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Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Was tun bei plötzlichem Leistungsknick?

Ein halbes Jahr nach Implantation eines Zweikammer-Herzschrittmachers fühlt sich Herr L. auf einmal nicht mehr belastbar. Erkennen Sie den Grund im EKG?

Herr L.* hat einen Herzschrittmacher erhalten. Danach fühlte er sich fit, nun hat er einen Leistungsknick (Symbolbild).

Der 67-jährige Herr L.* ist seit über zehn Jahren Patient in Ihrer Hausarztpraxis und hat eine komplexe rhythmologische Vorgeschichte. Seine initiale Vorstellung erfolgte mit einem erstdiagnostizierten Vorhofflimmern; inzwischen hat er zwei Ablationen und mehrere Kardioversionen hinter sich.

Aufgrund eines Sick-Sinus-Syndroms mit symptomatischen Bradykardien erhielt er vor einem halben Jahr einen Zweikammer-Herzschrittmacher. Danach fühlte er sich zunächst gut belastbar. Nun kommt er wegen eines Leistungsknicks in die Praxis.

Dieser sei vor etwa drei Wochen von einem Tag auf den anderen aufgetreten. Er berichtet, dass er die eine Etage zu seiner Wohnung nicht mehr ohne Zwischenstopp schaffe. Außerdem schwitze er nachts stark. Angina Pectoris verneint er.

Im Rahmen der Schrittmacherimplantation wurde eine koronare Herzerkrankung mittels Koronarangiografie ausgeschlossen. Die Vitalzeichen ergeben eine gute Sauerstoffsättigung (98 Prozent) und einen normalen Puls (circa 60/min). Der Blutdruck ist mit 145/90 mmHg eher etwas zu hoch. Sie schreiben ein EKG (s. Abb. 1 unten).

EKG-Befund

Das EKG zeigt eine durchgehende ventrikuläre Schrittmacherstimulation. Der atriale Rhythmus sieht auf den ersten Blick wie ein Sinusrhythmus aus. Die AV-Zeiten sind mit circa 380 Millisekunden deutlich verlängert. Die Repolarisation ist aufgrund der ventrikulären Stimulation verändert. Auch hier fällt zunächst keine relevante Pathologie auf.

Tatsächlich liefert aber der Beginn der Repolarisation einen Hinweis darauf, dass dieses EKG möglicherweise mehr zu bieten hat als initial angenommen. Ein gutes Beispiel ist die Ableitung V4: Direkt nach Ende des QRS-Komplexes geht die ST-Strecke nicht glatt in die T-Welle über, sondern hat noch eine zusätzliche Erhebung.

Misst man die Abstände zwischen Beginn der P-Welle und Beginn dieser Erhebung, so erhält man vorher und nachher dieselbe Zeit. Wenn man genau hinsieht, finden sich diese Erhebungen auch in vielen anderen Ableitungen.

Dies spricht dafür, dass es sich um eine zusätzliche P-Welle handelt. Grundrhythmus ist in diesem EKG also eher eine langsame atriale Tachykardie mit atrialen Frequenzen um 120/min.

Was ist die Ursache?

Erste Differenzialdiagnose ist also eine atriale Tachykardie, bei der jede zweite Aktion durch den Schrittmacher in die Kammer übertragen wird. Ein schneller Sinusrhythmus als Grundrhythmus ist zwar nicht komplett auszuschließen, wäre aber mit einer Frequenz von circa 120/min für eine Ruhesituation sehr schnell.

Nach Ablation von Vorhofflimmern sind atriale Tachykardien keine Seltenheit. Hierfür gibt es verschiedene Ursachen. Erstens entstehen durch die Isolation der Pulmonalvenen Leitungsbahnen, die kreisende Erregungen im linken Atrium begünstigen, zum Beispiel um die Mitralklappe oder über das Vorhofdach.

Zweitens werden nach erfolgreicher Ablation vor allem bei erkrankten, stark fibrosierten Vorhöfen andere Foci von Vorhofrhythmusstörungen demaskiert. Atriale Tachykardien können also einerseits Makro-Reentry-Tachykardien sein oder aus autonomen Zentren stammen.

Grundsätzlich muss zusätzlich auch eine Problematik der Programmierung oder der Algorithmen des Schrittmachers vorliegen, da ja offensichtlich nur jede zweite Vorhofaktion mit einer ventrikulären Stimulation beantwortet wird. Zum besseren Verständnis ist es hilfreich, die Funktionen des Zweikammer-Herzschrittmachers zu kennen (s. Kasten unten).

Bei Herrn L. könnte wie in Punkt 6 beschrieben die atriale Frequenz die programmierte obere Grenzfrequenz überschreiten. Wenn dies so wäre und der Schrittmacher regelrecht funktionierte, müsste allerdings mit der oberen Grenzfrequenz stimuliert werden, die in der Regel bei mindestens 120/min liegt.

Die wahrscheinliche Alternative ist daher eine Algorithmus-bedingte Fehlfunktion: Der Schrittmacher nimmt jede zweite atriale Aktion nicht wahr, da sie sich in der sogenannten Refraktärzeit befindet.

Die Refraktärzeit existiert aus technischen Gründen und wird in der Regel etwas länger als die QRS-Dauer programmiert. Alle atrialen Erregungen, die in die Refraktärzeit fallen, werden vom Schrittmacher “ignoriert” und folglich nicht in die Ventrikel übergeleitet.

