Klimawandel Teil 1Gefahr durch Mücken und Zecken

Der Klimawandel bessert die Bedingungen für Infektionserreger und ihre Überträger. Was bedeutet das für Hausärzte?

Im Sommer 2007 erkrankten in Norditalien etwa 200 Menschen an Chikungunya. Ein Tourist hatte das Virus von einer Indienreise mitgebracht; die in der betroffenen Region reichlich vorhandenen Tigermücken ermöglichten es dem Erreger, sich auszubreiten.

In den darauffolgenden Jahren kam es in Südeuropa zu weiteren vor Ort erworbenen Chikungunya-Fällen und Ausbrüchen. Experten gehen davon aus, dass sich das Virus auch in Deutschland ausbreiten könnte, sollte die Tigermücke flächendeckend heimisch werden.

Chikungunya ist nur einer der Krankheitserreger, die künftig an Bedeutung gewinnen könnten. Der Klimawandel ermöglicht es importierten Krankheitsüberträgern und Erregern, sich bei uns anzusiedeln.

Zu rechnen ist aber nicht nur mit “neuen” Infektionskrankheiten. Auch einheimische Krankheitsüberträger treten vermehrt auf – unter anderem wegen besserer Überwinterungsbedingungen und längerer jährlicher Aktivitätsperioden.

Beispiel 1: Die Schildzecke

In Mitteleuropa gelten Schildzecken als die bedeutendsten Überträger von Infektionserregern auf den Menschen. Am meisten gefürchtet sind FSME-Viren und Borrelien, die Zecken können aber auch andere Erreger wie Rickettsien, Anaplasmen, Ehrlichien und Babesien übertragen.

Forschungsergebnissen zufolge kann der Klimawandel die Bedingungen für Schildzecken begünstigen. Die in Deutschland häufigste Zeckenart, der Gemeine Holzbock, hat sich bereits weiter nach Nordeuropa und in bis zu 1.200 Meter Meereshöhe ausgebreitet.

Dasselbe gilt für wärmeliebende Schildzecken aus anderen Ländern, etwa Hyalomma-Zecken: Diese könnten sich in Deutschland ansiedeln, zudem können sie neue Erreger aus ihren Herkunftsländern mitbringen.

Beispiel 2: Die Rötelmaus

Auch Nagetiere übertragen Krankheitserreger. Ein Beispiel ist die Rötelmaus, der in Deutschland wichtigste Überträger von Hantaviren. Wie viele Rötelmäuse es gibt, schwankt von Jahr zu Jahr – in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot, aber auch von wetterabhängigen Faktoren.

Dementsprechend schwankt auch die Zahl der Hantavirus-Infektionen stark, insgesamt mit zunehmendem Trend. Bislang gemeldete Zahlen lassen auf einen Anstieg in diesem Jahr schließen (s. “Der Hausarzt” 06/21).

Beispiel 3: Die Tigermücke

Ein wichtiger importierter Krankheitsüberträger ist Aedes albopictus, die schon genannte Tigermücke. Ihre natürlichen Verbreitungsgebiete liegen in Ostasien. Der internationale Warenverkehr – vor allem der Handel mit Gebrauchtreifen und Glücksbambus – ermöglichte es ihr, sich auf fast allen Kontinenten anzusiedeln.

Im Mittelmeerraum existieren beträchtliche Populationen, die sich stetig weiter nach Norden ausbreiten. 2007 wurden in Deutschland erstmals Eier von Aedes albopictus entdeckt, seit 2011 werden zunehmend sowohl adulte Stechmücken als auch Eier und Larven nachgewiesen.

Die Tigermücke ist vorwiegend tagaktiv, für ihre Eiablage nutzt sie oft künstliche Kleingewässer. Neben Chikungunya-Viren kann sie zahlreiche andere Krankheitserreger übertragen, darunter ZIKA-, Dengue- und West-Nil-Viren.

Was können Sie tun?

