Neue ImpfstoffeReisemedizin: Neues für die Impfberatung

Seit vergangenem Jahr steht für Reisende die Impfung gegen das Dengue-Fieber zur Verfügung, nicht ganz einfach ist aber die Indikation. In diesem Jahr könnten zudem mit zwei Impfstoffen gegen Chikungunya weitere Vakzinen gegen die gefürchteten Arboviren hinzukommen. Neuigkeiten gibt es auch bei Meningokokken- und Pneumokokken-Impfstoffen.

Die Überträgermücken von tropischen Infektionskrankheiten breiten sich aufgrund des Klimawandels weltweit aus.

Beim Thema Impfen auch mal einen Blick auf die Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO) zu werfen, empfahl Prof. Tomas Jelinek beim diesjährigen Forum Reisen und Gesundheit (zu finden sind die Empfehlungen unter www.hausarzt.link/ZALJ5 ). Die SIKO sei den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) in der Regel voraus, so Jelinek.

“Zum Beispiel empfiehlt die SIKO die Impfung gegen Meningokokken B (MenB) ab 2 Monate bis zum 25. Lebensjahr.” Hier habe sich mittlerweile zwar auch die STIKO bewegt und empfehle seit diesem Jahr die MenB-Impfung als Standardimpfung für Säuglinge ab zwei Monaten. Nachholimpfungen sollten spätestens bis zum fünften Geburtstag verabreicht werden.

“Aber die STIKO verkennt damit einen zweiten Erkrankungsgipfel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen”, kritisierte der Reisemediziner. Laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt der zweite Morbiditätsgipfel bei Personen zwischen 15 und 19 Jahren [1]. Dieser werde mit den Empfehlungen der SIKO hingegen vollständig abgedeckt, so Jelinek.

Für die gleiche Altersgruppe (2 Monate bis vollendetes 25. Lebensjahr) empfiehlt die SIKO zudem eine Impfung gegen Meningokokken ACWY. Jelinek: “Hier hat die STIKO keine Änderungen vorgenommen und rät weiterhin nur zur monovalenten Impfung gegen Meningokokken C. Das ist rational angesichts der Serotypenverbreitung nicht zu erklären.” So sei RKI-Daten zufolge in Deutschland der Anteil der Serotyp Y-Infektionen von 2010 bis 2023 von 4 Prozent auf 37 Prozent gestiegen.

Dengue-Impfstoff: Wen impfen?

“Bei der Liste der impfpräventablen Erkrankungen bei Reisenden nach Häufigkeit [2] ist Influenza schon lange einer der Spitzenreiter”, berichtete Jelinek und ging damit zu den Reiseimpfungen über. “An Platz 1 steht derzeit Covid-19. Das wird sich mit der nächsten Überarbeitung aber ändern, denn es gibt mittlerweile keine Pandemiesituation mehr.”

An Platz 2 folge dann Influenza, an Platz 3 Dengue-Fieber. “Dengue ist in der Liste neu hinzugekommen, weil wir mit Qdenga® jetzt einen verfügbaren Impfstoff für Reisende haben.” Gerade seien Ergebnisse zur Effektivität des Impfstoffs über 4,5 Jahre publiziert worden [3].

Die Wirksamkeit über die Gesamtpopulation (Personen mit und ohne vorherige Dengue-Infektion) lag 4,5 Jahre nach der 2. Impfung bei 61 Prozent, allerdings “mit klaren Lücken für Sero-Negative (ohne vorherige Infektion) bei den Serotypen 3 und 4”, berichtete Jelinek.

“Die Schutzwirkung vor Hospitalisierung war durchaus befriedigend mit 84 Prozent über die Gesamtpopulation, aber auch hier gibt es Lücken bei den Serotypen 3 und 4” (siehe Abb.1 und 2 unten). Man könne Reisende etwas schützen, aber nicht komplett, fasste der Reisemediziner zusammen, der über die Jahre die Leitung mehrerer klinischer Studien vieler verschiedener Impfstoffhersteller übernommen hat.

Mittlerweile gibt es zu der neuen Vakzine auch eine STIKO-Empfehlung – die Impfkommission empfiehlt Qdenga® allerdings nur für Reisende ab vier Jahren, die bereits eine Dengue-Infektion durchgemacht haben.

