Liebe Leserinnen, liebe Leser,
man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Digitalisierung (auch) im Gesundheitswesen eine der großen Aufgaben der neuen Bundesregierung werden wird. Das E-Health-Gesetz hat in der vergangenen Legislatur bereits erste Schritte Richtung Telemedizin unternommen. Eines der Vorzeigeprojekte sollte die Videosprechstunde für Ärzte und Patienten sein. Fast ein Jahr nach dem Start fällt die erste Zwischenbilanz allerdings eher ernüchternd aus (S. 18f).
Zwar gibt es noch keine offiziellen Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, allerdings gibt eine Umfrage der Stiftung Gesundheit unter 215 Ärzten einen Einblick [1]: Demnach setzen nur 4,5 Prozent der Niedergelassenen die Videosprechstunde ein oder bereiten dies vor. Vorschnell werden Ärzte daher gerne als "Technik-Muffel" abgestempelt. Die Diskussion der Ursachen kommt in der Öffentlichkeit dabei meist zu kurz: Beim Beispiel Videosprechstunde hakt es etwa aufgrund der Vorschriften, die in der Praxis nicht praktikabel sind. Bei anderen Anwendungen wie dem Aufbau der einheitlichen Telematik-Infrastruktur kommen die Anbieter nur schleppend voran, Ärzten überhaupt die nötige Technik bereitzustellen. Und in so einigen Regionen liegen die Gründe auch außerhalb des Gesundheitswesens: Es fehlt schlichtweg eine schnelle Internetverbindung.
Trotzdem begreifen viele Ärzte Telemedizin als Chance und sehen zahlreiche Anwendungsfelder [2]. So mancher Patient müsste dank Videosprechstunde nicht mehr in die Praxis kommen. Ärzte würden von Fahrten zu Routine-Hausbesuchen entlastet, da die dafür qualifizierte MFA den Patienten zuhause aufsucht, Werte in die Praxis schickt und bei Rückfragen den Hausarzt zuschaltet. Telekonsile könnten den Austausch zwischen Fachärzten erleichtern – und Patienten auf dem Land würden so schneller, wenn nötig, eine Meinung des Spezialisten bekommen (S. 22).
Eines haben diese vielen Ansätze gemeinsam: Telemedizin kann nur im Team gelingen. Sei es das Team "Arzt – Patient": Beide müssen die Technik beherrschen. Sei es das Team "Arzt – MFA": Die Praxisorganisation kann das Team nur gemeinsam ändern. Sei es das Team "Arzt – Arzt": Prozesse, Technik und Arbeitsweisen muss man abstimmen, bevor man ein gemeinsames Telekonsil anbietet. Sei es aber auch das Team "Gesundheitsberufe – Gesetzgeber": Damit einstige Vorzeigeprojekte wie die Videosprechstunde auch in der Realität gelebt werden, muss der Gesetzgeber den entsprechenden Rahmen schaffen – und die Selbstverwaltung diesen praktikabel ausgestalten.
Es grüßt Sie herzlich Ihre
Johanna Dielmann-von Berg, stellv. Chefredakteurin "Der Hausarzt"
Quelle:
- Stiftung Gesundheit "Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2017"
- Waschkau A, Allner R, Fischer S, Steinhäuser J. Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der Kommunikation. DOI: 10.3238/zfa.2018.0017-0021