© Sebastian Drolshagen / fotolia.comIn Zukunft vielleicht ohne folgende Immunsuppression: Spenderniere auf dem Weg zum Empfänger.
Berlin. In nicht all zu ferner Zukunft könnten Patienten nach einer Transplantation womöglich auf medikamentöse Immunsuppressiva verzichten. Nicht weniger als eine Revolution verheißen die ersten Ergebnisse, die Heidelberger Forscher am Freitag (28. September) auf der 10. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) in Berlin präsentiert haben.
Wenn sich ihre Erfolge aus der Phase-I-Studie in weiteren Studien bestätigen, könnte eine einmalige Gabe speziell aufbereiteten Spenderbluts künftig reichen, um die gefürchtete Transplantatabstoßung zu verhindern. Calcineurinhemmer und Konsorten sowie deren unangenehme Nebenwirkung würden dann der Vergangenheit angehören.
Laut Prof. Martin Zeier könnte das Verfahren sogar bei Autoimmunerkrankungen vielversprechend sein – er sprach gar von „Heilung“. Der ärztliche Leiter des Nierenzentrums am Uniklinikum Heidelberg ist Mitglied der Forschergruppe.
Keine Organabstoßung in Phase-I-Studie
Ihr Verfahren basiert auf den sogenannten Mitomycin-C-induzierten Zellen (MIC). Aus dem peripheren Blut des Spenders gewinnen sie vor der Transplantation mononukleäre Zellen, PBMC genannt. Bis zu 109 Zellen werden den Spendern laut Zeier mittels Leukozyten-Apherese entnommen.
Die werden anschließend mit dem Zytostatikum Mitomycin C behandelt. Durch diese Tortur regulieren auf diesen Zellen immunstimulatorische Oberflächenmoleküle wie CD80 oder HLA-DR herunter, während immunsuppressive Gene aktiviert werden.
Sieben Tage vor der Transplantation erhält der Organempfänger die Zellen per Infusion. Dort inaktivieren sie alloreaktive T-Zellen des Empfängers. Die apoptotischen MIC werden außerdem von unreifen dendritischen Zellen aufgenommen, was sie dran hindert, die Immunabwehr zu gegen die fremden Zellen zu aktivieren (Pediatr Nephrol 2018; 33(2): 199–213. doi: 10.1007/s00467-017-3599-2). Der Empfängerorganismus soll sich somit an das Spendergewebe „gewöhnen“.
Für ihre Phase-I-Studie hatten die Heidelberger Nephrologen und Immunologen auf diese Weise insgesamt zehn Empfänger vor einer Lebendnierenspende konditioniert. Laut Zeier habe man bei den Patienten „bislang keine einzige Abstoßungsreaktion gesehen“ – selbst bei jenen, die nach der Transplantation keine medikamentöse Immunsuppression mehr erhielten. Die Details der Studie sollen in den kommenden Monaten publiziert werden.
Womöglich besseres Langzeitüberleben
Der Vorteil diese Konzepts liegt auf der Hand: Ließe sich auf die Gabe von Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Tacrolimus, Basiliximab und andere verzichten, würde das Nebenwirkungspotenzial drastisch sinken. Zu denen gehören bekanntlich Malignome und Infektionen, aber auch Artherosklerose oder Diabetes mellitus mit den üblichen Langzeitfolgen.
Und ließe sich das Immunsystem des Transplantatempfängers durch die Methode der Heidelberger langfristig konditionieren, könnte dies auch das Langzeitüberleben des Organs verbessern. Denn rund jede dritte transplantierte Niere gibt bereits nach rund zehn Jahren im Empfänger seine Funktion auf, wie jüngst publizierte Daten erneut gezeigt haben (Am J Transplant 2018; 18: 1914–1923. doi: 10.1111/ajt.14694). Ähnlich sieht es auch bei anderen transplantierten Organen aus, etwa bei Lebern, deren Zehn-Jahres-Überleben europaweit„nur“ bei rund 50 Prozent liegt (J Hepatol 2012; 57(2): 288–296. doi: 10.1016/j.jhep.2012.03.017).
Die Heidelberger jedenfalls glauben an ihr Konzept: Bereits 2011 haben sie dafür in den USA ein Patent angemeldet (US 2011/0223145 A1). Für die Entwicklung des Verfahrens haben sie außerdem das Start-up TolerogenixX gegründet, das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) über das Exist-Programm gefördert wurde.
Interessenkonflikt: Der Autor dieses Berichts hat für die Berichterstattung vom Nephrologie-Kongress einen Reisekostenzuschuss der DGfN erhalten.