Der Bundestag hat am 3. Dezember das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, kurz E-Health-Gesetz, beschlossen. Damit ist das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Die wichtigsten Elemente des neuen Gesetzes für Hausärzte erläutern wir im Folgenden.
Elektronische Gesundheitskarte
Wesentlicher Bestandteil des E-Health-Gesetzes ist, Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte zu erweitern. Bereits seit 1. Januar 2015 ist die elektronische Gesundheitskarte Pflicht. Technisch ist sie zu einer Reihe neuer Anwendungen fähig. So wäre es bereits seit längerem möglich, dass Patienten auf der elektronischen Gesundheitskarte Notfalldaten wie Vorerkrankungen, bestehende Erkrankungen, Medikamentendaten und Unverträglichkeiten speichern lassen. Gleichermaßen könnten theoretisch auch heute schon Ärzte und Krankenhäuser Labor- oder Röntgendaten oder Befunde digital austauschen oder die Arzneimittelverordnung per elektronischem Rezept. Praktisch können diese Möglichkeiten jedoch noch nicht genutzt werden. Das soll nun mit dem E-Health-Gesetz geändert werden:
Versichertenstammdaten
Über die elektronische Gesundheitskarte sollen Ärzte die Versichertenstammdaten online prüfen und aktualisieren. So sind die Daten in der Praxis auf dem neuesten Stand. Diese erste Online-Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte soll nach erfolgreichem Probelauf bis Mitte 2018 flächendeckend eingeführt werden. Dann sollen also Ärzte wie Krankenhäuser an die einheitliche Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein, über die Daten sicher ausgetauscht werden können. Damit werden zugleich die Online-Strukturen für weitere wichtige medizinische Anwendungen geschaffen. Nehmen Ärzte und Zahnärzte nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten teil, wird ihre Vergütung ab 1. Juli 2018 pauschal gekürzt.
Notfalldatensatz
Medizinische Notfalldaten sollen ab 2018 auf Wunsch des Versicherten auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden. Damit sind wichtige Informationen über bestehende Allergien oder Vorerkrankungen im Ernstfall schnell verfügbar.
Medikationsplan
Patienten, die mindestens drei verordnete Medikamente nehmen, haben ab Oktober 2016 einen Anspruch auf einen für sie verständlichen Medikationsplan, wobei dieser zunächst in Papierform vorliegen wird. Ab 2018 sollen sie den Medikationsplan dann über die elektronische Gesundheitskarte abrufen können, sofern dies Patienten wünschen. Der Plan soll Patienten übersichtlich Hinweise zur Einnahme der Arzneimittel geben. Dies soll die Arzneitherapiesicherheit erhöhen, indem gefährliche Wechselwirkungen der Medikamente besser auffallen.
Ärzte sollen von ihnen und anderen Ärzten verordnete sowie vom Patienten ohne Verschreibung eingenommene Arzneimittel im Plan dokumentieren. Zudem sollen sie Angaben zu Einnahme und Dosierung machen. Drüber hinaus sollen Medizinprodukte erfasst werden, wenn diese die Medikation beeinflussen. Ärzte müssen den Plan überarbeiten, wenn sie die Medikation ändern oder von einer Änderung erfahren. Auf Wunsch des Versicherten müssen auch Apotheker die Daten aktualisieren.
Der Gesetzgeber betont dabei die Rolle der Hausärzte. Sie koordinierten meist diagnostische und therapeutische Maßnahmen und seien daher in der Regel diejenigen, die den Medikationsplan erstellten und aktualisierten. Behandeln andere Ärzte den Versicherten, müssen sie dem Hausarzt Informationen zu Verschreibungen mitteilen.
Bis Ende Juni 2016 müssen Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband festlegen, wie Medikationspläne erstellt werden und wie gesichert ist, dass Patienten nicht von mehreren Ärzten einen solchen Plan erhalten. Zur Abrechnung soll der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) angepasst werden. Auch die Praxisverwaltungssysteme müssen künftig insoweit immer auf dem aktuellsten Stand sein; dies gilt insbesondere für die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans notwendigen Funktionen und Informationen.
Elektronische Arztbriefe
Bereits vor Einführung der Telematik-Infrastruktur erhalten Ärzte für elektronische Arztbriefe 55 Cent je Brief. Ärzte müssen dafür aber einen elektronischen Heilberufsausweis mit elektronischer Signatur verwenden. Dies soll den Datenschutz und die Sicherheit in der elektronischen Kommunikation verbessern. Die Förderung ist allerdings zunächst auf 2017 begrenzt, danach müssen KBV und Kassen über die Höhe des Zuschlags neu verhandeln.
Elektronische Patientenakte
Auf Initiative des Gesundheitsausschusses im Bundestag wird nun mit dem E-Health-Gesetz der Einstieg in die elektronische Patientenakte eröffnet und gefördert. Die gematik muss bis Ende 2018 die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Daten der atienten (wie Arztbriefe, Notfalldaten, Daten über die Medikation) in einer elektronischen Patientenakte für die Patienten bereitgestellt werden können. Patienten sind dann in der Lage, ihre Behandler über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten zu informieren.
