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Koordinierte Behandlung„Verträge gehören in Hausarzt- statt in KV-Hand“

In Berlin startet der 40. Deutsche Hausärztetag. Zum Auftakt macht Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt deutlich: Ein freiwilliges Primärarztsystem muss von Hausärzten selbst mit den Kassen verhandelt werden – frei von Facharzt-Interessen.

Pressekonferenz zum Auftakt in Berlin: Ulrich Weigeldt und Anke Richter-Scheer.

Berlin. Ein freiwilliges Primärarztsystem, wie es die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) bereits lebt, gehört in die Hände von Hausärzten. Entscheidend sei, dass die entsprechenden Verträge von Hausärzten selbst mit den Krankenkassen verhandelt und abgeschlossen würden, betonte Ulrich Weigeldt zum Auftakt des 40. Deutschen Hausärztetags in Berlin – unbeeinflusst von fachärztlichen Interessen. „Überlegungen, die HZV aus der Hoheit der Hausärztinnen und Hausärzte in das kollektivvertragliche System zu überführen, erteilen wir eine klare Absage.“

Damit übte Weigeldt deutliche Kritik am Wahltarifmodell der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Deren Chef Dr. Andreas Gassen hatte jüngst die Idee erneuert, das Problem des „Ärztehoppings“ durch günstigere Wahltarife in der Krankenversicherung zu lösen. Hier von einem freiwilligen Primärarztsystem zu sprechen, sei jedoch eine „Mogelpackung“, wies Weigeldt die Idee zurück. Bliebe das Aushandeln solcher Verträge nicht in Hausarzt-Hand, so bestehe die Gefahr, dass diese in den Mühlen des KV-Betriebs zermahlen werden. „Wir sind sehr aufmerksam, was diese Diskussionen angeht.“

HZV-Boni? Kassen knausern!

Vielmehr müsse am Ausbau der HZV festgehalten werden, plädierte Hausärzte-Chef Weigeldt. Ein entscheidender Punkt hierzu findet sich im jüngst in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Dieses sieht verpflichtende Boni für Versicherte vor, die an Hausarztverträgen teilnehmen. Aktuell diskutiere man mit den Kassen über die konkrete Ausgestaltung, verriet Weigeldt. Ein Knackpunkt sei das Geld. „Der Passus im TSVG ist noch sehr eingeschränkt und rudimentär, kann aber funktionieren“, stellte Weigeldt in Aussicht.

Dabei solle unter den Kassen kein Wettbewerb entstehen; ob eine solche Beteiligung der Versicherten an den wirtschaftlichen Vorteilen letztlich über Boni oder Wahltarife geregelt werde, sei zweitrangig. Aktuell biete etwa die BKK Bosch eine – wenn auch geringe – Beitragsrückerstattung, die AOK Baden-Württemberg hingegen arbeite mit Zuzahlungsbefreiungen, skizzierte Weigeldt verschiedene Modelle. „Aus anderen Ländern wissen wir, dass es funktioniert.“ In Dänemark etwa sei man über ein freiwilliges Programm faktisch in ein staatliches System gekommen: 98 Prozent der Bevölkerung wählten heute bewusst das Hausarztprogramm aufgrund eines Wahltarifs, so Weigeldt. „Das braucht aber einen langen Atem.“ In der Schweiz lockten fast 20 Prozent Tarifermäßigung bei der Wahl des Hausarztprogramms. „Es muss nicht diese Größenordnung sein, aber dass wir einen Einstig finden, wäre ein großer Wunsch von uns.“

Jeder zehnte Versicherte ist in der HZV

Aktuell nehmen bereits 5,4 Millionen Versicherte und rund 17.000 Hausärzte an Vollversorgungsverträgen der HZV teil. Addiert man die Add-on-Verträge hinzu, seien bereits etwa zehn Prozent aller Versicherten eingeschrieben, rechnete Weigeldt vor. Dabei entwickle sich die HZV mittlerweile auch außerhalb der Vorreiter-Regionen Bayern und Baden-Württemberg deutlich: Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbands, lobte neben dem eigenen Verband auch Hessen und Hamburg, die eine „deutliche Steigerung“ verbuchen konnten. In Westfalen-Lippe habe man die Zahl der eingeschriebenen Patienten in den vergangenen fünf Jahren verdoppeln können, so Richter-Scheer. „Das ist ein starkes Zeichen, dass wir richtig liegen mit unserem Angebot zur hausärztlichen Primärversorgung.“

Vor dem Hintergrund der steigenden Patientenzahlen sei eine solche freiwillige Primärversorgung umso wichtiger, betonte Weigeldt. Nicht nur die steigende Zahl älterer Menschen, auch der Klimawandel und seine Folgen im gesundheitlichen Kontext sorgten für ein zunehmendes Auftreten von Mehrfacherkrankungen und damit für die Notwendigkeit zunehmender Koordination. „Wir Hausärzte müssen dafür sorgen, dass sich die verschiedenen Leitlinien, die beim Besuch mehrerer Spezialisten regelrecht auf Patienten einprasseln, miteinander vertragen.“ Dabei gehe es etwa auch darum, Arzneimittelunverträglichkeiten zu erkennen.

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