Der FallWas tun, wenn die Eisensubstitution Nebenwirkungen hat?

Eine orale Eisensubstitution klappt nicht immer problemlos – so auch bei Frau S. Was also tun? Eine Hausärztin und ein Facharzt geben praktische Empfehlungen. Außerdem: Was sagt die evidenzbasierte Medizin?

Eisenmangel gehört zu den weltweit häufigsten Mangelerscheinungen.

Das sagt die Hausärztin

Aufgrund der geschilderten Beschwerden und der weiteren Angaben der Patientin liegt der Verdacht nahe, dass hier ein Eisenmangel vorliegt. Dieser kommt in der Praxis häufig vor allem bei jüngeren Frauen zwischen 30 und 50 Jahren vor und kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden.

Zum einen kann starker Blutverlust, etwa aufgrund einer starken Regelblutung oder Gerinnungsstörung, eine Rolle spielen. Letzteres zeigt sich etwa durch häufige blaue Flecken auf der Haut. Der Verzicht auf Fleisch sowie Stress und Infektionen können das Entstehen eines Eisenmangels zudem begünstigen.

Ein ausführliches Anamnesegespräch ist daher wichtig, um diese Fragen zu klären und auch weitere Ursachen für die Müdigkeit wie etwa Schlafstörungen auszuschließen.

Eine Blutanalyse vervollständigt die Anamnese. Daher wird ein kleines Blutbild gemacht und die Werte von Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, MCV, MCHC, MCH, Hämoglobin und Hämatokrit bestimmt.

Zusätzlich werden folgende Werte überprüft: Ferritin, Transferrin, Schilddrüsenwerte (TSH), Elektrolyte (Natrium, Kalium), Kreatinin und GFR. Im vorliegenden Fall zeigt sich, dass sowohl Ferritin als auch Transferrin erniedrigt sind und der Hämoglobinwert unter 8 liegt.

Ich empfehle der Patientin, über drei bis vier Monate Eisenpräparate einzunehmen. Nach zwei Wochen stellt sie sich allerdings erneut in der Praxis vor, da sie diese Präparate nicht gut verträgt und davon Verstopfung sowie Bauchschmerzen bekommt. Eine erneute Kontrolle des Hb-Werts zeigt, dass dieser noch mehr gesunken ist.

In diesem Fall kommt eine Substitutionstherapie mit Spritze oder Infusion infrage. Mit den neueren Präparaten ist die Gefahr einer Anaphylaxie bei einer Infusion sehr gering, dennoch müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden und sich bereit erklären, 30 Minuten nach der Infusion noch in der Praxis zu bleiben, um bei möglichen allergischen Reaktionen sofort einschreiten zu können.

Im ersten Monat erhalten die Patienten eine Infusion pro Woche, danach eine Infusion im Monat für insgesamt vier Monate. Nach Abschluss der Infusionstherapie ist nochmals ein Blutbild zur Kontrolle durchzuführen.

Daneben empfehle ich der Patientin, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und wenigstens einmal in der Woche rotes Fleisch zu essen. Sollte sie dies aus ethischen Gründen ablehnen, ist die Einnahme von Eisenpräparaten eine Alternative. Diese werden vom Körper am besten aufgenommen, wenn man gleichzeitig Vitamin C (zum Beispiel ein Glas Orangensaft) zu sich nimmt.

Falls die Müdigkeit nach Abschluss der Infusionstherapie ein weiteres Mal auftreten sollte, soll sich die Patientin erneut in der Praxis vorstellen.

Dr. med. Kathrin Hamann Fachärztin für Allgemein- und Innere Medizin, Hausarztpraxis Dr. Hamann, München

Das sagt der Facharzt

Es ist richtig, dass Patienten, die wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen eine orale Eisensubstitution nicht vertragen, heutzutage relativ gefahrlos auch eine intravenöse Substitution erhalten können. Die orale Gabe ist natürlich die physiologische Art der Eisenzufuhr.

Ihre Verträglichkeit kann verbessert werden, wenn die Dosierung nicht täglich erfolgt, sondern beispielsweise nur jeden zweiten Tag (bzw. dreimal pro Woche). Die Wirksamkeit der Behandlung wird hierdurch kaum beeinträchtigt.

Nach der oralen Eisenzufuhr kommt es im Serum nämlich schnell zu einem Anstieg des Hepcidins, also des zentralen Regulators des Eisenstoffwechsels. Hepcidin hemmt dann für die nächsten 24 Stunden die weitere Eisenresorption im Duodenum, sodass am Folgetag ohnehin kaum Eisen aufgenommen wird.

Unterschätzt wird häufig die erforderliche Dauer einer oralen Eisensubstitution. Die Hausärztin hat bereits darauf hingewiesen, dass die Behandlung über mehrere Monate durchgehalten werden muss. Sie kann beendet werden, wenn das Ferritin mindestens im mittleren Normbereich angelangt ist. Bei persistierenden Eisenverlusten kann es jedoch ratsam sein, die orale Eisensubstitution in niedriger Dosierung länger fortzusetzen.

