Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Unregelmäßiger Puls

Ein Vorhofflimmern im EKG ist schnell erkannt. Die Therapie jedoch ist komplexer als oft angenommen.

Die 67-jährige Frau L. berichtet, seit circa vier Wochen zunehmend müde zu sein und bereits bei leichter Belastung Schwindel und Dyspnoe zu verspüren. Gelegentlich bemerke sie auch ein “Herzstolpern”. Ihre Leistungsfähigkeit im Alltag sei dadurch deutlich eingeschränkt. Da sie in ihrer Familie voll eingespannt sei, mache sie sich große Sorgen. Sie fühlen einen arrhythmischen Puls und schreiben daraufhin ein EKG (siehe Abb. 1). Dieses zeigt ein tachykardes Vorhofflimmern (Herzfrequenz 100-110/min), einen Linkslagetyp und eine normale QRS-Dauer und QTc-Zeit. Erregungsrückbildungsstörungen liegen keine vor.

Simple Diagnose – simple Therapie?

Es handelt sich also um Vorhofflimmern, eine häufige Erkrankung. Ist die Therapie ebenso alltäglich und einfach?

Folgende Informationen sind Ihnen bei Ihrer Patientin bereits bekannt: Die Erstdiagnose des Vorhofflimmerns fand vor zwei Jahren statt. Aufgrund der ausgeprägten Symptomatik und einer tachykarden Überleitung wurde Frau L. damals stationär aufgenommen und das Vorhofflimmern elektrisch kardiovertiert. Als Grunderkrankung kommt am ehesten eine hypertensive Herzkrankheit mit erhaltener systolischer linksventrikulärer Funktion in Frage. Die arterielle Hypertonie hatten Sie in der Hausarztpraxis bereits vor mehreren Jahren diagnostiziert und eine entsprechende Therapie eingeleitet.

Es ist unklar, ob die Blutdruckwerte in der letzten Zeit im Normbereich lagen, da die Patientin schon länger nicht mehr zur Kontrolle da war. Die aktuelle Medikation umfasst eine antihypertensive Triple-Therapie inklusive eines niedrig dosierten Betablockers sowie eine orale Antikoagulation (OAK) mit einem direkten oralen Antikoagulans. Eine koronare Herzerkrankung war nach Erstdiagnose des Vorhofflimmerns vor zwei Jahren invasiv ausgeschlossen worden. In der letzten transthorakalen Echokardiografie beim niedergelassenen Kardiologen zeigte sich eine Befundkonstanz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von 55 Prozent, einer mäßigen linksventrikulären Hypertrophie und Hinweisen auf eine diastolische Funktionsstörung.

Die körperliche Untersuchung ergibt neben einem unregelmäßigen Puls leichte prätibiale Ödeme. Der Blutdruck liegt bei 145/90 mmHg. Zusammengefasst handelt es sich bei den Beschwerden von Frau L. um ein Rezidiv von symptomatischem Vorhofflimmern mit klinischen Zeichen einer leichten kardialen Dekompensation.

Erinnern wir uns an das EKG: Die Ruhe-Herzfrequenz beträgt circa 100-110/min pro Minute, was als tachykard zu werten ist. An dieser Stelle stehen wir vor der klassischen Fragestellung zur Diagnose Vorhofflimmern: Reicht die Frequenzkontrolle oder sollte eine Rhythmuskontrolle angestrebt werden?

Wie also weiter vorgehen?

Ein erster diagnostischer Schritt zur besseren Einschätzung des Frequenzprofils ist das Langzeit-EKG. Dieses sollte im Idealfall über mehrere Tage angelegt werden, um ein umfassenderes Bild zu bekommen. Die korrekte Analyse der Herzfrequenzen im Alltag ist allerdings auch mit Langzeit-EKG-Kontrollen nur eingeschränkt möglich, da tachykarde Episoden in unregelmäßigen Abständen auftreten können.

