Sie haben eine Niederlassung zum zweiten Mal erlebt. Was hat sich verändert?
Barbara F.: Als ich mich kurz nach der Wende niedergelassen habe, lief das unbürokratisch. In wenigen Tagen hatten wir alle Formalia zusammen. Heute ist es komplexer. Wer sich niederlassen will, braucht zeitlichen Vorlauf. Jeder Antrag ist an Fristen gekoppelt. Allein dafür sollte man ein halbes Jahr vor der Gründung einplanen.
Es gibt diverse Formen, wie man eine Praxis übergeben kann. Für welche haben Sie sich entschieden und warum?
Christian F.: Da es bei uns nur um einen Vertragsarztsitz ging, waren Gemeinschaftspraxis, Praxisgemeinschaft oder MVZ ausgeschlossen. Wir hätten also den Sitz hälftig teilen können, was aber sehr aufwändig ist. Daher haben wir entschieden, dass ich den Sitz übernehme und meine Mutter anstelle.
Barbara F.: Das war am einfachsten. Denn Jena ist ein gesperrtes Planungsgebiet und damit kein weiterer Kassenarztsitz frei. Außerdem passte es zu unseren persönlichen Vorstellungen.
Sie sind nun Angestellte statt Chefin. Wie fühlt sich das an?
Barbara F.: Für mich ist es optimal, weil wir uns sehr gut verstehen. Dass die Chemie zwischen den Partnern stimmt, ist bei einer Übergabe das Wichtigste. Ich genieße es, in geringerem Maße weiterzuarbeiten. Zudem kann ich Christian unterstützen, indem ich mich um meinen Enkel kümmere.
Es ist schön, wenn man als Eltern seinen "Beruf" an Kinder weitergeben kann.
Wie teilen Sie sich die Arbeit?
Barbara F.: Ich übernehme bestimmte Sprechstunden. Wenn viel los ist, helfe ich natürlich aus.
Welche Themen sollte man im Vorfeld miteinander klären?
Christian F.: Wichtig ist, dass beide offen miteinander sprechen, was sich jeder vorstellt. Zum Beispiel: Wie lange will der Abgeber noch arbeiten? Was will der Nachfolger verändern? Rechtlich muss man einiges klären: Der Übernahmevertrag regelt auch, wie Patientenakten oder Inventar übernommen werden. Außerdem habe ich geprüft, mit welchen Dienstleistern ich weiter zu welchen Konditionen zusammenarbeiten will – sei es für Labor, Wartung der Geräte oder Abrechnung.
Barbara F.: Wichtig ist, das Personal zu informieren. Vor der Übernahme muss man von Nachfolger wie Mitarbeitern die Zustimmung zur weiteren Beschäftigung einholen.
Mit der neuen Praxis kam eine neue Website, warum war Ihnen das wichtig?
Christian F.: Das ist ein Service für unsere Patienten. Wir stellen uns vor, informieren über unsere Leistungen, wichtige Telefonnummern für den Notfall und bieten an, Dauerrezepte oder regelmäßig nötige Überweisungen vorzubestellen.
Hinterher weiß man oft vieles besser: Ihr Rat für die Praxisübergabe?
Christian F.: Beide Partner sollten sich früh zusammensetzen, um sich kennen- zulernen, klare Vorstellungen und Strukturen zu entwickeln. Dabei sollten beide ehrlich sein, wenn man über Arbeitszeiten, Praxisspektrum, Preise und Kosten spricht. Außerdem sollte man sich professionelle Hilfe holen bei Steuerberater, Rechtsanwalt, Banken und der KV. Mit der Planung sollte man ein Jahr vorher anfangen.
Barbara F.: Es hilft, sich zu Beginn einen Überblick über alle Fristen zu verschaffen, das erleichtert die Abstimmung. Außerdem gehört es zur Fairness, dass man für den Nachfolger die Zahlen transparent macht. Nur so kann er sein mögliches Einkommen abschätzen, was auch für die Kreditbedingungen wichtig ist.
Christian F.: Neben der Zahl der Abrechnungsscheine, Umsatz, laufenden Kosten und Verträgen sollte man die Patientenklientel kennen – wie viele ältere/jüngere, GKV/PKV-Anteil, Zahl der Hausbesuche. So kann man das Arbeitspensum einschätzen.
Einen Einblick in die Praxis gibt Dr. Christian Fleischhauer auf www.jena-hausarzt.de
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Alle Serienteile auf: www.derhausarzt.eu
In der nächsten Folge: Wie viel ist eine Praxis wert? Und wie bestimmt man den Wert? Das beantworten wir in Der Hausarzt 16.