Grund ist das Phänomen des “Antibody-Dependent Enhancement” (ADE), das beim zweiten in der EU zugelassen Impfstoff gegen das Dengue-Fieber, Dengvaxia®, beobachtet wurde: Bei Menschen, die zuvor keine Infektion durchgemacht hatten, erhöhte die Impfung das Risiko für einen schweren Verlauf, statt zu schützen. Ein ADE wird übrigens auch als Ursache hinter dem Phänomen vermutet, dass eine natürliche Zweitinfektion mit einem anderen Dengue-Virus-Serotyp als bei der Erstinfektion häufig schwerer verläuft.

“Bei Qdenga® haben wir dieses Problem aber offenbar nicht”, so Jelinek. Während bei Dengvaxia® ein ADE im Studienverlauf schon nach zwei Jahren zu sehen gewesen sei (weshalb die Vakzine auch nur für Menschen zugelassen ist, die in EU-Endemiegebieten leben und eine Dengue-Infektion durchgemacht haben), gebe es ein solches Signal bei Qdenga® bisher nicht (weshalb der Impfstoff auch für Menschen zugelassen ist, die noch keine Infektion durchgemacht haben). “Qdenga® wird jetzt seit sechs Jahren nachbeobachtet, und es gibt bis dato keinen Hinweis auf ADE”, so Jelinek.

Die STIKO blieb dennoch vorsichtig und empfiehlt die Vakzine nur für Menschen mit durchgemachter Infektion. Aber: “Bei Qdenga® handelt es sich bei den aktuell vorliegenden Daten nur um ein theoretisches Risiko, ggf. können weitere Daten im Verlauf mehr Klarheit bringen”, schreibt die STIKO. Theoretisch ist ein ADE möglich, weil Qdenga® bei Immun-Naiven nicht vor einer Infektion mit den Serotypen 3 und 4 schützt, eine Infektion mit diesen Viren nach Impfung also schwerer verlaufen könnte.

Grundsätzlich impfen lassen könnten sich laut STIKO aber auch Menschen ohne vorherige Infektion: “Wenn nach eingehender ärztlicher Beratung bei Dengue-naiven Personen eine Impfung entsprechend der Zulassung erwogen wird, sollte die Person darüber aufgeklärt werden, dass das Risiko einer Infektionsverstärkung bei nachfolgender Infektion nicht ausgeschlossen werden kann” [4].

Auch die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) sieht eher ein theoretisches Risiko und resümiert: “Ein durch Qdenga® induziertes ADE, das im Zentrum der Argumentation der STIKO steht, lässt sich aktuell weder beweisen noch ausschließen” [5].

Erwogen werden kann laut DTG eine Dengue-Impfung bei Immun-Naiven, die in Dengue-Endemiegebieten aufgewachsen sind oder dort lange gelebt haben und erneut in Endemiegebiete reisen oder bei Immun-Naiven, die ihren Lebensmittelpunkt über längere Zeit in einem Dengue-Endemiegebiet haben. Die DTG betont aber auch: “Auch eine Dengue-Erstinfektion kann mit Komplikationen und erheblicher Morbidität einhergehen kann.”

Jelinek zieht aus seinen bisherigen Erfahrungen ein positives Fazit: “Wir haben am Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin etwa 26.000 Personen mit Qdenga® geimpft und gute Erfahrungen gemacht.” Er bespreche die Impfung mit allen Reisenden in Dengue-Endemiegebiete und empfehle eine breite Anwendung.

Tipp für die Praxis: “Ich impfe nicht Last-Minute, weil bei Qdenga® die Nebenwirkungen der Lebendimpfung wie Fieber, Muskel- und Gliederschmerzen auch erst in Woche 2 nach Impfung auftreten können. Das ist auf Reisen unangenehm”, so Jelinek. Auch Exantheme könnten auftreten, das Risiko sei erfahrungsgemäß aber bei der ersten Dosis höher als bei der zweiten: “Die zweite Dosis ist relativ unproblematisch.”

Neuer Meningokokken-Impfstoff in Sicht

Bei den Meningokokken-Impfstoffen ist eine neue Vakzine in Sicht: In den USA ist der pentavalente MenABCWY-Impfstoff Penbraya® zugelassen worden. Laut Einschätzung der US-Arzneimittelbehörde FDA ist Penbraya® weder Nimenrix® (MenACWY-Impfstoff) noch Trumenba® (MenB-Impfstoff) unterlegen und bietet einen breiteren Impfschutz durch Abdeckung von fünf Serotypen.

