Seit kurzem führen Sie Ihre eigene Hausarztpraxis, was ist das für ein Gefühl?
Dr. Christian Fleischhauer: Das fühlt sich gut an, ich habe lange darauf hin gearbeitet -jetzt ist es Wirklichkeit. Ich habe eine eigene Praxis, bin mein eigener Chef, kann meine Ideen umsetzen und gestalten. Das macht Spaß. Manchmal kann ich es noch nicht richtig glauben. Wenn ich dann in der Früh in die Praxis gehe, fühlt es sich toll an. Im Prinzip ist es eine klassische Einzelpraxis, die ich von meiner Mutter übernommen habe, sie ist jetzt weiter bei mir angestellt. Für meine Mutter ist das übrigens auch sehr schön. Sie kann sich völlig auf ihre Patienten konzentrieren und das Organisatorische übernehme ich. Gerade heute hat sie mir erzählt, wie glücklich sie ist, dass alles so geklappt hat. Das freut mich auch sehr.
Sie kommen aus einer Arztfamilie. Was hat Ihr Bild vom Arztberuf geprägt?
Wenn man Arztfamilie hört, denken die meisten eher, die Eltern sagen: „Mach bloß nicht, was wir gemacht haben.“ (lacht) Meine Eltern waren clever. Sie haben mir freien Lauf gelassen. „Der Junge kann machen, was er möchte.“ Die Entscheidung fürs Medizinstudium war bei mir Interessengeleitet. Im Rettungsdienst konnte ich erste Erfahrungen mit Medizin sammeln. Das hat mich neugierig gemacht auf mehr. Ich wollte nicht nur wissen, was es ist, sondern warum.
War Arzt schon in jungen Jahren Ihr Traumberuf?
Als ich klein war, war ich ganz vernarrt in Tiere. Da hätte ich mir auch vorstellen können, etwas mit Pferden zu machen, vielleicht Tierarzt oder Jockey (lacht). Mit der Zeit hat sich das gewandelt. Ich bin noch zu DDR-Zeiten geboren, zur Wende war ich zwölf, danach haben mich meine Eltern viel auf Reisen mitgenommen. Damals habe ich auch mal mit einem Job als Pilot geliebäugelt.
Wie sind Sie zur Allgemeinmedizin gekommen? Wollten Sie sich immer niederlassen?
Nein, eigentlich wollte ich immer Notarzt werden. Während meines Zivildienstes war ich schon Rettungssanitäter und habe dann die Ausbildung zum Rettungsassistenten abgeschlossen. Nach einigen Jahren wollte ich aber etwas anderes machen und habe daher Medizin studiert. Dabei hatte ich immer den Gedanken, dass ich später als Notarzt im Rettungswagen oder Hubschrauber unterwegs bin. Nach dem Studium habe ich daher ein paar Jahre in der Anästhesie gearbeitet, auch meinen Notarztschein gemacht – also alles verwirklicht (schmunzelt). Aber die Tätigkeit war mir zu fern vom Patienten.
Da meine Mutter als Hausärztin mit eigener Praxis in Jena tätig war, bot sich die Möglichkeit, dort ein halbes Jahr mitzuarbeiten. So konnte ich herausfinden, ob es das Richtige für mich ist. Das war der ausschlaggebende Punkt. Mein Entschluss reifte und ich habe mich für das Weiterbildungsprogramm für Allgemeinmedizin an der Uni Jena beworben. Dort hatte ich die Chance, strukturiert verschiedene Fachbereiche zu durchlaufen, parallel am Lehrstuhl tätig zu sein und ein berufsbegleitendes MBA-Studium abzuschließen – ein guter Grundstein für die Niederlassung.
Was gefällt Ihnen an der Allgemeinmedizin?
Ausschlaggebend war, dass ich selbstständig arbeiten kann. Ich kann wählen, was ich in meiner Praxis anbiete. So habe ich jetzt in technische Praxisausstattung investiert wie ein Sonografiegerät, ein Langzeitblutdruckmessgerät oder auch ein Spirometer. Bei der Diagnostik habe ich also ziemlich freie Hand, wie ich meine Praxis gestalte. Der andere Punkt: Für mich hat Arzt-Sein ganz viel mit Begleitung der Patienten und Kommunikation zu tun. Also nicht nur die technische Seite, sondern sich mit Patienten unterhalten, ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Das gehört für mich zum Beruf dazu.
Wie möchten Sie als Hausarzt sein?
(überlegt) Ich möchte natürlich meinen Patienten nutzen. Ich möchte eine Vertrauensperson sein, meine Patienten sollen mit ihren Anliegen zu mir kommen können, wenn sie Probleme und Beschwerden haben. Das ist mir ganz wichtig! Außerdem sollen sie sich in der Praxis – bei mir und bei meinem Personal – gut aufgehoben fühlen, also dem vertrauen, was wir machen.
Nun haben Sie die Praxis übernommen. Was hat Sie am meisten geärgert?
Die meisten Nerven hat mich die Bürokratie gekostet. Das muss man leider sagen. Auch wenn ich vorher schon in Praxen gearbeitet habe, ist es doch ein komplettes Neuland. Man muss erst verstehen, was man alles wie organisieren muss. Zum Glück hat mir eine gute Steuerberaterin geholfen. Auch ein Jurist stand mir zur Seite für den Übernahmevertrag und alles, was da dran hängt. Aber man muss einfach wissen: Eine Übernahme – auch wenn sie in der Familie ist – muss mindestens ein halbes Jahr vorher geplant werden, mit dem Antrag, dem Zulassungsverfahren und allen rechtlichen Hintergründen, die man als „normaler Arzt“ manchmal nur schwer versteht. Jetzt geht es dann langsam darum, sich auch als Praxis zu präsentieren. Wir bauen gerade ein Qualitätsmanagement auf und arbeiten an einer eigenen Webseite für die Praxis.
Was war für Sie das schönste Erlebnis?
Am schönsten war der erste Tag in der eigenen Praxis! Der 7. Oktober. Als ich meinen ersten Patienten in Empfang nehmen konnte und ich wusste: Jetzt bin ich angekommen, alles hat geklappt. Außerdem war es immer schön, wenn man schließlich doch noch einen Weg gefunden hat, Dinge möglich zu machen, bei denen es erstmal hieß: „Das ist so nicht möglich“ oder „das haben wir noch nie gehört“.
Sie haben selbst eine kleine eigene Familie. Was sagt Ihr Sohn, wenn Papa endlich aus der Praxis nach Hause kommt?
Noch sagt er nicht so viel (lacht), er plappert gerade die ersten Worte nach. Aber wenn ich nach Hause komme, freut er sich riesig. Im Moment schaffe ich es leider noch nicht immer so pünktlich nach Hause, weil es vieles gibt, in das ich mich einarbeiten muss. Aber ich arbeite hart daran und bin guter Dinge, dass es besser wird und ich ihn mehr zu Gesicht bekomme!
Bevor man eine eigene Praxis gründet oder übernimmt, stellen sich viele Fragen. Allein oder mit Partner? Welches Profilbekommt die Praxis? Über wichtige Schritte vor der Niederlassung lesen Sie im nächsten Serienteil in "Der Hausarzt 5/2016".