Der Allgemeinarzt Dr. Horst Schüler berichtet in dem Buch „Heilsam“ über seine Erfahrungen aus der Hausarztpraxis. Im Kapitel „DOKTORSArbeit“ beschreibt er seine Beobachtungen mit verschiedenen Patientengruppen und -typen. Auszüge daraus haben wir für Sie in dieser Serie zusammengestellt.
„Meine älteren Patienten – Pragmatiker sind gesünder“
Die Älteren sind heute zehn bis 15 Jahre jünger als ihr kalendarisches Alter. Bei einer guten wirtschaftlichen Situation und einem guten Bildungsstand sind viele viel aktiver, als es ihre Eltern im gleichen Alter waren. Die medizinische Diagnostik und Therapie bei ihnen ist umfangreicher geworden und auf eine höhere Lebenserwartung bezogen zukunftsorientiert wie bei Jungen.
Für jüngere Ärzte ist es manchmal schwierig, sich in die Lebenssituation von Älteren hineinzudenken. Als Hausarzt habe ich den Wert von Kontakten von älteren zu jungen Menschen als Jungbrunnen für Senioren schätzen gelernt. Ältere und ältere Kranke sollten nicht unter sich bleiben müssen, sie belasten sich untereinander mit negativen Gedanken. Pseudodemenz und Demenz können die Folge sein, wenn frische Ideen und geistige Anreize fehlen.
Drohende Altersdemenz und zunehmende psychische Erkrankungen im Alter sind ein weites Feld für die Forschung. Sie sind aber auch geeignet, Panik zu erzeugen und Hirningenieure zu Gurus zu machen. Nicht alle fassbaren Veränderungen im Körper müssen zu Beeinträchtigungen führen. Die wichtigste Information an Ältere ist, dass Neurowissenschaften gern vernachlässigen, dass die Wechselbeziehungen zwischen Gehirn, Körper und Umwelt das Leben ausmachen. Bewusstes Erleben ist immer das vom Gehirn vermittelte Gesamterlebnis vom Gesamtorganismus zur Umwelt. Im Alter nehmen Geschwindigkeit, Flexibilität und Leistungsfähigkeit ab. Ältere müssen ermutigt werden, sich handfest einzubringen und Pragmatiker zu werden. Nur die Arbeit mit Händen und Füßen kann die Flexibilität erhalten.
Gehirnjogging sichert punktuelle Helligkeit, aber nicht die Persönlichkeit. Die Körperlichkeit Älterer ernst zu nehmen, ist meine Maxime. Die Ermutigung zu Kraftsport und Leistungen am Limit für jeden mein Credo. Eine Abkehr vom Leistungswillen ist der Beginn einer Selbstaufgabe und der sichtbare Verlust an Selbstindividuation. Eine Pseudodemenz kann die Folge von Langeweile und Unterforderung sein. Jede Aktivität zusätzlich zum Alltäglichen ist ein Tropfen Zaubertrank aus dem Jungbrunnen und verhindert vorzeitigen Abbau. Auch Neustarts in Konkurrenz zu Jüngeren ist ein Jungbrunnen, weil dadurch Mut und Eigenverantwortung gefordert und gefördert werden. Es ist noch alles möglich, solange man lebt. Entscheidend ist der Preis, den jeder für sein Tun oder Lassen zu zahlen bereit ist.
„Die Esoteriker“
Esoterik sollte kein Schimpfwort sein und Menschen nicht in eine Ecke verweisen. Sie ist das offene Geheimnis der Mystik um uns herum. Manche Menschen fühlen und erleben mehr aus diesem Bereich als andere.
Sie bereichern unsere Gesellschaft mit Dingen, die für die meisten Menschen verborgen bleiben. Ein Missionieren von beiden Seiten ist nicht sinnvoll. Offene Geheimnisse sind offen, damit man sie sehen kann, wenn man dazu bereit und sehend ist. Patienten mit dem Blick für Esoterik bringen meist Sanftmut und eine beruhigende Stimmung mit in eine Praxis. Eine Arztpraxis lebt von der Inspiration ihrer Patienten.
Weitere Serien-Folgen
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Teil 1: Jeder Patient ein Geschenk
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Teil 2: Meine ländlichen Patienten