Berlin. Der Sicherstellungsauftrag für die notdienstliche Versorgung soll bei den niedergelassenen Ärzten bleiben. So sollen beispielsweise neu aufzubauende Integrierte Notfallzentren (INZ) von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und den Krankenhäusern gemeinsam „unter fachlicher Leitung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung“ betrieben werden. Der Sicherstellungsauftrag soll dahingehend geändert werden, dass dieser 24 Stunden an sieben Tagen die Woche gilt – auch für Vertragszahnärzte. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Reform der Notfallversorgung hervor, der am Donnerstag (9. Januar) publik wurde und der Redaktion von „Der Hausarzt“ vorliegt.
Noch vor dem Start in die erste Sitzungswoche des Bundestags, in der unter anderem eine Reform der Organspende in Deutschland auf der Tagesordnung steht, eröffnet das gesundheitspolitische Jahr in Berlin damit eines der wichtigsten Themen der aktuellen Legislaturperiode.
Länder sind in vielen Teilen “raus”
Zentrales Ziel des lang erwarteten Gesetzes – bereits im Juli hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Ländern einen entsprechenden Arbeitsentwurf zukommen lassen – ist es, die in vielen Teilen der Republik überfüllten Notfallambulanzen zu entlasten. Schlüssel dazu bleibt eine bessere Steuerung der Patienten, beispielsweise über die geplanten INZ, die an Kliniken je nach Dringlichkeit über die passende Behandlung entscheiden werden. Vorgesehen ist darüber hinaus ein gemeinsames telefonisches Leitsystem, in dem die Rettungsleitstellen mit der Notrufnummer 112 und der ärztliche Bereitschaftsdienst mit der Nummer 116 117 zusammenarbeiten.
Aber: Der nun vorliegende Entwurf sieht einige Änderungen im Vergleich zu Spahns ersten Plänen aus dem Sommer vor. So war der Sicherstellungsauftrag für die sprechstundenfreien Zeiten jüngst den Ländern zugesprochen worden. Im aktuell vorliegenden Entwurf sind die KVen wieder zuständig; die Länder bleiben verantwortlich für den Rettungsdienst. Damit soll auch eine zunächst für die Reform ins Auge gefasste Grundgesetzänderung nicht mehr nötig sein.
Die Länder haben nach dem Entwurf nur noch sehr eingeschränkte Kompetenz im Vergleich zur bisherigen Vorlage. Über die Entgelte der Rettungsdienste sollen die Länder künftig mit Kassen und zuständigen Trägern gemeinsam verhandeln müssen. Damit einher geht eine neu vorgesehene Beteiligung der Landesverbände der Kassen an der Zahl von Luftrettungsstandorten, Rettungsleitstellen, -wachen und -mitteln.
Reform in Teilen “weichgespült”?
Nach Spahns Plänen sollen die beiden bisher bekannten Notrufnummern 112 und 116 117 als „Gemeinsames Notfallleitsystem“ (GNL) erhalten bleiben. Unter der Nummer 116117 ist aktuell bereits der ärztliche Bereitschaftsdienst erreichbar, seit Beginn dieses Jahres können Patienten zusätzlich den Terminservice der KVen in Anspruch nehmen.
Das GNL soll nach einheitlichen Vorgaben und professionell gesteuert Hilfe vermitteln und entscheiden, ob eine Notfallversorgung vor Ort, eine Rettungsfahrt, eine telemedizinische Behandlung oder ein Hausbesuch durch einen ärztlichen Bereitschaftsdienst notwendig ist. Dies soll explizit durch eine „digitale Vernetzung“ unterstützt werden, heißt es in dem Referentenentwurf.
NEU: Bislang war eine Verpflichtung zur Kooperation der verschiedenen Akteure vorgesehen; dies ist nun lediglich als Ziel einer umfassenden Kooperation festgehalten.
Zugleich sollen an den Krankenhäusern INZ entstehen, die Kassenärzte und Kliniken gemeinsam betreiben. Sowohl das GNL als auch die Notfallzentren sollen sieben Tage pro Woche rund um die Uhr erreichbar sein.
NEU: Die fachliche Leitung übernimmt die KV. Auch die Abrechnungsstelle liegt bei der KV. Die Länder sind hier komplett raus.
Finanzierung der Notfallzentren außerhalb der Budgets
Auf die Krankenkassen kommen dadurch Mehrkosten zu, deren Höhe der Gesetzentwurf nicht beziffert. Die Notfallzentren sollen außerhalb der bisherigen Budgets der Kassenärzte finanziert werden. Die Notfallrettung per Krankenwagen, die bislang in der hoheitlichen und finanziellen Verantwortung der Länder liegt, soll künftig zum Teil Leistung der Krankenkassen sein.
Einmalig 25 Millionen Euro sind als Anschaffungskosten für Softwarelösungen für Leitstellen der 112 vorgesehen. Für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) sind auf Seiten der Rettungsleitstellen einmalige Mehrausgaben von 500.000 Euro und laufend 300.000 Euro pro Jahr, für je 1.000 Leistungserbringer einmalig rund 3 Millionen Euro sowie 1,1 Millionen pro Jahr eingeplant.
KBV lobt Verbleib in Ärzte-Hand
Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat dem Referentenentwurf in einer ersten Reaktion „viele Schritte in die richtige Richtung“ attestiert. Positiv wertete der KBV-Vorstand, dass dem Gesetzgeber offenbar die wichtige Rolle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes bewusst sei. Die KVen hätten gut funktionierende Strukturen aufgebaut.
Die KBV begrüßte, dass der Entwurf das Prinzip “ambulant vor stationär“ aufgreife. „Damit wird die Versorgung der Patienten verbessert“, konstatierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Folgerichtig sei es auch, dass die Idee eines „dritten eigenständigen Sektors“ bei der Notfallversorgung nicht mehr verfolgt werde.