Ärzte wiederum müssen ihre Patienten über die Möglichkeit eines Patientenfachs aufklären. Die Patienten erhalten außerdem einen Anspruch darauf, dass ihre mittels Gesundheitskarte gespeicherten Daten in ihr Patientenfach aufgenommen werden. In diesem Fach können Patienten auch eigene Daten, wie ein Patiententagebuch über Blutzuckermessungen oder sogenannte Wearables (wie Smartwatches), ablegen. Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen für die Nutzung des Patientenfachs mit der elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden.
Telemedizin
Im Sinne der Weiterentwicklung und Förderung der Telemedizin, wird die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen ab April 2017 und – noch kurz vor Verabschiedung des Gesetzes aufgenommen – die Online-Videosprechstunde ab Juli 2017 Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Das wird Patienten die Kontaktaufnahme mit dem Arzt deutlich erleichtern, gerade bei Nachsorge- und Kontrollterminen und ein gutes Versorgungselement in unterversorgten Gebieten sein.
Bis Ende März 2017 soll der Bewertungsausschuss zur Abrechnung der Leistungen den EBM überarbeiten. Smartphones und andere mobile Endgeräte für Gesundheitsanwendungen wie Tablets könnten für die Telemedizin eine ergänzende Rolle spielen. Daher soll die gematik bis Ende 2016 prüfen, ob die Versicherten solche Geräte etwa zur Wahrnehmung ihrer Zugriffsrechte auf ihre Daten und für die Kommunikation mit Ärzten und Krankhäusern einsetzen können.
Einheitliche IT-Infrastruktur
Damit das alles funktioniert, müssen die Daten der Patienten natürlich schnell, sicher und anwenderfreundlich übermittelt werden. Um sinnvolle Anwendungen, wie die Telemedizin in die Fläche zu bringen, muss gesichert sein, dass die verschiedenen IT-Systeme auch miteinander kommunizieren können.
Die gematik wird daher verpflichtet, bis zum 30. Juni 2017 ein Interoperabilitätsverzeichnis zu erstellen, das die von den verschiedenen IT-Systemen im Gesundheitswesen (derzeit circa 200) verwendeten Standards transparent macht. Hält sie die Fristen nicht ein, treten Sanktionen ein und die finanziellen Mittel für die Gesellschafter der Telematik werden gekürzt – zu den Gesellschaftern gehören GKV-Spitzenverband, Bundesärzte- und -zahnärztekammer, Deutscher Apothekerverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft, KBV sowie Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.
Wichtig: Die Gesetzliche Krankenversicherung finanziert nur noch dann neue Anwendungen, wenn die im Gesetz vorgesehenen Festlegungen und Empfehlungen der gematik aus dem Interoperabilitätsverzeichnis berücksichtigt werden.
Auch die Interessen und Erfahrungen von Hausärztinnen und Hausärzten werden künftig bei der gematik vertreten sein. Das wurde erfreulicherweise schließlich noch im Gesetz berücksichtigt. Künftig wird der Deutsche Hausärzteverband im Beirat der gematik sitzen und kann darüber seine Kenntnisse einbringen, wie auch Selektivverträge an die Telematik-Infrastruktur angebunden werden können. Ebenso können Anwendungen, die innerhalb der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) entwickelt wurden, auch für andere Versorgungsformen nutzbar gemacht werden. Damit hat der Gesetzgeber ein weiteres Mal die zwischenzeitlich versorgungsrelevante besondere Bedeutung der HZV gewürdigt und gestärkt.
Fazit
Das E-Health-Gesetz enthält viele wichtige und richtige – teilweise aber auch längst überfällige – Neuregelungen, die für eine moderne und effiziente Gesundheitsversorgung dringend benötigt werden. Für Hausärzte sind dabei insbesondere die Neuerungen zum Medikationsplan, elektronischen Arztbrief, Videosprechstunde und zur systemneutralen Datenübertragung und -speicherung von Bedeutung. Die Anwendung „E-Rezept“ muss schnellstmöglich folgen.
Insoweit ist das Gesetz ein erster Schritt in die richtige Richtung und es bleibt zu hoffen, dass bereits jetzt mit der Weiterentwicklung des Gesetzes begonnen wird. Hierbei wird es entscheidend sein, wie die Verantwortlichen, allen voran die gematik und die Softwareanbieter, mit den gesetzlichen Neuregelungen umgehen werden. Zwar hält das Gesetz eine Vielzahl von Sanktionen bereit, vor allem was die fristgerechte Umsetzung der neuen Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte und des Aufbaus einer einheitlichen Telematik-Infrastruktur durch die gematik anbelangt. Doch steht nach den Erfahrungen der letzten Jahre zu befürchten, dass sich vieles wieder einmal verzögern wird.
Dann aber müssen nicht nur die Sanktionsinstrumente – und zwar gegenüber den Verantwortlichen und nicht zu Lasten der Ärzte und ihrer Patienten – konsequent genutzt, sondern die gesetzlichen Regelungen weiter „konkretisiert“ werden.