Spezifische Untersuchungen ließen mit den Eckpfeilern der hausärztlichen Untersuchung – ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Labor und Sonographie – eine Klärung vieler Erkrankungen auf hausärztlicher Ebene zu, stellte Prof. Dr. Stefan Bösner vom Allgemeinärztlichen Institut der Universität Marburg bei der practica in Bad Orb fest.
Durch die Dichotomie cholestatisches versus hepatozelluläres Muster lasse sich das Spektrum der zugrunde liegenden Erkrankungen gut eingrenzen.
In Umfragen kritisieren Gastroenterologen mitunter, dass Hausärztinnen und Hausärzte Patientinnen und Patienten mit (unklar) erhöhten Leberwerten häufig zu früh oder zu spät überweisen. Andererseits zeigen populationsbasierte Studien eine hohe Prävalenz von Transaminaseerhöhungen in der (gesunden) Normalbevölkerung.
Demnach weisen zehn Prozent der Bevölkerung erhöhte GOT- oder GPT-Werte auf (National Health and Nutrition Survey, USA, Ioannou et al., Am j Gastroenterology 2006). Schon allein durch die Definition des Normalwertes zeigen 2,5 Prozent der gesunden Population erhöhte Leberwerte.
Und: Die Höhe der Werte korreliert schlecht mit der Schwere der Erkrankung. So zeigen sich zum Beispiel bei der meist unkompliziert verlaufenden Hepatitis A hohe Werte, während die Werte bei prognostisch ernsten Erkrankungen wie chronischer Hepatitis C, Leberzirrhose oder Hämochromatose im Normbereich liegen oder nur geringfügig erhöht sind.
Wichtig zu wissen: Die Höhe der Transaminasen ist für bestimmte Erkrankungen charakteristisch und kann zur Diagnosefindung beitragen.
Basis-Screening detektiert Lebererkrankungen
Diagnostisch ist die Bestimmung von ALT/GPT der Basis-Screening-Test für eine Lebererkrankung. Eine Lebererkrankung als Ursache einer persistierenden Transaminasenerhöhung ist dann anzunehmen:
- Wenn sowohl AST/GOT als auch ALT/GPT erhöht sind.
- Bei leichteren Leberschäden wird überwiegend die ausschließlich im Zytoplasma lokalisierte ALT/GPT freigesetzt.
- Schwere Läsionen führen zu einer überproportionalen Freisetzung der auch in den Mitochondrien lokalisierten AST/GOT.
- Das Verhältnis AST/ALT (“De-Ritis-Quotient”) ist dementsprechend oft <1 bei leichtem und >1 bei schwerem Leberzellschaden.
Besteht der Verdacht auf eine hepatobiliäre Erkrankung, empfiehlt sich die weitere Diagnostik nach zwei Mustern. Ist die Erhöhung von AST und ALT führend, sollte die Diagnostik auf ein hepatozelluläres Muster einer möglichen Erkrankung fortgeführt werden. Sind AP, GGP und Bilirubin führend, steht die Diagnostik auf ein cholestatisches Muster im Vordergrund.
Berücksichtigt werden sollten neben der Anamnese und dem körperlichen Untersuchungsbefund auch das Alter und Geschlecht des Patienten, die generelle Häufigkeit bestimmter Lebererkrankungen sowie des typischen Krankheitsverlaufs. Die Eingrenzung der Differenzialdiagnose ergibt dann die gezielte Erweiterung der Diagnostik mit Labor, Bildgebung und/oder Biopsie bis zum endgültigen Befund.
Alternativ lässt sich das diagnostische Workup nach den drei Mustern toxisch, hepatitisch und cholestatisch durchführen.
Sind ALT und ALS länger als drei Monate erhöht, sollten mehrere Parameter bei der Diagnostik berücksichtigt werden. Bei der körperlichen Untersuchung sind dies:
- Leberhautzeichen
- Aszites
- Ödeme
- Bei der Abdomensonographie sollte gedacht werden an:
- Steatosis
- Zirrhose
- Venöse Kongestion
- Leberperfusion
- Tumore
- Metastasen
- Milzgröße.
Zu den häufigsten Ursachen zählen:
- Virushepatitis B – Klinisches Bild ähnlich zur selteneren Hepatitis A, Verlauf langsamer, Spezifische Diagnose durch die Bestimmung der Werte für Serum-HBsAg und HBc-IgM-Antikörper
- Virushepatitis C – die häufigste Form der Hepatitis in vielen Ländern, weltweit sind circa 71 Millionen Menschen an chronischer Hepatitis C erkrankt
- Alkohol
- Nicht-alkoholische Fettleber, die häufigste Lebererkrankung der westlichen Welt
- Hämochromatose
- Extrahepatische Ursachen
- Zu den seltenen Ursachen zählen unter anderem:
- Hepatitis A – akutes Auftreten, in den allermeisten Fällen selbstlimitierender Verlauf, Leitsymptome Appetitlosigkeit und Übelkeit, Fieber, Ikterus
- Hepatitis D – Superinfektion zusammen mit Hepatitis B, verursacht von einem Satellitenvirus, das nur Personen mit Hepatitis B befällt
- HIV
- Herpesviren
- Morbus Wilson
- Autoimmunhepatitis
- Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
- Cholestatische Ursachen (Primär biliäre Cholangitis, primär sklerosierende Cholangitis wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa)
- Arbeitstoxine
- Porphyrien
- Glykogenosen und andere Speichererkrankungen.
Das Leiden der westlichen Welt: nicht-alkoholische Fettleber
Die häufigste Lebererkrankung der westlichen Welt ist die nicht-alkoholische Fettleber. Betroffen sind etwa 30 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 45 und 69 Jahren. Circa fünf Prozent dieser Patientinnen und Patienten haben eine nicht-alkoholische Steatohepatitis.
Die Erkrankung und das metabolische Syndrom stehen in engem Zusammenhang, die Fettleber kann aber auch ohne das metabolische Syndrom auftreten. Assoziiert ist damit ein erhöhtes Risiko für schwere Lebererkrankungen, das Auftreten eines Typ-2-Diabetes sowie die koronare Herzkrankheit. Bildgebende Verfahren sind über die Sonographie hinaus in der Regel nicht erforderlich.
Die nicht-alkoholische Fettleber ist ein häufiger Zufallsbefund im Ultraschall oder anderer Bildgebung. Der Alkoholkonsum sowohl bei Männern als auch bei Frauen liegt im niedrigen Bereich (<30 g/d bei Männern, < 20 g/d bei Frauen). Andere diagnostizierte oder offensichtliche Lebererkrankungen wie die Virushepatitis oder Autoimmunerkrankung der Leber liegen nicht vor.
Eine Steatohepatitis kann vorliegen bei:
- unspezifischen Beschwerden, allerdings nur in 50 Prozent der Fälle (Druckempfindlichkeit bei vergrößerter Leber, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Völlegefühl, Gewichtsabnahme; in schweren Fällen Ikterus)
- Erhöhung von Transaminasen und Cholestaseparametern
- Goldstandard: Leberbiopsie.
Fazit
Der klare Fahrplan erleichtert die Diagnose von Lebererkrankungen in der Hausarztpraxis.