Ulcus cruris
Die Bezeichnung Ulcus cruris beschreibt lediglich die Lokalisation einer Wunde, die am Unterschenkel entsteht. Für eine adäquate Behandlung ist das Erfassen der genauen Ursache durch entsprechende diagnostische Maßnahmen erforderlich. Ein Ulcus cruris wird durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst.
Das Ulcus cruris venosum (UCV) ist die häufigste Form des Ulcus cruris. Es handelt sich um einen Substanzdefekt im pathologisch veränderten Gewebe des Unterschenkels infolge einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Eine weitere Ulcus-cruris-Art ist das Ulcus cruris arteriosum (UCA), das als Spätfolge auf Basis einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) entsteht. Weitere Ursachen für ein Ulcus cruris sind: Mischform aus arterieller und venöser Störung (Ulcus cruris mixtum), lymphatische Störungen, Dermatosen (z. B. Pyoderma gangraenosum), Vaskulitiden, exogene Auslöser (z. B. traumatisch, Artefakte), Infektionen (z. B. Ekthyma, Zoster), Neoplasien (z. B. Basaliom), genetische Defekte oder Nebenwirkungen von Arzneimitteln (z. B. Hydroxyurea).
Checkliste Ulcus cruris venosum
Eine Checkliste, die viele Faktoren der Anamnese, Wundbeurteilung und weiterführende Untersuchungen/Maßnahmen enthält, erleichtert die Diagnostik und ist die Basis einer strukturierten Behandlung. Nachfolgende Inhalte sind der Checkliste “Ulcus cruris bei chronisch venöser Insuffizienz (CVI)” des Wundzentrums Hamburg e. V. entnommen (siehe Info unter Tab. 1).
Die Anamnese von Patienten mit einem Ulcus cruris venosum sollte u. a. folgende Angaben enthalten: Familiäre Vorbelastung (Varikosis, Thrombose, Gerinnungsstörung), Eigenanamnese (venöse Vorerkrankungen, Ulzera mit Häufigkeit und Dauer), weitere Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, PAVK, Polyneuropathie, rheumatoide Erkrankungen, Lymphödem, Herzerkrankungen), vorangegangene Operationen, Body-Mass-Index, Schwangerschaften, Medikamente (z. B. Hormone, Kortikosteroide, Antikoagulanzien), Lebensgewohnheiten (Sport, körperliche Betätigung, Beruf, Nikotin-/Alkoholkonsum), Schmerzanamnese, bisherige Wundtherapie sowie Kompressionsversorgung und wenn ja, welcher Art, Unverträglichkeiten/Allergien auf äußere Stoffe wie Wundauflagen, Kompressionsmaterialien und Hautpflegeprodukte.
Je nach Art der Abflussstörung, des Schweregrads der Klappenstörung, der Lokalisation und Dauer treten unterschiedliche Symptome auf. Diese werden durch verschiedene Klassifikationen erfasst. Die Widmer-Einteilung bezieht sich auf die sicht- und tastbaren Hautveränderungen. Die CEAP-Klassifikation berücksichtigt neben den sicht- und tastbaren Veränderungen zusätzlich anatomische, ätiologische und pathophysiologische Aspekte. Eine klinische Untersuchung zur Erfassung des Venenzustands ist die Grundlage für diese Einteilung.
Durch Inspektion und Palpation sind weitere Faktoren festzustellen, die wichtige Hinweise für die Diagnosestellung geben: sicht-/tastbare Varizen, Arterienpulse, Ödeme, Hauttemperatur, Dermatoliposklerose, Faszienlücken, Entzündungszeichen, trophische Störungen der Haut sowie Wundlokalisation (Tab. 1).
Eine regelmäßige Vermessung (z. B. 1 × / Woche) von Vorfuß-, Knöchel- und Wadenumfang gibt wichtige Hinweise auf den Entstauungszustand des Beines und somit die Effizienz der Kompressionsversorgung.
Weiterführende Untersuchungen unterstützen die Diagnostik: ggf. erweiterte Labordiagnostik, Mikrobiologie (z. B. Abstrich, ggf. Probeexzision und histologische Abklärung), bei Verdacht Ausschluss weiterer Grunderkrankungen, Ganzkörperuntersuchung (inkl. neurologischer Untersuchung auf Sensibilitätsstörungen und Beweglichkeit im Sprunggelenk), arterielle Verschlussdrücke (zum Ausschluss einer PAVK), ggf. Lichtreflexionsrheographie, Doppler-/Duplexsonographie der Beinvenen; ggf. gefäßchirurgische/phlebologische Überweisung.
Checkliste Ulcus cruris arteriosum
Folgende Inhalte sind der Checkliste “Chronische Wunden bei pAVK” des Wundzentrums Hamburg e. V. entnommen (siehe Info unter Tab. 2).
