Der FallWas steckt hinter dem Eisenmangel?

Eisenmangel-Anämie bei jungen Frauen ist meist auf starke Regelblutungen zurückzuführen. Eine häufige Ursache ist aber auch Zöliakie.

Eine 25-jährige Patientin stellt sich in der Praxis vor, weil sie sich schon längere Zeit müde und abgeschlagen fühlt (Symbolbild).

Das sagt der Hausarzt

von Dr. med. Florian Tegtmeier, Hausärztlicher Internist und Diabetologe, Lahr

Auf Nachfrage gibt Frau N. als Vorerkrankung eine Hashimoto-Thyreopathie an. Es erfolgt eine Substitution mit L-Thyroxin; die TSH-Werte werden nach den Angaben der Patientin regelmäßig kontrolliert und sind unauffällig.

Ihre Regelblutung beschreibt sie als mittelschwer. Zudem leide sie manchmal an unspezifischen gastrointestinalen Beschwerden mit weichem Stuhlgang und Meteorismus. Sie lebt nicht vegetarisch, isst aber seit einigen Jahren nur wenig Fleisch.

Zur Abklärung der Symptome führe ich eine umfassende körperliche Untersuchung durch und messe Blutdruck, Herzfrequenz sowie die allgemeine Sauerstoffsättigung. Des Weiteren lasse ich den Urinstatus bestimmen und Blut für weitere Laboruntersuchungen abnehmen.

Aus den Untersuchungen ergibt sich das Befundbild einer hypochrom mikrozytären Anämie mit Eisenmangel (Ferritin und Transferrinsättigung sind erniedrigt). Ansonsten sind keine Auffälligkeiten festzustellen.

Zwar kommt es häufig vor, dass durch eine etwas stärkere Regelblutung und einen reduzierten Fleischkonsum ein Eisenmangel entsteht. Da Frau N. aber auch über unspezifische gastrointestinale Symptome berichtet hat und bereits eine Autoimmunerkrankung (Hashimoto-Thyreopathie) vorliegt, werden im Rahmen der Differenzialdiagnostik weitere Untersuchungen durchgeführt.

Eine Bestimmung der Antikörper gegen Gewebstransglutaminase (IgA) ergibt den Hinweis darauf, dass eine glutensensitive Enteropathie (Zöliakie) vorliegt. Eine ergänzende Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) bestätigt den Verdacht auch histologisch.

Als Therapie wird Frau N. eine glutenfreie Kost empfohlen, zudem wird eine initiale Eisensubstitution durchgeführt. Die Ergebnisse der im Verlauf stattfindenden Laborkontrollen zeigen, dass die Behandlung die anfänglich vorliegende Anämie ausgleichen konnte.

Dr. Florian Tegtmeier erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Das sagt die Spezialistin

von Ute Schrimpf, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Innere Medizin/Gastroenterologie, Beratungsärztin Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V., Leiterin MVZ Nagold

Wenn sich ein Patient gastroenterologisch mit den geschilderten Symptomen vorstellt und sich der Verdacht einer Eisenmangelanämie laborchemisch bestätigen lässt, sind zunächst Anamnese und Vorbefund-Erhebung sinnvoll, um die mögliche Ursache des Eisenmangels näher einzugrenzen.

Vorbekannte Laborbefunde können zeigen, ob der Eisenmangel akut oder schleichend entstanden ist. Bei Hinweisen auf einen gastrointestinalen Blutverlust sind eine Magen- und Darmspiegelung angezeigt, ergänzt bei hier unauffälligen Befunden durch Dünndarmuntersuchungen (Kapsel-Endoskopie, MR-Sellink, Enteroskopie).

Bei jungen Frauen ist die Zöliakie neben der Hypermenorrhoe die häufigste Ursache bei Eisenmangel-Anämie. Zusätzliche Hinweise auf eine Zöliakie können sein:

  • weitere Autoimmunerkrankungen (etwa Diabetes Typ 1, Hashimoto-Thyreoiditis)
  • gastrointestinale Beschwerden, aber auch eher untypische Symptome (etwa Fatigue) oder asymptomatische Verläufe sind möglich
  • positive Familienanamnese auf Zöliakie: Voraussetzung für eine Zöliakie sind positive genetische Marker (ohne positive Genetik ist eine Zöliakie zu 99,5% ausgeschlossen).
  • Für die Sicherung der Diagnose sind bei Erwachsenen zwei Befunde nötig (wichtig: Diese müssen zwingend unter einer normalen, nicht glutenreduzierten oder glutenfreien Diät erhoben werden, da sich die Parameter unter der Diät je nach Patient ggf. relativ schnell wieder normalisieren – gefordert werden circa zehn Gramm Gluten pro Tag über acht bis zwölf Wochen.):
  • positive Transglutaminase (tTG)-IgA-Antikörper und zeitgleich einmalig Gesamt-IgA im Serum (zum Ausschluss eines bisher unerkannten IgA-Mangels, in diesem Fall müssten IgG-Antikörper bestimmt werden)
  • spezifische Dünndarmveränderungen (Zottenatrophie und vermehrte intraepitheliale Lymphozyten klassifiziert nach Marsh) bei einer Magenspiegelung, hier werden sechs Proben aus dem oberen Dünndarm gefordert

Die Antikörper können bereits durch den Hausarzt bestimmt werden. Beschränken Sie sich jedoch ausschließlich auf die oben genannten, da alle anderen weniger spezifisch sind und im Zweifel verwirrende Ergebnisse liefern. Trotz positiver Antikörper sollten die Patienten bis zur Magenspiegelung weiter glutenhaltig essen, um unklare Diagnosen zu vermeiden.

