Etwa ein Drittel der Krankenhäuser soll künftig nicht mehr an der Notfallversorgung teilnehmen – also keine entsprechenden Zuschläge mehr bekommen. Das geht aus dem neuen Stufenkonzept zur Notfallversorgung an Kliniken hervor, das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Mitte April verabschiedet hat.
Demnach sollen von den heute 1.748 allgemeinen Krankenhäusern künftig nur noch 1.120 entsprechende Zuschläge bekommen. Etwa ein Drittel wird also nicht länger gefördert. Diese Häuser hätten aber "überwiegend auch in der Vergangenheit keine Notfallversorgung erbracht: Auf diese 36 Prozent der Krankenhäuser entfallen nur circa fünf Prozent der im letzten Jahr behandelten Notfälle", sagte G-BA-Vorsitzender Prof. Josef Hecken.
Um die gestaffelten Zuschläge zu erhalten, müssen die Häuser bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Auf Basis des Stufensystems werden Krankenkassen und Krankenhäuser nun die Zu- und Abschläge für die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Notfallversorgung vereinbaren.
Das Stufenkonzept
Stufe 1: Für die Zuordnung in die Basisnotfallversorgung müssen Kliniken mindestens über die Fachabteilungen Chirurgie/Unfallchirurgie sowie Innere Medizin am Standort verfügen. Die Aufnahme von Notfällen erfolgt überwiegend in einer Zentralen Notaufnahme. Hier wird auf der Grundlage eines strukturierten Systems über die Priorität der Behandlung entschieden und der Notfallpatient spätestens zehn Minuten nach der Aufnahme dazu informiert. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass die entsprechende Betreuung durch einen Facharzt – bei Bedarf auch durch einen Anästhesisten – innerhalb von maximal 30 Minuten am Patienten verfügbar ist. Für eine möglicherweise angezeigte Intensivbetreuung muss eine Intensivstation mit der Kapazität von mindestens sechs Betten vorhanden sein. Um die stationäre Notfallversorgung auch in strukturschwachen Regionen zu stärken, werden alle Krankenhäuser, die die Voraussetzungen für den Erhalt von Sicherstellungszuschlägen erfüllen, mindestens als Basisnotfallversorgungskrankenhäuser eingestuft. Sicherstellungszuschläge dienen dazu, in strukturschwachen Regionen eine stationäre Basisversorgung aufrecht zu erhalten.
Darüber hinaus gibt es die Stufe 2 zur erweiterten und Stufe 3 zur umfassenden Notfallversorgung. Diese sind für Schwerverletzte oder Kinder gedacht. Kliniken ohne Notfallstatus müssen künftig – wie bisher schon – finanzielle Abschläge hinnehmen.
Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken nannte es sachgerecht, dass Kranke nach einem Unfall oder Herzinfarkt in einem Notfallkrankenhaus auch die entsprechenden Fachärzte und eine Intensivstation vorfinden. Andere Kliniken könnten die nötige Versorgung eben nicht bringen. Zugleich versicherte Hecken: "Die stationäre Notfallversorgung bleibt bundesweit künftig auch in strukturschwachen Gebieten gesichert." Jedes Krankenhaus sei weiterhin verpflichtet, im Notfall ärztliche Hilfe zu leisten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht das anders: "Bis zu 700 Akut-Kliniken könnten den Status als Notfallkrankenhaus verlieren". Sie appelliert daher an die für die Klinikplanung zuständigen Bundesländer, die "teilweise überzogenen Kriterien" des G-BA nicht anzuerkennen.
Länder können abweichen
Die Länder können laut G-BA in "Sonderfällen" von den Vorgaben abweichen und Krankenhäuser als "Spezialversorger" ausweisen. Diese gelten dann als besondere Einrichtungen und nehmen budgetneutral an der Notfallversorgung teil. Der GKV-Spitzenverband sieht in der neuen Struktur Vorteile: Rettungsfahrer und Patienten wüssten künftig, welche Klinik für welche Notfälle die richtigen Fachärzte, Abteilungen und die nötigen Geräte vorhält. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellte unterdessen eine eigene Analyse vor. "Selbst wenn ausreichend Finanzmittel vorhanden wären, könnte man nicht an jeder Klinik eine Portalpraxis einrichten", sagte KBV-Vize Stephan Hofmeister. Bundesweit gebe es fast 650 Portalpraxen, die an Notaufnahmen der Krankenhäuser angegliedert sind.
Damit 99 Prozent der Deutschen nicht länger als 30 Minuten bis zum nächsten Notfallversorger fahren müssen, müssten bundesweit 736 Praxen an bestehenden Kliniken errichtet werden: also noch 86 mehr als bisher. Im Schnitt müssten die Patienten dann nur 17 Minuten Fahrzeit in Kauf nehmen. Das geht aus einem Gutachten hervor, das die KBV beim Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung beauftragt hat.
Im Sommer werden die Gesundheitsweisen ihr neues Gutachten vorstellen, das Vorschläge für eine sektorenübergreifende Notfallversorgung machen wird. Einen Einblick hatte das Gremium Ende 2017 gegeben ("Der Hausarzt" 16/2017). Rats-Vorsitzender Prof. Ferdinand Gerlach betonte, dass es für Patienten im Notfall besser ist, in die richtige Klinik statt in irgendeine zu fahren.