufig, dass die Kompressionsstrümpfe maßgefertigt werden müssen. Besonders gut geeignet für atypische Beinformen ist die Herstellung der Kompressionsstrümpfe im Flachstrickverfahren. Hierbei kann zum einen durch die Verwendung eines gröberen Fadenmaterials eine erhöhte Steifigkeit erzielt und zum anderen große Kalibersprünge, wie sie z. B. bei Hautfalten auftreten, realisiert werden. Das Rundstrickverfahren erreicht bei extremen Beinformen seine Grenze, hier können die großen Kalibersprünge allein durch die Vergrößerung der Maschen nicht mehr nachvollzogen werden, außerdem besitzt das feinere Nahtmaterial eine geringere Steifigkeit, so dass sich häufiger Schnürfurchen in Hautfalten bilden.
Das Abmessen der Kompressionsstrümpfe erfordert eine besondere Schulung. Der korrekte Sitz des medizinischen Kompressionsstrumpfs wird durch das abgebende Sanitätshaus kontrolliert. Zusätzlich sollte sich der behandelnde Arzt vergewissern, dass die Strümpfe optimal angepasst worden sind und ihre medizinische Funktion erfüllen.
Die Kompressionsstrümpfe sind in der Regel sechs Monate haltbar, besondere Belastungen können auch vor dieser Zeit einen Ersatz der Strümpfe erforderlich machen. Zu fragen ist nach dem Lebensstil und der beruflichen Tätigkeit, auch der Körperbau spielt eine wichtige Rolle.
Um das Anziehen der Kompressionsstrümpfe zu erleichtern, werden häufig zusammengesetzte Kompressionssysteme verwendet. Dabei wird die Kombinationaus Kompressions-Caprihose und Kniestrümpfen (AD) sowie Kompressions-Bermuda und Schenkelstrümpfen (AG) häufig verordnet. Weiterhin sollten Zehenkappen verwendet werden. Hier bietet sich das 2-teilige Set, bestehend aus Kompressionsstrümpfen und Zehenkappen an. Dieses ist für Patienten deutlich leichter anzuziehen als an Kompressionsstrümpfe genähte Zehenklappen. Da trotz der modernen Gestricke eine mechanische Reizung der Haut durch die Kompressionsstrümpfe nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine sorgfältige Hautpflege wichtig. Zeichen einer Reizung können eine trockene Haut mit vermehrter Hautschuppung und Juckreiz sein. Diese können durch entsprechende Pflegeprodukte, z. B. mit Zusatz von Urea fünf bis zehn Prozent, gut behandelt werden.
Intermittierende pneumatische Kompressionstherapie
Bei fehlender Wirksamkeit von Kompressionsbandagen und Kompressionsstrümpfen können zusätzlich Geräte zur intermittierenden pneumatischen Kompression verordnet werden. Dabei wird über einen Luftpulsgenerator pneumatisch Druck in einer Extremitätenmanschette, Hosenmanschette oder Jackenmanschette erzeugt.
Es stehen Ein- und Mehrkammergeräte für die intermittierende pneumatische Kompression zur Verfügung. In Studien zeigte sich, dass Mehrkammergeräte im Vergleich zu Einkammergeräten Ödeme schneller reduzieren können. In Mehrkammergeräten kann ein kontinuierlicher Druckaufbau von distal nach proximal erzeugt werden, um so einen Flüssigkeitsfluss von distal nach proximal zu induzieren. Bei Lymphödemen erfolgt die Kompression bei der intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie mit Höchstdrücken von 40 – 60 mmHg über einen Zeitraum von 30 bis 60 Minuten täglich. In der Phase der Entstauung kann auch ein mehrmals täglicher Einsatz der Geräte sinnvoll sein.
Ein großer Vorteil der Geräte zur intermittierenden pneumatischen Kompression ist, dass diese nicht nur in Klinik oder Praxis, sondern auch beim Patienten zuhause eingesetzt werden können.
Fazit
Hauptbestandteil der Lymphödemtherapie ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie bestehend aus Kompressionstherapie, Bewegungstherapie, manueller Lymphdrainage und Hautpflege. In der Phase der Entstauung wird eine Kompression mit Kompressionsverbänden durchgeführt und an die stetig abnehmenden Umfänge angepasst. In der Phase der Konservierung erfolgt zum Erhalt des Therapieerfolgs der Einsatz von Kompressionsstrümpfen.
Literatur bei den Verfassern.
Mögliche Interessenkonflikte: Honorare für Vortrags- und Beratertätigkeit von der Eurocom und den Firmen Bauerfeind, Juzo und Boehringer Ingelheim.
Tab. 2: Kompressionsverbande
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Dermatologische Lokaltherapeutika (z. B. mit Urea 5 Prozent)
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Schlauchverband
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Polsterung (Watteverbande oder Schaumstoffbinden, ggf. Lymphpads)
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Textile elastische Kompressionsbandagen, in der Regel mit Kurzzugeigenschaften