Ist die Diagnose gestellt, müssen die Patienten eine lebenslange glutenfreie Diät einhalten. Hier ist eine spezialisierte Ernährungsberatung dringend zu empfehlen. Gleichzeitig sollte eine Beratung bezüglich Familien-Screening erfolgen.

Bei Diagnosestellung sollten zudem einmalig auch Blutbild, Ferritin, GPT, Calcium, alkalische Phosphatase (bei erhöhten Werten 25-OH-Vitamin D3), TSH, Folsäure sowie Vitamin B12 bestimmt werden, da es durch die Zottenatrophie zu einer Malabsorption kommen kann.

Der Mangel an Nährstoffen normalisiert sich mit der glutenfreien Diät. Dies kann jedoch je nach Ausmaß und Dauer der Schädigung bis zu zwei Jahre dauern, sodass bei einer symptomatischen, manifesten Eisenmangelanämie eine Substitution durchaus indiziert sein kann – dann ggf. als i.v.-Gabe, da die Aufnahme bei oraler Gabe durch den geschädigten Dünndarm vermindert ist.

Eine Kontrolle erfolgt durch die Bestimmung der tTG-IgA-Antikörper (auch durch den Hausarzt) im Abstand von sechs Monaten, initial erniedrigte Werte im Rahmen der Malabsorption sollten auch kontrolliert werden. Bei unklarem Diagnoseparameter und/oder Verlauf empfiehlt sich eine erneute Rücksprache mit dem Gastroenterologen, eine Magenspiegelung sollte bei persistierenden oder neuen Symptomen erfolgen.

Ute Schrimpf erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Das sagt die Evidenzbasierte Medizin

Das Symptom Müdigkeit ist in der hausärztlichen Praxis ein häufiger Beratungsanlass. Die Ursachen können vielfältig sein. Laut der DEGAM-S3-Leitlinie “Müdigkeit” [1] sind “Depression, Angststörung und psychosoziale sowie kommunikative Probleme sehr häufige Ursachen oder Begleiterscheinungen bei Patienten mit Müdigkeit”, bislang nicht diagnostizierte Malignome, Anämien und sonstige organische Ursachen sind dagegen eher selten.

Das empfohlene diagnostische Basisprogramm besteht aus Anamnese und körperlicher Untersuchung, die auf mögliche Ursachen des Symptoms “Müdigkeit” fokussieren; bei einer seit mehr als vier Wochen bestehenden Müdigkeit empfiehlt die Leitlinie zudem ein Basislabor. Zusatzuntersuchungen sollten nur bei begründetem Verdacht (etwa Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik) erfolgen.

Wie es in der Leitlinie heißt, “ist die Prävalenz der Zöliakie bei Erwachsenen höher als bisher angenommen” und das Symptom Müdigkeit kann darauf hinweisen. Eine entsprechende Abklärung sollte allerdings nur erfolgen, wenn zusätzliche Symptome vorhanden sind, etwa Magen-Darm-Beschwerden, eine Anämie oder erhöhte Leberwerte.

Die Leitlinie empfiehlt in diesem Fall serologische Untersuchungen (Gesamt-IgA- und tTG-Antikörper) und ggf. eine Dünndarm-Biopsie.

Die aktualisierte S2k-Leitlinie “Zöliakie” [2] weist darauf hin, dass sich eine Zöliakie “sowohl mit mannigfaltigen gastrointestinalen als auch extraintestinalen klinischen Symptomen und Zeichen in jedem Lebensalter manifestieren oder auch ganz symptomlos bleiben” kann.

Daher sollte eine Zöliakie bei einer Vielzahl von S ymptomen, Erkrankungen und Befunden erwogen werden. Eine genaue Auflistung bieten die Tabellen 1.1 bis 1.3 der Leitlinie.

Weiterhin weist die Leitlinie darauf hin, dass sich die Patientinnen und Patienten für eine zuverlässige Diagnose glutenhaltig ernähren müssen. Zur Diagnostik empfiehlt sie die Bestimmung der tTG-IgA und des Gesamt-IgA im Serum.

Bei auffälligem Befund sollte eine ÖGD mit Histologiegewinnung erfolgen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen oder bei Kindern und Jugendlichen die Kriterien für eine Diagnosestellung ohne Biopsie erfüllt sind. Die Diagnose Zöliakie ist laut Leitlinie gesichert, wenn die Autoantikörper im Serum positiv und Marsh 2- und Marsh 3-Läsionen der Darmschleimhaut feststellbar sind.

Bezüglich Eisensubstitution heißt es in der Onkopedia-Leitlinie “Eisenmangel und Eisenmangelanämie” [3], dass diese nach Möglichkeit oral erfolgen sollte. Tipps für eine verbesserte orale Eisensubstitution finden Sie im Kasten unten.

Eine intravenöse Eisensubstitution ist laut Onkopedia-Leitlinie angezeigt, wenn Patienten zwei verschiedene orale Eisenpräparate nicht vertragen haben, eine Eisenresorptionsstörung aufweisen oder wenn eine orale Medikation nicht ausreicht oder nicht toleriert wird.

Quellen:

1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V (DEGAM). S3-Leitlinie Müdigkeit, 2022. AWMF-Register-Nr. 053-002

2. Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 2021. AWMF-Registernummer: 021-021

3. Onkopedia-Leitlinie “Eisenmangel und Eisenmangelanämie”, 2022;

4. Swiss Health Web. Oraler Eisenersatz: Wichtigste Grundsätze

5. Sergeant M, Do J, Hategan A. Sustainable practice: Sustainable prescribing of iron replacement therapy. BMJ 2023; 383. doi: 10.1136/bmj-2023-075741

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