Geht es um die geplante Ausbildungsreform für Psychotherapeuten, sind sich ärztliche und psychotherapeutische Verbände zumindest in diesem Punkt einig: Die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Reform sieht eine strukturelle Angleichung der Ausbildung zum Medizinstudium vor. Doch was die einen, nämlich die Therapeuten, freut, ruft bei einigen ärztlichen Vertretern Bedenken hervor. Sie fürchten, dass bisher Ärzten vorbehaltene Aufgaben an Psychotherapeuten übertragen werden, die künftig dann als „Parallelmediziner“ in die Versorgung eingreifen könnten.
Bis jetzt gibt es nur einen Arbeitsentwurf des geplanten Gesetzes, der wie üblich im parlamentarischen Verfahren sicherlich noch Veränderungen erfahren wird. Er gelangte kürzlich an die Öffentlichkeit, das Ministerium kommen tiert ihn erwartungsgemäß nicht. Grundsätzlich würde das Gesetz den neuen Studiengang Psychotherapie schaffen, laut Entwurf soll es zwischen 2.300 und 2.500 Studienplätze geben.
Nach fünf Jahren würde der Studiengang mit der Approbation enden und dann eine postgraduale Weiterbildung folgen. Abschließen würde diese mit der Fachkunde Fachpsychotherapeut für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche. Im Unterschied zu jetzt würde die Approbation also bereits nach dem Studium und nicht erst mit der Fachkunde vergeben. Zudem würde die Aus- zur Weiterbildung, mit sozialrechtlichen Folgen. Weiterzubildende müssten dann bezahlt werden und nicht wie bisher selbst für die Ausbildung aufkommen.
Definition „Psychotherapie“ soll erweitert werden
Die Approbation würde es Psychotherapeuten sehr viel früher ermöglichen, in die Versorgung einzusteigen, auch wenn für die Behandlung von GKV-Versicherten und die Kammeranerkennung weiterhin die Fachkunde nötig wäre. In Kliniken aber könnten approbierte Psychotherapeuten sofort nach Studienende tätig werden, ihre Leistungen dann auch über die Kassen abgerechnet werden.
Und, so die Befürchtung vieler Ärzte: Es könnte versucht werden, frisch Approbierte in anderen Bereichen des Gesundheitswesens zur Steuerung der Versorgung und als sprechende Mediziner einzusetzen. Grund ist eine im Gesetzentwurf deutlich ausgeweitete Defi nition der Psychotherapie. So heißt es beispielsweise im ersten Paragrafen, dass Psychotherapie „jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit“ sei, im jetzigen Gesetz steht an dieser Stelle noch „ jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit“. Und weiter hinten, in den Regelungen zum Ausbildungsziel, zählen zur psychotherapeutischen Versorgung „psychotherapeutische, präventive und rehabilitative Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, die der Feststellung, Erhaltung, Förderung oder Wiedererlangung der psychischen und physischen Gesundheit“ dienten. Nicht zuletzt ist im Entwurf von einem Modellstudiengang die Rede, der Therapeuten unter anderem die Verordnung psychopharmakologischer Maßnahmen ermöglichen soll. Psychotherapie würde damit viel zu weit ausgelegt, fürchten Kritiker. Die Delegierten des Deutschen Hausärztetags lehnten die geplante Reform fast einhellig ab (S. 25). Auch beim Spitzen verband Fachärzte ist man entsetzt: Es werde ein „medizinparalleles Versorgungssystem etabliert“, erklärt man dort auf Anfrage. Approbierter Psychotherapeut sei man künftig, ohne ein anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren zu beherrschen – ganz im Gegensatz zu ärztlichen Psychotherapeuten. Therapeuten wollen beruhigen Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) indes vermutet vor allem Missverständnisse bei den Kritikern. Selbstverständlich, betont die DPtV-Bundesvorsitzende Barbara Lubisch, sei mit der zur Niederlassung verpfl ichtenden Fachkunde sichergestellt, dass Therapeuten ein psychotherapeutisches Verfahren gelernt hätten. „Es ist für uns nicht denkbar, dass die Berufsausbildung mit der Approbation aufhört“, betont Lubisch. Die ergänzende Weiterbildung sei unabdingbar, geplante Regelungen des neuen Gesetzes sind hier aber noch nicht bekannt. Lubisch schwebt ein deutlicher Schwerpunkt der Weiterbildung im ambulanten Bereich vor. Beim Modellstudiengang allerdings gibt der DPtV den Kritikern Recht. „Wir wissen nicht, wie das in den Entwurf gekommen ist“, so Lubisch. Sie gehe davon aus, dass der kommende Bundespsychotherapeutentag im November in Berlin diesen Passus des Arbeitsentwurfs „mit breiter Mehrheit ablehnen werde“, so Lubisch weiter. „Die Vorbehalte der Ärzte können wir an dieser Stelle verstehen.“
Kommentar
von Vincent Jörres, Pressesprecher des Deutschen Hausärzteverbandes:
Kompetenzen klar abgrenzen
Die Politik will die Ausbildung von Psychotherapeuten vom Kopf auf die Füße stellen. Die Zugangsvoraussetzungen sollen vereinheitlicht werden, ein neuer Studiengang eingeführt und eine Weiterbildung wie bei den Ärzten etabliert werden. Es geht um mehr Struktur und verbindlichere Qualitätsstandards. Dagegen kann ja eigentlich niemand etwas haben – trotzdem regt sich in der Ärzteschaft Widerstand. Zu Unrecht? So einfach ist es nicht!
Grundsätzlich ist natürlich gegen eine solche Ausbildungsreform nichts zu sagen. Es muss aber auch ganz klar sein, wo die Kompetenzen der Psychotherapeuten aufhören und wo die (haus)ärztlichen anfangen! Was mit Sicherheit niemand braucht, ist eine Art „Hausarzt für die Seele“, der nach und nach (hausärztliche) Aufgaben für sich beansprucht und dabei die Versorgung der Patienten eher chaotischer macht als sie zu verbessern.
Dass es durchaus immer mal wieder Gedankenspiele gibt, ärztliche Aufgaben auszulagern, lässt sich mit Blick auf den Arbeitsentwurf nicht von der Hand weisen. Hier ist zum Beispiel die Rede davon, dass Psychotherapeuten in Zukunft mehr Verantwortung bei der Verschreibung von Medikamenten übernehmen könnten – ein absolutes No-Go!
Hausärztinnen und Hausärzte haben, im Sinne ihrer Patienten, ein Interesse an top ausgebildeten Psychotherapeuten. Was allerdings niemand wollen kann, ist eine weitere Zerstückelung der Versorgung. Angst brauchen die Hausärzte vor einer solchen Reform nicht zu haben, dafür sind ihre Kompetenzen schlichtweg zu unverzichtbar. Aber aufmerksam sollten sie schon sein!