Von Strumen und anderen Schilddrüsenerkrankungen bemerken viele Patienten lange Zeit nichts, denn diese entwickeln sich meist schleichend. Regelmäßige Untersuchungen, zum Beispiel im Rahmen des Check-up 35, sind daher wichtig. Anamnese, Palpation und die Bestimmung des TSH-Werts ergeben gute Hinweise darauf, ob ein Patient ein Kandidat für Schilddrüsenveränderungen ist.
Warnsignal Nummer 1 ist ein Druckgefühl am Hals (Tabelle 1). Doch klagen die Patienten häufig über unspezifische Symptome, die schwierig zu interpretieren sind, zum Beispiel Schlappheit, Depressionen, Müdigkeit. Den möglichen Folgen von Schilddrüsenstörungen kommen Sie mit drei einfachen Fragen auf die Spur (Tabelle 2). Aufpassen sollten Sie auch bei Gewichtszunahmen. Diese werden häufig fälschlicherweise als Folge von Bewegungsmangel interpretiert. Doch schon geringe Funktionsstörungen der Schilddrüse können mit Gewichtssteigerungen einhergehen.
Palpation: Hohe Treffsicherheit
Die Palpation ist eine einfache, aber sehr treffsichere Möglichkeit zur Diagnose von Strumen und Knoten. Durch einfaches Abtasten mit den Fingerkuppen beider Hände ist eine Schilddrüsenvergrößerung leicht festzustellen. Dabei ist beim Patienten auf eine leichte, aber nicht zu starke Halsstreckung zu achten. Bei positivem Tastbefund kann ergänzend eine Ultraschalluntersuchung erfolgen.
Die Ergebnisse einer Tastuntersuchung stimmen in der Regel gut mit denen der Sonographie überein. Durch die Palpation sind die meisten Strumen zu erfassen. Ist keine Struma zu palpieren, zeigt bei den meisten Patienten auch die Sonographie keinen Befund. Etwas niedriger ist die Trefferquote bei Knoten. Die Palpierbarkeit von Knoten hängt von deren Größe ab. Knoten, die sich nicht ertasten lassen, sind meist kleiner als 10 mm. Knoten mit einem Durchmesser von 10 bis 20 mm können in 50 Prozent der Fälle getastet werden. Ab einem Durchmesser von 20 mm wurden in einer Studie 77 Prozent der Knoten durch die Palpation erfasst. Wenn Sie einen Knoten ertasten, bestätigt sich das Ergebnis in der Sonographie in zwei Drittel der Fälle.
Kein Ultraschall-Screening bei Älteren
Bei älteren Patienten sollte jedoch kein Ultra- schallscreening auf Schilddrüsenveränderungen erfolgen. Denn dieses würde zu einer starken Steigerung der Operationsraten mit einer erheblichen Morbidität führen, ohne die Mortalität an Schilddrüsenkrebs zu reduzieren. Schilddrüsenknoten kommen bei über 60-Jährigen zwar häufig vor, doch nur sehr selten handelt es sich um ein Karzinom, die Neuerkrankungsrate an Schilddrüsenkrebs nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab.
TSH-Wert nicht immer aussagekräftig
Weitere Hinweise auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung liefert die Blutuntersuchung. Der gemessene TSH-Wert sollte allerdings nicht überbewertet werden, sondern immer im klinischen Kontext betrachtet werden. Denn der TSH-Wert unterliegt Schwankungen, abhängig von der Tageszeit der Blutabnahme. In einer Studie unterschieden sich die Messungen zu verschiedenen Tageszeiten um fast 30 Prozent, und am nächsten Tag waren die Werte erneut anders, obwohl die Blutabnahme zur selben Tageszeit erfolgte.
Außerdem gibt es immer wieder Patienten, die trotz normalem TSH-Wert über eine beeinträchtigte Leistungsfähigkeit oder eine verminderte Lebensqualität klagen. Welche Ursachen dahinterstecken, wird derzeit erforscht. Eine Rolle könnten zum Beispiel Transporterproteine spielen, die die Schilddrüsenhormone aktiv in die Zelle transportieren. Sind diese Proteine verändert, können sie die Hormone nicht in ausreichender Menge ins Zielgewebe transportieren, was bedeuten würde, dass der im Blut gemessene Schilddrüsenhormonspiegel nicht mit den im Zielgewebe vorhandenen Konzentrationen korreliert.
Unnötige Operationen verhindern
Der nächste diagnostische Schritt besteht darin, die Ursache von Strumen bzw. der Schilddrüsenfunktionsstörung festzustellen. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion liegt in den meisten Fällen eine Autoimmunthyreoiditis vor, es sei denn eine Schilddrüsenoperation oder eine Radiojodtherapie wurden durchgeführt. Bei einer Struma gilt es, ein Karzinom bzw. eine Autonomie auszuschließen.
Für fast alle Schilddrüsenerkrankungen gibt es heute zuverlässige und wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Bei einer Struma kann die Behandlung mit L-Thyroxin in Kombination mit Jod die Schilddrüse verkleinern und mögliche Komplikationen verhindern. Indiziert ist die Behandlung bei Symptomen, Wachstum und Patientenwunsch. Letztendlich könnten damit viele unnötige Schilddrüsenoperationen vermieden werden. Das ist insofern bedeutsam, da in Deutschland und Österreich mehr als doppelt so viele Schilddrüsenoperationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt werden wie in allen anderen europäischen Ländern. Ein abwartendes Vorgehen kann bei Strumen unter 50 bis 60 ml ausreichend sein, wobei eine sonographische Kontrolle zunächst jährlich, danach alle 3 bis 5 Jahre erfolgen sollte.
Fazit
-
Eine Schilddrüsenerkrankung liegt in Deutschland bei jedem Dritten vor.
-
Durch die Palpation lassen sich die Mehrzahl der Strumen ertasten.
-
Die Labordiagnostik umfasst die Messung des TSH und ggf. der freien Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4), bei Hinweisen auf eine Autoimmunthyreopathie auch die Bestimmung der entsprechenden Antikörper.
-
Die medikamentöse Therapie von Strumen kann unnötige Schilddrüsenoperationen verhindern.
Quelle: Schilddrüse 2017, Heidelberg