Wenn eine Eisenmangel-Problematik schon seit der Kindheit bekannt ist und eine orale Eisensubstitution trotz Verträglichkeit, korrekter Dosierung und ausreichend langer Dauer erfolglos bleibt, muss auch einmal an eine sehr seltene Ursache des Eisenmangels gedacht werden. Angeborene Mutationen in der Serinprotease TMPRSS6 (Transmembrane Protease Serin 6 oder Matriptase-2) führen zu einem erhöhten Hepcidinspiegel und so zu einer eisen-refraktären Eisenmangelanämie (IRIDA, iron-refractory iron deficiency anemia).

Vermehrtes Hepcidin hemmt sowohl bei der Entzündungsanämie als auch bei IRIDA die Eisenresorption aus dem Darm sowie die Abgabe von Recycling-Eisen aus den Makrophagen und bewirkt dadurch, dass Patienten refraktär gegenüber einer oralen Eisensubstitution sind. Eine intravenöse Eisensubstitution ist möglich, aber auch hierbei ist der Erfolg abgeschwächt.

Häufiger ist das Problem, dass ein Eisenmangel wegen einer gleichzeitig vorliegenden Entzündung schwierig zu erkennen ist. Bei Entzündungen kommt es im Serum nämlich zu einer Erhöhung des Ferritins (Akutphase-Protein), sodass das Ferritin trotz eines Eisenmangels “normal” erscheint.

Hier kann die Bestimmung des löslichen (soluble) Transferrinrezeptors weiterhelfen (sTfR). Die Erythroblasten im Knochenmark nehmen einen großen Teil des für die Hämsynthese erforderlichen Eisens über ihre Transferrinrezeptoren auf. Eine vermehrte Expression des TfR auf der Zelloberfläche – und konsekutiv auch eine erhöhte Menge des sTfR im Serum – zeigt einen verstärkten “Eisenhunger” der Erythroblasten an.

Nützlich ist auch die Parallelbestimmung von sTfR und Serumferritin, da ein erhöhter TfR-F-Index (Quotient sTfR/log SF) selbst bei Entzündungen das Vorliegen eines Eisenmangels anzeigen kann.

Prof. Dr. med. Norbert Gattermann Oberarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Das sagt die evidenzbasierte Medizin

Eisenmangel gehört zu den weltweit häufigsten Mangelerscheinungen. Das Spurenelement ist zentraler Bestandteil vieler Enzyme und an zahlreichen Stoffwechselvorgängen des menschlichen Körpers beteiligt.

In Europa beträgt die Prävalenz bei Frauen im gebärfähigen Alter etwa 20 Prozent. Eine Eisenmangelanämie liegt vor, wenn die Hämoglobinkonzentration unter dem altersspezifischen Normwert von 12 g/dl für Frauen und 13 g/dl für Männer liegt.

Laut der aktuellen Onkopedia-Leitlinie “Eisenmangel und Eisenmangelanämie” besteht die Behandlung aus zwei Maßnahmen, die in der Regel gleichzeitig durchgeführt werden. Zum einen müssen Ursachen beseitigt werden (etwa chronische Blutverluste, eine ungünstige Ernährung usw.). Zum anderen ist eine Eisensubstitution durch Medikamente angezeigt.

Dabei sollte, wenn möglich, die orale Aufnahme von Eisenpräparaten bevorzugt werden. Diese sollte am besten nüchtern, mindestens aber eine halbe bis eine Stunde vor oder nach dem Essen erfolgen. Die orale Eisengabe erhöht die Hepcidinkonzentration und behindert damit für die nächsten 24 Stunden die Eisenaufnahme aus dem Darm.

Die Tagesdosis sollten die Patienten daher nicht splitten, sondern einmal täglich zu sich nehmen. Zur besseren Aufnahme wird sogar eine Substitution jeden zweiten Tag diskutiert.

Da viele Patienten Eisenpräparate schlecht vertragen, kann man zum Beispiel versuchen, die Präparate vor dem Schlafengehen einzunehmen. Auch eine Einnahme zu den Mahlzeiten kann erfolgen, allerdings vermindert das die Resorption deutlich.

Halten die Beschwerden an, kann auch ein anderes Präparat verabreicht werden. Die Leitlinie weist zudem darauf hin, dass eine Substitution von Eisen mindestens drei Monate nach Verschwinden der Anämie fortgesetzt werden sollte.

Eine intravenöse Eisensubstitution ist laut der Leitlinie angezeigt, wenn “Patienten zwei verschiedene orale Eisenpräparate nicht vertragen haben, eine Eisenresorptionsstörung aufweisen oder wenn eine orale Medikation nicht ausreicht oder nicht toleriert wird.”

Laut der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) überwiegt der Nutzen der intravenösen Eisenpräparate deren mögliche Risiken, wenn man entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einhält wie etwa vorschriftsmäßige Anwendung, Überwachung des Patienten nach der Eisengabe sowie Vorhandensein von geschulten Fachkräften, die bei anaphylaktischen Reaktionen rasch eingreifen können.

Ein erhöhtes Risiko für eine Überempfindlichkeitsreaktion haben vor allem Patienten mit allergischen, immunologischen und inflammatorischen Erkrankungen, sowie solche mit Asthma bronchiale, Ekzemen und anderen atopischen Erkrankungen in der Vorgeschichte.

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