Polyzystisches Ovar-Syndrom
Bei guter Stoffwechseleinstellung ist die Fertilität beim Typ 2-Diabetes nicht eingeschränkt, sofern kein polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS) oder eine andere Ursache vorliegen. Die Prävalenz des PCOS liegt bei ca. 15 Prozent. Damit ist es die häufigste endokrine Störung bei Frauen im reproduktiven Alter.
Per definitionem müssen zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, bevor man die Diagnose PCOS stellen darf: Oligo- bzw. Anovulation, klinische und/oder biochemische Zeichen des Hyperandrogenismus und polyzystische Ovarien (> 12 mit einem Durchmesser von 2-9 mm und einem Volumen von > 10 ml), wobei andere Ursachen ausgeschlossen sind. Das PCOS ist oft assoziiert mit Adipositas, Insulinresistenz und anderen metabolischen Störungen und somit auch mit einem Typ 2-Diabetes, einem Gestationsdiabetes oder einer kardiovaskulären Erkrankung. Bei jüngeren Frauen stehen die Störungen der Reproduktion, bei älteren die metabolischen Erkrankungen im Vordergrund.
Der Insulinresistenz kommt neben den hormonellen Veränderungen eine pathogenetische Schlüsselrolle zu; denn die chronisch erhöhten Insulinspiegel bewirken eine Stimulation der Stroma- und Thekazellen im Ovar mit der Folge einer Hyperandrogenämie.
Besteht bei einem PCOS Kinderwunsch, so empfehlen sich verschiedene Maßnahmen, um die Infertilität zu durchbrechen. Basis ist die Lifestyle-Modifikation, insbesondere die Gewichtsabnahme. Schon eine moderate Gewichtsreduktion um fünf Prozent führt zu einer deutlichen Verbesserung mit einer Senkung der Androgene und des Insulins, einer Normalisierung des Zyklusverhaltens und einer Vermehrung ovulatorischer Zyklen. Auch steigt die Ansprechrate auf eine Ovarialinduktion. Medikamentös empfiehlt sich als first line zur Ovulationsinduktion Clomiphen. (Susanne Reger-Tan, Essen)
Zukunftsperspektiven
Nach der Einführung der DPP4-Inhibitoren, der SGLT2-Hemmer und der GLP-1-Agonisten stellt sich die Frage: Wie geht es weiter in der Diabetologie? Welche neuen Therapiestrategien sind in Entwicklung?
Twinkretine sind Substanzen, bei denen in einem Molekül Agonisten zweier Inkretinrezeptoren eingebaut sind. Bei der Synthese solcher Peptide sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, es sind sogar bis zu drei Inkretine möglich, das heißt es können bis zu drei Rezeptoren aktiviert werde. Davon erwartet man sich eine gesteigerte Wirksamkeit bzgl. Blutzuckersenkung aber auch einen zusätzlichen Benefit im Hinblick auf Begleiterkrankungen.
Eine dieser neuen Substanzen, für die bereits klinische Daten vorliegen ist der GLP-1/Glucagon-Agonist. Unklar war, wie Glucagon, welches zentral den Appetit hemmt und die Herzfrequenz anhebt, den Blutzucker beeinflusst, zumal dieses Hormon bei der Hypoglykämie eingesetzt wird, um den Blutzucker anzuheben. Die Substanz hat das Poten- zial, bei adipösen Typ- 2-Diabetikern eine klinisch bedeutsame Verbesserung von Blutzucker und Körpergewicht zu bewirken.
Auch gib es erste klinische Erfahrungen mit einem GIP/GLP-1-Agonisten. Dabei wurde diese Substanz mit Dulaglutid und Placebo verglichen. Auch hier zeigte sich eine stärkere Gewichtsabnahme unter dem Twinkretin (-11,3 kg vs. -2,7 kg). Bezüglich gastrointestinaler Nebenwirkungen gab es keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Verum-Gruppen. Doch es bleibt die Frage: Werden diese neuen Substanzen einen wichtigen Schritt in Richtung individualisierter Therapie darstellen?
(Matthias H. Tschöp, München)
Heterogenität
Typ 2-Diabetes ist nicht gleich Typ 2-Dia-betes. Die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichen Studie (ANDIS-Studie: All new Diabetics in Skane) sprechen dafür, dass es sich beim Typ 2-Diabetes um eine heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Phänotypen handelt. In diese Studie wurden Patienten mit einem neu entdeckten Diabetes aufgenommen. Sie wurden über 10 Jahre nachverfolgt. Anhand von sechs Variablen wurden Cluster gebildet, wobei GAD-Antikörper, das Alter bei Diagnosestellung, BMI, HbA1c, Parameter der Insulinsekretion und der Insulinempfindlichkeit in die Auswertung eingeflossen sind.
Danach können fünf – drei leichte und zwei schwere – Diabetesformen unterschieden werden:
- Severe Autoimmune Diabetes (SAID, 7 Prozent)
- Severe Insulin-deficient Diabetes (SIDD, 18 Prozent)
- Severe Insulin-resistent Diabetes (SIRD, 15 Prozent)
- Moderate Obesity Diabetes (MOD, 22 Prozent)
- Moderate Age-related Diabetes (MARD, 40 Prozent).
Typisch für SAID, der Typ 1-Diabetiker und solche mit einem LADA umfasst, sind junges Alter, ein hohes HbA1c, wenig Insulin, Schlankheit und ein schwerer Verlauf. Für SIDD, der ebenfalls eine schwere Erkrankung darstellt, gelten dieselben Kriterien, wobei sich häufig eine Retinopathie entwickelt. Patienten mit einem SIRD sind älter, haben ein niedriges HbA1c, sind übergewichtig und entwickeln häufig eine Nephropathie, eine KHK und eine nicht-alkoholische Fettleber (NASH). MOD ist dagegen ein eher milder Diabetes mit einem niedrigen HbA1c und einem geringen Komplikationsrisiko. Auch MARD stellt eine eher milde Erkrankung bei relativ schlanken Patienten mit einem niedrigen HbA1c und einem geringen Komplikationsrisiko dar, wobei in der Regel ältere Patienten betroffen sind. Insgesamt zeigten Patienten mit einem SIRD den ungünstigsten Verlauf vor allem im Hinblick auf die Zeit, bis eine Insulintherapie erforderlich wurde bzw. eine diabetische Nephropathie oder ein kardiovaskuläres Ereignis auftrat. Diese Klassifizierung ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer präzisierten individuellen risikoadaptierten Therapie.
(Andreas Fritsche, Tübingen)