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Neue S1-Leitlinie Das bringt das “Geriatrische Assessment der Stufe 2”

Weist der geriatrische Patient eine therapierelevante Beeinträchtigung auf? Oder geht es ihm so gut, dass der Status Quo ohne zusätzliche Therapie fürs Erste aufrechterhalten werden kann? Diese Fragen sollen Hausärzte mit Hilfe einer neuen Leitlinie künftig systematischer beantworten können.

Die S1-Leitlinie “Geriatrisches Assessment der Stufe 2” gibt Allgemeinmedizinern eine Fülle an Instrumenten an die Hand, mit denen sie den geriatrischen Zustand ihres Patienten detaillierter als bisher erfassen und die Therapie individualisiert anpassen können.

Über bekannte Tests wie den Barthel-Index und den Stand Up and Go-Test hinaus stellt die Leitlinie 50 jüngere Möglichkeiten vor kognitive, motorische und psychische Dimensionen beim geriatrischen Patienten zu erfassen. Diese werden nach Relevanz, Anwendbarkeit und Testökonomie bewertet. Seit Einführung des Barthel-Index zum systematischen Erfassen der Selbstständigkeit und Pflegebedürftigkeit, dem Timed-Up-and-Go-Test, der Mini-Mental-State-Examination und der Geriatrischen Depressionsskala mit 15 Ja-Nein-Fragen wurden zahlreiche weitere Instrumente entwickelt, die eine Erweiterung zu den genannten Tests darstellen und Dimensionen spezifizieren, die in den älteren Tests nicht in der nun verfügbaren Tiefe abgebildet worden sind.

Für eine individualisierte Therapie

Die beachtliche Zahl von 50 Tests stellt gleichwohl nur eine Auswahl der mittlerweile verfügbaren Testinstrumente dar; die Autoren der Leitlinie – eine Expertengruppe, die sich hauptsächlich aus Mitgliedern der Arbeitsgruppe Assessment der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) zusammensetzt – betonen denn auch, dass nicht integrierte Tests, die im deutschsprachigen Raum Anwendung finden, nicht als unterlegen einzustufen sind.

Das korrekte Durchführen des Assessments der Stufe 2 ist eine der obligaten Voraussetzungen zur Kodierung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung. Wird das Assessment in den vorgeschriebenen Bereichen gemäß Interpretation des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann die Kodierung komplett wegfallen – ein zeitintensives und unverhältnismäßiges Ärgernis. Die Leitlinie liefert vor diesem Hintergrund Kriterien, wie das Assessment der Stufe 2 individuell auf den Patienten zugeschnitten werden und sinnvoll in Praxisabläufe integriert werden kann. Sie unterstützt die individuelle Einschätzung des Rehabilitationspotenzials von geriatrischen Patienten, insbesondere vor dem Hintergrund der verschiedenen Rehabilitationsmöglichkeiten.

Hausärztin Yvonne Kinet aus Offenbach hält die neue Leitlinie als Leitfaden durch ein verändertes geriatrisches Basis-Assessment gut geeignet. “Viele Dimensionen, die in der Leitlinie thematisiert sind, werden im Rahmen der ärztlichen Konsultation eines geriatrischen Patienten ohnehin erfasst. Ich finde es aber gut, dass diese Fragestellungen, die wir als Hausarzt im persönlichen Kontakt registrieren, nun systematisiert worden sind.”

Bisher nonverbal erfasste Dimensionen wie Körperhygiene, Fähigkeit zur Selbstversorgung und Selbstorganisation, Motorik, Hör- und Sehvermögen könnten mit der nach drei Jahre langer Arbeit veröffentlichten Leitlinie besser standardisiert dokumentiert werden. Die Leitlinie schlägt dafür ein zweistufiges Vorgehen vor. Im ersten Schritt geht es um die Identifikation therapierelevant betroffener Dimensionen, im zweiten Schritt um eine dimensionsbezogene Beschreibung der Ausprägung von Beeinträchtigungen.

Frühzeitig abfragen und Maßnahmen ergreifen

Alle Instrumente wurden für die Erstellung der Leitlinie von den Studien-Autoren unter Realbedingungen getestet. Als ersten Ansprechpartner der geriatrischen Versorgung gibt die Leitlinie Hausärzten damit einen Überblick über praxiserprobte Testverfahren und leitet zum individualisierten Assessment an. Dazu enthält sie eine Kurzdarstellung der Kerndaten zu den Assessment-Instrumenten und gibt praktische Tipps zu deren Anwendung. “Natürlich schätze ich zum Beispiel im Rahmen eines Hausbesuchs die Leistungsfähigkeit meines Patienten ein”, sagt Hausärztin Yvonne Kinet. “Ich halte es aber für eine gute Idee, schon frühzeitig abzufragen, ob hier etwas im Argen liegt und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.” Sie empfiehlt zur Erfassung und Dokumentation auch den MAGIC-Fragebogen – Manageable Geriatric Assessment – als Instrument, mit dem schnell und unkompliziert mehrere Dimensionen erfasst werden könnten und der mit den neueren Testverfahren der S1-Leitlinie korreliert.

Bei der Zusammenstellung des Assessments müssen die begrenzten zeitlichen Ressourcen auf Seiten des geriatrischen Teams, die Belastbarkeit der Patienten und weitere Erkrankungen, die die Assessment-Ergebnisse möglicherweise verzerren, berücksichtigt werden. Im Sinne einer zielorientierten, individualisierten Therapie sollte laut Leitlinie darüber nachgedacht werden, ob es Sinn macht, nicht nur die für die OPS erforderlichen Tests auszuwählen, sondern auch Bereiche zu erfassen, die wichtig für die Gesamteinschätzung des Patienten sind wie zum Beispiel Schmerz, Ernährung, Handmotorik, Schläfrigkeit und Sucht.

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