Reisemedizin Den Arboviren geht es an den Kragen

Dengue-, Chikungunya- oder Zika-Virus: Bei der Prävention von Arbovirus-Infektionen zeigen sich in der Reisemedizin echte Lichtblicke. Auch für die Beratung von älteren Reisenden gibt es Neuerungen.

Für die Reisemedizin stehen 2023 neue Impfstoffe zur Verfügung.

Berlin. Als eine vom Westen weitgehend ignorierte Pandemie bezeichnete Professor Tomas Jelinek das Dengue-Fieber. „Uns betrifft Dengue-Fieber eigentlich nur, wenn wir in den Urlaub fliegen“, so der Reisemediziner beim diesjährigen Forum Reisen und Gesundheit.

Ganz anders sieht die Situation für Menschen in den Tropen und Subtropen aus: Seit Jahren nehmen Infektionen mit dem Dengue-Virus zu, allein in Brasilien wurden im vergangenen Jahr mehr als 2,2 Millionen Fälle gemeldet.

Für Reisende gab es bisher keinen Impfstoff gegen das Dengue-Virus. Das hat sich Ende 2022 geändert – für Jelinek „ein echter Lichtblick“. Im Dezember wurde die lebend-attenuierte Vakzine Qdenga® gegen alle vier Virus-Serotypen für Menschen ab vier Jahren zugelassen. In den zulassungsrelevanten Studien lag die Schutzwirkung des Impfstoffs vor einer Infektion bei 80,2 Prozent über zwölf Monate. Noch höher lag der Schutz vor Hospitalisierung, nämlich bei 95,4 Prozent.

„Wichtig ist, dass die Schutzwirkung sowohl für Seronegative als auch Seropositive nachgewiesen wurde“, berichtete Jelinek. Bei Dengvaxia®, dem bisher in der EU zugelassenen Impfstoff gegen Dengue-Fieber (der allerdings nur an Menschen verimpft werden kann, die in europäischen Endemiegebieten leben, und daher für die Reisemedizin keine Bedeutung hat) lag die Schutzwirkung laut Jelinek bei Seronegativen bei lediglich 20 Prozent, bei Seropositiven bei 60 Prozent. „Man muss es einfach sagen: Diese Antikörper sind nicht protektiv.“

Womöglich lebenslanger Schutz vor Dengue

Bei der neuen Vakzine Qdenga® zeige sich jedoch ein kleines Problem, wenn man auf die Schutzwirkung bei den jeweiligen Virus-Serotypen schaue, gab Jelinek zu. Zum einen habe in den Studien (noch) keine Schutzwirkung gegen den Serotyp DENV-4 nachgewiesen werden können – allerdings nur, weil es im Studienzeitraum zu wenig DENV-4-Infektionen gab. Der Trend sei da, er sei bisher aber nicht signifikant.

„Bei DENV-3 dagegen wurde bei Nicht-Immunen tatsächlich keine Schutzwirkung nachgewiesen. Woran das liegt, wissen wir nicht.“ Würde er trotzdem jemanden impfen, der in ein DENV-3-Ausbruchsgebiet reist? „Auf jeden Fall, es gibt ja auch die anderen Serotypen, und hier schützt die Vakzine.“ Grundsätzlich bespreche er mit allen Reisenden, die in Dengue-Endemiegebiete reisen, die Impfung.

Ein weiterer kleiner Minuspunkt: Daten für ältere Erwachsene und Immunsupprimierte liegen noch nicht vor. Auf der Positivseite hob Jelinek hervor, dass es bei einer Nachbeobachtung über fünf Jahre bisher kein Sicherheitssignal gegeben habe, das Nebenwirkungsprofil liege auf Placeboniveau. „Bei Dengvaxia® gab es ja zum Teil schwere Nebenwirkungen bei Nicht-Immunen, das gibt es bei Qdenga® schlichtweg nicht.“

Für den vollständigen Impfschutz muss Qdenga® laut Zulassung zweimal im Abstand von drei Monaten verimpft werden. „Wobei explorative Daten zeigen, dass der Impfabstand auch verlängert werden kann. Ob die zweite Dosis nach drei oder zwölf Monaten verimpft wird, macht offenbar keinen Unterschied“, erklärte der Reisemediziner.

Zu möglicherweise nötigen Booster-Impfungen liefen derzeit Studien. Jelinek: „Ein Schutz über fünf Jahre ist belegt, einen Schutz über zehn Jahre kann man – würde ich sagen – versprechen, und ich glaube, die Schutzwirkung hält sogar lebenslang.“

Lichtblick bei Chikungunya und Zika

Einen positiven Lichtblick für die Reisemedizin sieht Jelinek auch in zwei Impfstoffkandidaten gegen das Chikungunya-Fieber. Der Impfstoffhersteller Valneva hat eine lebend-attenuierte Vakzine („VLA-1553“) entwickelt, die nur einmal verimpft werden muss und in Studien eine Immunogenität von 98 Prozent (Serokonversionsrate) gezeigt hat, so der wissenschaftliche Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin.

Protektive Effektivitätsdaten liegen derzeit noch nicht vor – „Das ist bei Chikungunya aber auch schwer, weil Infektionen eher in Ausbrüchen stattfinden. Vermutlich sind die Daten zur Immunogenität für die Behörden bei diesem eher einfachen Virus aber ausreichend.“ Die Vakzine könnte daher schon Anfang 2024 zugelassen werden.

