Unstatistik des MonatsDer KI-Irrglaube

Künstliche Intelligenz kann bald Ärzte ersetzen, weil sie Brustkrebs zuverlässiger erkennt. Warum das eine gefährliche Schlussfolgerung ist, erklärt die "Unstatistik des Monats".

Berichten Journalisten über Künstliche Intelligenz (KI), vergessen sie mitunter wichtige Fragen und erliegen dadurch einem Irrglauben. Das verdeutlichen Prof. Gerd Gigerenzer und Sabine Weiler in der “Unstatistik des Monats” [1]. So titelt “nach-welt.com” zum Beispiel: “Google AI erkennt Brustkrebs besser als die erfahrensten Radiologen” [2]. “Spiegel online” schreibt: “Wie künstliche Intelligenz künftig den Job von Ärzten übernimmt” [3].

Anlass dafür ist eine Studie [4], die künstliche neuronale Netzwerke und Radiologen in der Beurteilung von Röntgenbildern zum Mammographie-Screening bei mehr als 25.000 Britinnen und 3.000 US-Amerikanerinnen vergleicht. In Großbritannien bewerten zwei Radiologen die Aufnahmen, bei einem unklaren Ergebnis erstellen sie ein Konsensus-Urteil. Hier schneidet die KI etwas besser ab als der erste Radiologe, aber etwas schlechter als der zweite und das Konsensus-Urteil. In den USA beurteilt nur ein Radiologe die Bilder. Hier war die KI überlegen.

Zwar stimme es, dass KI immer mehr Krebse frühzeitig erkennen wird, schreiben Gigerenzer und Weiler. Doch die Frage nach dem Nutzen für die Patientinnen werde nicht gestellt. Gerade diesen Nutzen vermittelten die Medienberichte aber. Dabei mahnten andere wissenschaftliche Ergebnisse eher zur Vorsicht, so Gigerenzer [1]:

1. Je präziser KI werde, desto mehr kleine und klinisch irrelevante Krebsformen werden entdeckt. Diese seien aber nur “technisch” Krebs. Bei einer solch frühen Entdeckung könne man die harmlosen nicht von behandlungsbedürftigen Formen unterscheiden. Somit würden Frauen verunsichert und unnötigen Therapien sowie deren Nebenwirkungen ausgesetzt.

2. Vom Mammographie-Screening profitierten Frauen kaum (s. Abb.): So sterben nach zehn Jahren 5 von 1.000 Frauen ohne Screening an Brustkrebs. Mit Screening sind es 4. Die Gesamtzahl der Krebstoten bleibt aber gleich: 22 von 1.000 Frauen. [6] Screening rette also kein Leben – sondern es sterbe zwar 1 Frau weniger an Brustkrebs, dafür allerdings an einem anderen Krebs.

Quellen:

  1. Unstatistik des Monats 30.1.2020: www.rwi-essen.de/unstatistik/99/
  2. www.nach-welt.com/google-ai-erkennt-brustkrebs-besser-als-die-erfahrensten-radiologen/
  3. www.spiegel.de/netzwelt/apps/a-1303745.html
  4. McKinney SM et al. International evaluation of an AI system for breast cancer screening. Nature. DOI: 10.1038/s41586-019-1799-6
  5. www.harding-center.mpg.de/de/faktenboxen/krebsfrueherkennung/brustkrebs-frueherkennung
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