  1. Bedenken Sie, dass sich neue Infektionskrankheiten in Ihrer Praxis künftig häufiger zeigen könnten. So wurden im Spätsommer 2019 erste in Deutschland durch Mücken übertragene Fälle von West-Nil-Fieber bekannt – das RKI geht davon aus, dass sich das Virus in den kommenden Jahren weiter in Deutschland etablieren wird. Im Herbst 2020 warnte die Deutsche Ophtalmologische Gesellschaft vor neuen Augeninfektionen durch Viren, die von Tigermücken übertragen werden (s. “Der Hausarzt” 17/20).
  2. Information hilft, Infektionen zu vermeiden: Klären Sie Patienten darüber auf, wie sie sich vor Mückenstichen schützen können – etwa mittels langer Kleidung und Repellents. Erklären Sie Ihren Patienten auch, wie sie Zeckenstichen vorbeugen können und wie sie sich nach einem Zeckenstich verhalten sollen (Patienteninfo s. Link-Tipp). Weisen Sie sie gegebenenfalls auf die Möglichkeit hin, sich gegen FSME impfen zu lassen.
  3. In Deutschland werden immer öfter neue Zeckenarten gesichtet. Wenden Sie sich an das örtliche Gesundheitsamt, wenn Sie auffällige Exemplare von Zecken an Ihren Patienten finden. Dieses kann bei Fragen unterstützen und die Funde an forschende Institute weiterleiten. Übrigens kann jeder die Forschung unterstützen, indem er gefangene Mücken einfriert und an das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung sendet. Dieses erstellt in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Loeffler-Institut einen Mückenatlas, der die Verbreitung der Stechmücken in Deutschland kartografiert (https://mueckenatlas.com).

Drei Fragen an Elke Hertig

Elke Hertig ist Professorin für Regionalen Klimawandel und Gesundheit an der Universität Augsburg.

Welche vektorübertragenen Erkrankungen sollten Hausärzte besonders auf dem Schirm haben?

Zum einen werden die zeckenübertragenen Krankheiten, die bei uns heimisch sind, weiter an Bedeutung gewinnen. So rechnen wir damit, dass wegen des Klimawandels eine weitere Ausbreitung der Verbreitungsgebiete von Borreliose stattfindet. Dies geht auch mit anderen Faktoren einher, zum Beispiel verändertes Freizeitverhalten und mehr Aufenthalt im Grünen.

Dazu kommen die durch Mücken übertragene Erkrankungen. Hier spielt vor allem Aedes albopictus eine Rolle, die Dengue, West-Nil und Chikungunya-Fieber überträgt. Da sehen wir, dass es in Mitteleuropa immer weiter zu Ausbreitungen kommt.

Wir hatten in den vergangenen Jahren ja schon autochtone West-Nile-Fälle in Ostdeutschland. Hier gilt es, in nächster Zeit aufmerksam zu sein. Relevant ist auch die Sandmücke, die die Leishmaniose überträgt. Da beobachten wir vermehrt Ausbreitungen vor allem im südeuropäischen Raum. Mittelfristig könnte sich auch die Malaria wieder ausbreiten.

Ist eine “Rückkehr der Malaria” in Deutschland denkbar?

Wenn unser Gesundheitssystem so gut aufgestellt bleibt wie bisher, werden wir sicher genug Kontroll- und Interventionsmaßnahmen zur Verfügung haben. Wäre dem nicht so, ist ein solches Szenario nicht auszuschließen. Zu den klimatischen Veränderungen kommen Migrationsbewegungen, der internationale Reiseverkehr, der weltweite Handel – all diese Faktoren begünstigen die Ausbreitung.

Auch Landnutzungsänderungen spielen eine Rolle. Zum Beispiel werden im Bayern aus ökologischen Gründen Moore renaturiert – dadurch entstehen Vernässungsgebiete, die für Mücken als Brutplätze optimal sind.

Erhält das Thema Klimawandel in der Medizin noch zu wenig Aufmerksamkeit?

Die Beachtung dafür steigt. Der Klimawandel wäre eigentlich Thema auf dem Ärztetag gewesen, die Pandemie hat uns hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber auf der Bundesgesundheitsministerkonferenz letzten Jahres wurde der Klimawandel explizit als wichtiges Handlungsfeld benannt. Ich sehe auf jeden Fall einen positiven Trend.

Quellen:

1. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Den Klimawandel gesundheitlich meistern! Empfehlungen zur Vorsorge. www.hausarzt.link/68S9K, Stand: 07/2020

2. Die Auswirkungen des Klimawandels. Bundesgesundheitsblatt 2009. DOI: 10.1007/s00103-009-0874-9

3. Pressemitteilung des Deutschen Zentrum für Infektionsforschung vom 31.07.2018

4. RKI. West-Nil-Fieber im Überblick. www.hausarzt.link/5t9fo, Stand: 09/2020

5. Was ist Chikungunya? Internisten im Netz. www.hausarzt.link/uQfRN, zuletzt abgerufen: 03/2021

6. Umweltbundesamt. Die asiatische Tigermücke. Fachinformation. www.hausarzt.link/Qwi3d, Stand: 04/2015

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