“Dieser Impfstoff wird sehr wahrscheinlich auch bei uns zugelassen werden, ich fürchte, es wird aber noch drei bis vier Jahre dauern”, blickte Jelinek in die Zukunft. “Damit hätten wir eine breite effektive Meningokokken-Vakzine.”

Auch einen Tipp für die Praxis zur Tollwut-Impfung hatte der Reisemediziner parat: “Vor kurzem ist eine gute Übersicht zur weltweiten Verfügbarkeit der Post-Expositions-Prophylaxe (PEP) in Kombination mit dem Tollwut-Risiko erschienen” [6], (s. Abb. 3 unten).

“In den dunkelrot markierten Ländern ist das Risiko, sich mit dem Tollwut-Erreger zu infizieren moderat bis hoch, und eine Post-Expositions-Prophylaxe (PEP) ist schlecht verfügbar. Reisende in diese Gebiete sollten informiert werden, wie sie sich schützen können”, so Jelinek.

Er sei nicht dafür, jeden Reisenden gegen Tollwut zu impfen, das Risiko hänge schließlich insbesondere auch von der Verhaltensweise des Reisenden ab. “Aber ich erlebe eine große Bereitschaft sich impfen zu lassen, wenn die Reisenden über die Knappheit der PEP informiert werden.”

In Deutschland verfügbar sind zwei Tollwut-Impfstoffe: Rabipur® und Verorab®. “Bei Rabipur® gibt es einen Strauß an Impfschemata”, erinnerte Jelinek. “Das Standardschema sieht eine Impfung an Tag 0, 7 und 21 vor. Für Erwachsene gibt es auch das Schnellschema 0-3-7 sowie ein “Priming”-Impfschema 0-7.” Letzteres erschließe sich ihm nicht unbedingt für Reisende, “weil man in der gleichen Zeit auch drei Impfungen geben kann und damit eine deutlich bessere Schutzwirkung hat.”

In Verorab®, das seit kurzem auf dem Markt verfügbar ist, sei das gleiche Antigen wie in Rabipur® enthalten, weshalb auch die Impfschemata austauschbar seien. Zugelassen sei Verorab® aber nur mit dem Impfschema 0-7-28, streng genommen sei alles andere off-label.

“Wir impfen mit dem Impfschema 0-3-7 oder darüber hinaus, zum Beispiel 0-7-14, und boostern nach einem Jahr. Weitere Booster braucht man dann eigentlich nicht, laut Zulassung sollte man allerdings alle zwei bis fünf Jahre boostern”, berichtete Jelinek aus der Praxis.

Serotypen-Replacement bei Pneumokokken

Da die Impfquoten bei der Pneumokokken-Impfung weiter schlecht sind, überprüft der Reisemediziner in der Indikationsgruppe (über 60 oder chronisch krank) immer auch den Pneumokokken-Schutz. “Jetzt haben wir eine STIKO-Empfehlung, die sich klar für den 20-valenten Konjugatimpfstoff ausspricht. Das sollte bei jedem über 60 Jahre angeraten werden”, so Jelinek.

Seit einigen Jahren sei in Deutschland ein Serotypen-Replacement zu beobachten: “Serotypen, gegen die wir impfen, nehmen ab, Serotypen, gegen die die aktuellen Impfstoffe nicht gerichtet sind, nehmen zu.” Daher werde an einer Vakzine gearbeitet, die in wenigen Jahren zugelassen werden soll: Die 21-valente Konjugatvakzine “V116” soll das Serotypen-Replacement auffangen. Eine Phase-III-Studie zu dem Impfstoffkandidaten sei kürzlich beendet worden.

Quellen:

1. RKI-Ratgeber zu MeningokokkenRKI-Ratgeber zu Meningokokken

2. J Travel Med 2023; doi 10.1093/jtm/taad085

3. Lancet Glob Health 2024; doi 10.1016/S2214-109X(23)00522-3

4. RKI-FAQ zu Dengue

5. Stellungnahme DTG zu Qdenga®, 16.2.24

6. J Travel Med 2022; doi 10.1093/jtm/taac046

7. Lancet 2023; doi 10.1016/S0140-6736(23)00641-4

8. OFID 2023; doi 10.1093/ofid/ofad500.2471

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