Typischerweise kann normofrequent übergeleitetes Vorhofflimmern bei einer hypertensiven Herzkrankheit die kardiale Leistung stärker reduzieren als bei Patienten ohne strukturelle Problematik. Grund ist die myokardiale Hypertrophie mit diastolischer Dysfunktion. Beim Vorhofflimmern fällt die durch die Vorhofkontraktion ausgelöste Ventrikelfüllung weg, sodass die Vorlast des linken Ventrikels und damit auch das Herzzeitvolumen signifikant sinken. In der Folge entsteht eine retrograde Stauung in die Pulmonalgefäße, was bis zum Lungenödem und sekundärer Rechtsherzbelastung führen kann.

Aufgrund der ausgeprägten Symptomatik weisen Sie Frau L. stationär ein. Hier wird sie erneut elektrisch kardiovertiert. In der anschließenden telemetrischen Überwachung zeigt sich durchgehend ein normofrequenter Sinusrhythmus. Frau L. wird beschwerdegebessert nach Hause entlassen und gebeten, sich beim niedergelassenen Kardiologen vorzustellen. Auch im Sinusrhythmus besteht bei ihr weiterhin die Indikation zur OAK.

Rhythmisierung von Vorhofflimmern

Im Falle einer Häufung symptomatischer Vorhofflimmer-Rezidive sollte die dauerhafte Rhythmisierung erwogen werden. Prinzipiell stehen hier pharmakologisch Klasse-I-Antiarrhythmika zur Verfügung. Die Wirksamkeit liegt im Langzeitverlauf allerdings bei deutlich unter 50 Prozent. Das Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron ist zwar das potenteste Medikament auf dem Markt, gleichzeitig ist es mit schweren Nebenwirkungen wie Schilddrüsendysfunktionen oder Pneumonitis und Lungenfibrose assoziiert, sodass es nicht Mittel der Wahl für die Rhythmisierung von Vorhofflimmern darstellt.

Im Fall von Frau L. bietet sich die interventionelle Therapie mittels katheterbasierter Ablation an. Die Pulmonalvenenisolation (PVI) hat sich mittlerweile auch als Erstlinientherapie etabliert. Neben einer dauerhaften Freiheit oder zumindest drastischen Reduktion von Symptomen gibt es Hinweise, dass eine erfolgreiche Ablation auch das Risiko für Schlaganfälle reduzieren kann. Im Mittel muss mit zwei bis drei Prozent schweren, meist vaskulären Komplikationen gerechnet werden. In Zentren mit hohen Ablationszahlen ist die Komplikationsrate niedriger. Die ESC-Leitlinien von 2020 schätzen daher die individuelle Entscheidung der Patienten als sehr wichtig ein. Eine Klasse-IA-Indikation für die Katheterintervention besteht für paroxysmales Vorhofflimmern grundsätzlich nach Fehlschlagen eines medikamentösen Therapieversuchs oder primär bei bereits eingeschränkter linksventrikulärer Funktion.

Die etablierten Techniken wie Hochfrequenzablation und Kryoablation sind weit verbreitet. Sie unterscheiden sich bezüglich Wirksamkeit und Komplikationsraten nicht. Eine dauerhafte Freiheit von Vorhofflimmern wird hier in 60 bis 80 Prozent der Fälle erreicht. Nicht selten muss jedoch aufgrund von Erholungen der Leitungsfähigkeit im Bereich der Pulmonalvenen ein zweiter oder gar dritter Eingriff erfolgen. Neuere Techniken wie die Elektroporation sind vielversprechend, Langzeit-Ergebnisse und Ergebnisse großer randomisierter Studien stehen aber noch aus.

Die Eingrenzung der kardiovaskulären Risikofaktoren – im aktuellen Fall hauptsächlich die arterielle Hypertonie – sind essenzieller Bestandteil der Therapie und Sekundärprophylaxe von Vorhofflimmern. Aufgrund der antifibrotischen Wirkung sollte immer ein ACE-Hemmer oder AT1-Blocker Teil der antihypertensiven Therapie sein.

Insgesamt bietet der vermeintlich “einfache” Fall eines Vorhofflimmerns somit deutlich mehr “Pitfalls” und komplexe Fragestellungen, als es auf den ersten Blick scheint. •

Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

Quelle:

Hindricks G, Potpara T, Dagres N, et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Eur Heart J. 2021 Feb 1;42(5):373-498. doi: 10.1093/eurheartj/ehaa612. PMID: 32860505.

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