Spezielle Komplikationen der Schrittmachertherapie

In einem Belastungs-EKG wäre bei Herrn L. über viele Minuten kein Frequenzanstieg zu verzeichnen. Der Grund ist, dass atriale Tachykardien mit Makro-Reentry kaum ihre Grundfrequenz ändern, da Erregungsbahnen strukturell vorgegeben sind.

Wird der AV-Knoten durch Adrenalin sympathisch aktiviert, kann es aber auch zu plötzlichen Frequenzsprüngen kommen. Bei atrialen Tachykardien mit fixierten Vorhof-Frequenzen ändert sich dann das Verhältnis von atrialen zu ventrikulären Erregungen. In diesem Fall könnte die aktuelle 2:1-Überleitung in eine 1:1-Überleitung konvertieren, dann hätte Herr L. plötzlich einen Frequenzanstieg auf etwa 120/min.

Dasselbe ist auch durch den Schrittmacher bedingt möglich, wenn die atriale Aktion aus irgendeinem Grund nicht mehr in die Refraktärzeit fällt. Nimmt der Schrittmacher im Vorhof eine Frequenz von 120/min wahr, wird er im DDD-Modus diese Frequenz auch in die Kammern übertragen.

Eine durchgehende rechtsventrikuläre Stimulation birgt unabhängig von den Frequenzen die Gefahr, dass sich durch die asynchrone Kontraktion eine Linksherzinsuffizienz ausbildet, die schrittmacherinduzierte Kardiomyopathie genannt wird. Sie kommt immerhin bei zehn bis 15 Prozent der Patienten mit hohem ventrikulären Stimulationsanteil vor.

Die eingeschränkte LV-Funktion kann initial so subtil sein, dass die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) unverändert bleibt. Mit speziellen Techniken wie dem globalen longitudinalen Strain (GLS) können Funktionsminderungen des linken Ventrikels frühzeitig entdeckt werden.

Schrittmachernachsorge

In der Abfrage des Herzschrittmachers zeigt sich wie vermutet, dass aktuell jede zweite Aktion in die Refraktärzeit fällt und daher nicht mit einer ventrikulären Stimulation beantwortet wird. In der Analyse des Frequenzprofils, das sich über die letzten drei Monate erstreckt, zeigt sich seit Symptombeginn vor drei Wochen ein Anstieg der ventrikulären Stimulation von fast null auf 100 Prozent.

Die stimulierten Frequenzen wechseln tatsächlich in unregelmäßigen Abständen zwischen circa 60/min und 120/min hin und her. Dazwischen sind kaum andere Frequenzen registriert. Durch die Abfrage ist der Leistungsknick also gut erklärbar.

Was tun?

Leider stellt sich die Lösung im Fall von Herrn L. nicht so einfach dar wie erhofft. Die erste Maßnahme ist eine Umprogrammierung von einem DDD-Modus in einen DDIR-Modus. Wie im Kasten rechts beschrieben stimuliert das System im DDI-Modus nur noch mit der Grundfrequenz von 60/min. Das “R” steht für eine sogenannte “Rate Response”.

Dieser Algorithmus nimmt über einen im Schrittmacheraggregat eingebauten Sensor wahr, wenn sich Herr L. bewegt. Bei Bewegung wird automatisch schneller stimuliert, um so eine möglichst physiologische Herzfrequenz zu imitieren.

Auf Dauer bedeutet dies für Herrn L. jedoch weiterhin eine durchgehende ventrikuläre Stimulation. Aufgrund des relativ langsamen und regelmäßigen Erregungsablaufs der atrialen Tachykardie besteht die Gefahr, dass der Patient dies als unangenehm empfindet. Grund ist, dass die Vorhofkontraktion das Blut in unregelmäßigen Abständen gegen die geschlossene Mitral- und Trikuspidalklappe auswirft und somit ein Rückfluss in die großen Venen entsteht.

Ein Phänomen, das früher zu Zeiten der VVI-Schrittmacher bei höhergradigen AV-Blöcken beobachtet wurde und “Schrittmacher-Syndrom” genannt wird.

Die einzige Chance zur Beseitigung dieser Symptomatik ist die Rhythmisierung der atrialen Tachykardie. Leider sind diese Rhythmusstörungen oft sehr hartnäckig. Meistens lässt sich eine Rhythmisierung nur durch eine erneute Ablation und eventuell sogar begleitende antiarrhythmische Therapie mit Amiodaron erzielen.

Eine genaue Evaluation der Symptomatik nach Umprogrammierung ist also essenziell. Die Fragen sollten auf die Leistungsfähigkeit einerseits und auf ein Pulsieren im Hals abzielen. Stellt sich eines der Symptome als ein relevantes Problem im Alltag dar, ist eine Überweisung in ein rhythmologisches Zentrum sinnvoll.

*Die Fälle der Serie werden teilweise aus akademischen Gründen etwas abgewandelt.

Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

Quellen:

1. Glikson M et al. 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Eur Heart J. 2021 Sep 14;42(35):3427-3520.

2. Brugada J et al. 2019 ESC Guidelines for the management of patients with supraventricular tachycardia. The Task Force for the management of patients with supraventricular tachycardia of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2020 Feb 1;41(5):655-720.

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