Reims. Frankreichs bekanntester Wachkoma-Patient wird nach einem jahrelangen Rechtsstreit wohl bald sterben. Die Ärzte im Universitätsklinikum Reims haben am Montag die lebenserhaltenden Maßnahmen für den 42-jährigen Vincent Lambert eingestellt, wie mehrere französische Medien unter Berufung auf die Familie und das Krankenhaus berichteten. Die Eltern wollen den Behandlungsstopp aufhalten und sind gegen die Entscheidung vorgegangen.
Lambert ist vor rund zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall verunglückt und hatte sich schwer am Kopf verletzt. Er befindet sich seitdem in einem vegetativen Zustand. Die katholischen Eltern wollen den Tod ihres Sohnes mit aller Macht verhindern und haben sich in Frankreich durch sämtliche Instanzen geklagt. Sie scheiterten dort immer wieder und auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Erneute Klage abgewiesen
Die Eltern reichten am Montag erneut einen Antrag beim EGMR ein, um die Aussetzung der lebenserhaltenden Maßnahmen zu stoppen. Das Gericht wies den Antrag zurück und stellte fest, dass keine neuen Beweise vorgelegt wurden. Die Familie des früheren Krankenpflegers ist zutiefst zerstritten. Seine Eltern und seine Geschwister sind gegen die Einstellung der Pflege, Lamberts Ehefrau will ihn dagegen „in Würde gehen lassen“. Ihr Mann habe sich nie gewünscht, dass sein Leben künstlich verlängert werde, sagte sie vor einigen Jahren. Eine Patientenverfügung von Lambert gibt es allerdings nicht.
Lambert wird nach der Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen wohl innerhalb einer Woche sterben. In Deutschland leben nach Angaben der Deutsche Stiftung Patientenschutz rund 10.000 Menschen mit dem sogenannten apallischen Syndrom, das von schwersten Hirnschädigungen hervorgerufen wird. „Diese Patienten im Wachkoma sind keine Sterbenden“, erklärte Vorstand Eugen Brysch.
Patientenverfügung hätte Klarheit gebracht
Deshalb seien Patientenverfügungen so wichtig. „Der Fall Lambert zeigt, dass schlimmstenfalls jahrelange Streitigkeiten das Verhältnis aller Beteiligten zerrüttet“, sagte Brysch. In Deutschland dürften weder Ehepartner noch Verwandte automatisch über eine Behandlungsbegrenzung entscheiden. „Allein eine schriftliche Vollmacht ermöglicht ein Mitspracherecht.“
In Deutschland und Frankreich ist die aktive Sterbehilfe, also einem Menschen ein tödlich wirkendes Mittel zu verabreichen, verboten. Passive Sterbehilfe durch das Abschalten von Apparaten und indirekte Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, sind zulässig.
Der Papst forderte am Montag, das „Leben, die Gabe Gottes, vom Anfang bis zum natürlichen Ende“ zu bewahren. Er schrieb auf Twitter, ohne den Fall Lambert direkt zu erwähnen: „Geben wir der Wegwerfkultur keinen Raum.“ Er bete für Menschen, die mit schweren Gebrechen leben.
Quelle: dpa