Die Anamnese von Patienten mit einem Ulcus cruris arteriosum sollte u. a. folgende Angaben enthalten: Gefäßeingriffe, frühere Fußläsionen, Amputationen, Begleit- und Folgeerkrankungen (KHK, Polyneuropathie, Niereninsuffizienz, zerebrale arterielle Verschlusskrankheit, Lymphabflussstörung, chronisch venöse Insuffizienz, Erkrankungen des Bewegungsapparates) und atherogene Risikofaktoren (Nikotinabusus, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus, Lipidstoffwechselstörungen, Adipositas). Zudem sollte der Patient nach seiner körperlichen Aktivität, Mobilität, Gefäßtraining bzw. strukturiertem Gefäßsport befragt werden.
Die Ausprägungen der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) werden in der Stadieneinteilung nach Fontaine erfasst.
Durch Inspektion und Palpation der Beine und Füße sind weitere Faktoren festzustellen, die wichtige Hinweise für die Diagnose geben: Hautbeschaffenheit (trocken), Temperatur und Umgebung (warm oder kühl), Fußpulse, Hautfarbe, Kapillarpuls, Varizen, Ödeme, Fußfehlstellung (Druckstellen, Schwielen, Blasen), Pilzbefall und Wundlokalisation.
Weiterführende Untersuchungen unterstützen die Diagnostik. Die apparative Basisdiagnostik mittels peripherer Doppleruntersuchung mit Bestimmung des Dopplerdruckwerts (Knöchel-Arm-Druck-Index) über der Arteria dorsalis pedis und der Arteria tibialis posterior ist die Grundlage zur Erhebung des arteriellen Durchblutungsstatus und gibt Hinweise auf die Ausprägung einer ggf. vorhandenen arteriellen Mitbeteiligung.
Diabetisches Fußsyndrom
Der Begriff Diabetisches Fußsyndrom fasst alle pathologischen Veränderungen an den Füßen zusammen, die begünstigt oder verstärkt durch eine diabetische Grunderkrankung entstehen. Hierzu gehören z. B. das diabetische Fußulkus, aber auch Nagelbettschädigungen bis hin zur Infektion sowie Deformitäten der Zehen bzw. des gesamten Fußes. Verantwortlich für die Entstehung sind drei Hauptfaktoren: Polyneuropathie (sensorisch, motorisch und autonom), Angiopathie und Mischformen aus beiden.
Checkliste Diabetisches Fußsyndrom
Folgende Inhalte sind der Checkliste “Chronische Wunden in der Diabetologie” des Wundzentrums Hamburg e. V. entnommen.
Die Anamnese von Patienten mit einem diabetischen Fußulkus sollte u. a. folgende Angaben enthalten: z. B. Diabetes-Typ, -Dauer und -Therapie, frühere Fußläsionen, Begleit- und Folgeerkrankungen (diabetische Polyneuropathie, koronare Herzkrankheit, PAVK, diabetische Neuroosteoarthropathie, chronisch venöse Insuffizienz, Retinopathie, diabetische Nephropathie, Lymphabflussstörung) und atherogene Risikofaktoren (Nikotin-/Alkoholabusus, arterieller Hypertonus, Lipidstoffwechselstörungen, Adipositas). Zudem sollt der Patient nach seiner körperlichen Aktivität, Mobilität und Schuhversorgung sowie der Teilnahme an Schulungsprogrammen befragt werden.
Die Einteilung des Diabetischen Fußsyndroms erfolgt nach der Wagner-/Armstrong-Klassifikation. Während die Wagner-Klassifikation die Fußulzerationen anhand deren Tiefenschädigung in 6 Grade (0–5) unterteilt, erhebt die Armstrong-Klassifikation zusätzlich neben dem Ausmaß der Gewebeschädigung die Aspekte Infektion und Ischämie.
Durch Inspektion und Palpation der Beine und Füße sind weitere Faktoren festzustellen, die wichtige Hinweise für die Diagnosestellung geben: Wunde (Lokalisation, Größe, Tiefe, Farbe, Geruch, Stadium), Hautbeschaffenheit, Temperatur und Umgebung (warm/kühl, Haut trocken/schweißig, Begleitödem, Hyperkeratosen), subkallöse Hämatome, Warzen/Hühneraugen, Mykosen, Fußdeformitäten, Nagelveränderungen, Rhagaden und Fissuren, Druckstellen/Schwielen/Blasen und akrale Nekrosen (Tab. 2). Auch die Beobachtung von Gangbild und Abrollvorgang sowie Schuhen, Einlagenversorgung und Socken des Patienten liefert wichtige Hinweise auf den Versorgungsprozess.
Literatur bei der Verfasserin.
Interessenskonflikte: Honorare für Beratungen und/oder Vorträge von 3M Medica, BSN medical, Coloplast, Convatec, Mölnlycke Healthcare, KCI Medizinprodukte, Paul Hartmann, Lohmann