Auch der zweite Impfstoffkandidat („CHIKV-VLP/PXVX0317“) – ein Totimpfstoff, der virus-like particles (VLP) enthält – muss nur einmal verimpft werden. „Eine von beiden, vielleicht auch beide werden in der nächsten Zeit kommen. Und dann müssen wir natürlich über die Indikation reden.“

Daneben befindet sich auch ein Bündel von Impfstoffkandidaten gegen das Zika-Virus in der Pipeline, einer wohl bereits in Phase-III, berichtete Jelinek weiter. Mit der Zulassung rechnet er allerdings frühestens 2026/2027.

„Damit stehen uns dann wirklich so einige Impfstoffe gegen Arboviren zur Verfügung, die uns in der Reisemedizin ja so umtreiben.“

Neue STIKO-Empfehlung zu Gelbfieber

Bei der Gelbfieber-Impfung habe es eine anhaltende Diskussion darum gegeben, ob man die Vakzine an Menschen über 60 Jahren verimpfen kann oder nicht. „Mittlerweile ist die Datenlage relativ klar: Es gibt keine Assoziation zwischen der sehr wohl möglichen Komplikation eines Impfgelbfiebers und dem Alter.“

Neu im STIKO-Impfkalender für 2023 erfasst ist die Empfehlung, vor erneuter oder bei fortgesetzter Exposition den Impfschutz nach frühestens zehn Jahren aufzufrischen. Jelinek: „Grund für die Empfehlung waren Studiendaten, die abnehmende Antikörper-Spiegel gezeigt haben. Das ist aber gar nicht der Punkt, sondern die Frage, ob Geimpfte genug Gedächtniszellen haben und ob die Gedächtniszellen boosterfähig sind. Und da haben wir überhaupt keinen Grund für die Annahme, dass Immunkompetente, die einmal geimpft sind, nicht geschützt sind.“ Die Empfehlung habe daher nur unnötig Unsicherheiten geschürt, kritisierte der Reisemediziner.

Neuer Hepatitis-B-Impfstoff verfügbar

Der neue Squalen-adjuvantierte HepB-Impfstoff Heplisav-B® sei mittlerweile auf dem Markt verfügbar. Sein Vorteil: Er muss nur zweimal verimpft werden, wobei schon nach der ersten Impfung eine gute Immunantwort erreicht wird – ein großer Vorteil in der Reisemedizin.

Zudem erreicht die Vakzine eine deutlich bessere Immunogenität im Vergleich mit EngerixB®, fasste Jelinek zusammen. Ein dritter Punkt: Der Verlauf der Antikörper-Titer spreche für einen lebenslangen Schutz.

Tollwut: HDC-Vakzine wird ersetzt

„Bei den Tollwut-Vakzinen wird der HDC-Impfstoff wohl noch in diesem Jahr durch Verorab® ersetzt werden. Es handelt sich um dasselbe Antigen wie im HDC-Impfstoff, das bei Verorab® nur in Vero-Zellen produziert wird.“ Der Impfstoff sei schon länger in Europa zugelassen und werde etwa in Frankreich schon seit einiger Zeit verimpft. Bisher sei er in Deutschland aber nicht verfügbar gewesen.

Wie oft soll man Reisende optimalerweise gegen Tollwut impfen? Jelinek: „Dreimal ist mit Sicherheit am besten. Wer zweimal geimpft ist, der ist lediglich geprimt und hat nicht unbedingt protektive Antikörper. Vorteil ist: Man benötigt bei einer Infektion keine Immunglobuline. Aber man braucht eine aktive Immunisierung, und zwar unmittelbar. Ist man gar nicht geimpft, braucht man eine Aktiv-Impfung und Immunglobuline, das ist der größte Aufwand.“ Viele Länder hätten den Impfstoff zudem nicht vorrätig. „Das kann man Reisenden bei der Beratung erklären – entscheiden muss dann jeder selbst.“

Das Problem lösen könnte eine einmalig zu verabreichende Vakzine, an der in einer Phase-I-Studie geforscht wird („ChAdOx2 RabG“). Es handelt sich um einen Adenovirus-basierten Impfstoff, der bisher gute Ergebnisse gezeigt habe.

Neues für die Beratung Älterer

Eine wichtige Änderung für die Beratung älterer und chronisch kranker Reisender gibt es durch die Zulassung der 15- und 20-valenten Konjugatimpfstoffe gegen Pneumokokken (Vaxneuvance® und Apexxnar®). „Die Studiendaten sind sehr gut und die ACIP (Advisory Committee on Immunization Practices), also die US-amerikanische STIKO, hat innerhalb von nicht einmal vier Wochen die Impfempfehlungen zu Pneumokokken angepasst“, berichtete Jelinek.

„Das heißt: In der Indikationsgruppe, also über 60 oder chronisch krank, wird entweder Apexxnar® oder alternativ Vaxneuvance® empfohlen und dann sequenziell die 23-valente Pneumovax® hinterher.“ In den STIKO-Empfehlungen für das Jahr 2023 gebe es zu den Pneumokokken-Impfungen dagegen keine Änderung. „Dabei zeigen Studien, dass der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff in der Indikationsgruppe keinen messbaren Effekt hat.“ In der reisemedizinischen Beratung könnten jedoch die Vorteile der Konjugat-Impfung herausgestellt werden.

Für die Zielgruppe der älteren Reisenden ist zudem die Vakzine gegen Herpes zoster relevant, ebenso die Influenza-Impfung. Letztere könnte durch die mRNA-Technologie einen deutlichen Schub erhalten, weil Impfstoffe viel schneller produziert werden können und damit näher am tatsächlichen Geschehen sind, warf Jelinek einen Blick in die Zukunft.

Im Herbst 2023 kommt in dieser Altersgruppe sehr wahrscheinlich noch eine weitere Vakzine hinzu: Die ersten Impfstoffe gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) stehen kurz vor der Zulassung.

Quelle: 24. Forum Reisen und Gesundheit

 

 

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