Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel sollen Ärzte künftig schon bei ihrer Verordnung berücksichtigen können. Für ein entsprechendes Arztinfosystem (AIS) in der Praxissoftware haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband kurz vor dem Jahreswechsel nach gesetzlicher Vorgabe den Anforderungskatalog für Verordnungssoftware angepasst (Paragraf 73 SGB V; Anlage 23 Bundesmantelvertrag-Ärzte, Version 5.0). Künftig erhalten Ärzte demnach bei der Anzeige eines Arzneimittels in den Suchergebnissen oder Vergleichslisten einen Hinweis, wenn ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorliegt, der etwa einer Verordnung entgegensteht. Zusätzlich muss die Verordnungssoftware nun aber auch Recherchen nach dem Arzneimittel, dem Wirkstoff sowie dem zugelassenen Anwendungsgebiet oder über den ICD-10-GM-Kode ermöglichen.
Bei Auswahl einer Arznei, für die es einen oder mehrere Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung gibt, kann zunächst eine Beschlussübersicht mit den bewerteten Anwendungsgebieten abgerufen werden. Wenn in der Verordnungssoftware ein ICD-10-GM-Kode eines Patienten vorliegt, werden nur Beschlüsse angezeigt, die dem hinterlegten ICD-10-GM-Kode des Patienten entsprechen. Die weiteren Beschlüsse können optional zusätzlich angeklickt werden. Nach Auswahl eines Beschlusses werden die relevanten Inhalte angezeigt, etwa die vom G-BA gebildeten Patientengruppen, jeweils mit Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber der gewählten Vergleichstherapie. Nur bei Aufruf einer Arznei, für die ein Beschluss zur frühen Nutzenbewertung nach dem 30. Juni 2020 gefasst wird, werden die relevanten Beschlussinhalte einmalig aktiv angezeigt.
Darüber hinaus können bereits in der Übersicht “positiv bewertete” Mittel durch entsprechende Symbole oder Grafiken hervorgehoben werden. Neu ist, dass der aktualisierte Anforderungskatalog Rote-Hand-Briefe, Informationsbriefe der Bundesoberbehörden sowie Schulungsmaterial mit dem Blaue-Hand-Logo explizit als Vorschläge abbildet.
WICHTIG: Die Änderungsvereinbarung und der aktualisierte Anforderungskatalog treten zum 1. Juli 2020 in Kraft. Die Softwarehäuser haben deshalb eine ausreichend lange Frist, um die Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung gemäß Anforderungskatalog bereitzustellen. Zeitgleich hierzu muss im Praxisverwaltungssystem auch die Schnittstelle für den einfacheren Wechsel der Verordnungssoftware gewährleistet sein. So ist es künftig möglich, ohne zusätzlichen Aufwand die Software zu wählen, die am besten zu den Anforderungen der Praxis passt.
Das neue AIS soll auch dazu führen, dass die Gefahr eines Arzneimittel-Regresses reduziert wird. Dieses Ziel wird jedoch zumindest in Teilen verfehlt. Denn: Einerseits steigt der Verwaltungsaufwand in den Praxen und Ärzte laufen Gefahr, ihre Aufmerksamkeit verstärkt den auf dem Bildschirm gegebenen Hinweisen widmen zu müssen – auf Kosten des Patientengesprächs.
Darüber hinaus könnte künftig vermehrt die Regelung greifen, dass Kassen Einzelregressanträge stellen dürfen. Wird beispielsweise ein Arzneimittel verordnet, für das das AIS eine “Warnung” angezeigt hat, kann die Kasse ohne die ansonsten zunächst gesetzlich vorgesehene Beratung der Praxis einen Regress beantragen. Im Vergleich zur bisherigen Verordnung steigt somit die Regressgefahr.