"Telemedizin ersetzt keinen Arzt", sagt Allgemeinmediziner Dr. Thomas Maurer, sie könne aber helfen, die Versorgung von Patienten in ländlichen Regionen zu erleichtern. An Telemedizin knüpfen auch Patienten viele Hoffnungen, haben Landfrauenverband und Ärztekammer in Schleswig-Holstein erfahren. Seit 2016 touren sie durchs Land, um sich mit der Landbevölkerung über Digitalisierung auszutauschen. Auch Maurer, Vorsitzender des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein, war immer wieder mit von der Partie.
Was wünschen sich Patienten?
"Unsere Patienten wollen uns als ihren Ansprechpartner behalten", berichtet er. Sie wollen aber auch, dass ihr Arzt alle Befunde kennt. "Für viele ist es unerklärlich, dass ich im Computer nicht sehen kann, welche Werte der Spezialist oder das Krankenhaus erhoben hat", sagt Maurer. Aus seiner Sicht stünden Patienten dem Datenaustausch zwischen den Behandlern wie in einer elektronischen Patientenakte meist positiv gegenüber. "Außerdem wünschen sich gerade unsere Patienten auf dem Land schnelle Termine beim Spezialisten."
Ob diese Erwartungen der Realität standhalten können, soll sich nun zeigen: Hier im Norden zwischen Dänemark und Elbe plant der Hausärzteverband Schleswig-Holstein mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Uni Lübeck und der Techniker Krankenkasse derzeit ein Modellprojekt. Das Ziel: Patienten mit Augenerkrankungen sollen besser versorgt werden. Gelingen soll das mithilfe eines Telekonsils – also eine Videosprechstunde unter Ärzten. Neben vier Hausarztpraxen nimmt eine große Augenarztpraxis am Projekt teil.
Telekonsil mit dem Augenarzt
In den jeweiligen Praxisplanern blocken Hausärzte wie Augenarzt Termine für das Telekonsil. Der Hausarzt bestellt seine Patienten, die die Meinung des Spezialisten brauchen, zu sich in die Praxis. Den Augenarzt schaltet er dann per Video zu. "Wenn nötig, kann der Hausarzt als ‚verlängerter Arm’ des Augenarztes agieren, sollte dieser zum Beispiel noch einen genaueren Blick aufs Auge werfen wollen oder eine ergänzende Untersuchung brauchen", erklärt Maurer, die dafür nötigen Instrumente werden beim Hausarzt hinterlegt. Die Entscheidung über die Therapie treffen die Ärzte mit dem Patienten gemeinsam, die Umsetzung läuft allein in der Hausarztpraxis. "Dieses Vorgehen stärkt uns Hausärzte als zentrale Ansprechpartner für den Patienten vor Ort", betont Maurer. "Andererseits werden unsere Patienten schneller vom Augenarzt gesehen. Und: Der Augenarzt kann durch das Telekonsil mehr Patienten betreuen als in einer regulären Sprechstunde – er wird nur kurz zugeschaltet, Anamnese und Therapieumsetzung finden überwiegend beim Hausarzt statt." Im zweiten Quartal soll der Probebetrieb starten.
Neben dem Telekonsil kann sich Maurer weitere Anwendungen für Telemedizin vorstellen. "Einige Patienten sind an ihr Zuhause gebunden. Hier kann eine dafür ausgebildete MFA wie die VERAH den Routine-Hausbesuch übernehmen, die Werte in die Praxis schicken und sich mit mir per Video beraten, wenn nötig", so Maurer. Erfolgreich setzt das das Pilotprojekt Tele-Arzt um, das Landarzt Thomas Aßmann mit vitaphone ins Leben gerufen hat und der Deutsche Hausärzteverband unterstützt.
Eine weitere Option: Patienten monitoren ihre Werte bei Diabetes und Hypertonie selbst. Dies sieht Maurer aber skeptisch, Patienten müssten dafür gut geschult werden. Das größere Problem sei aber, wer wann die Werte kontrolliert. "Es darf nicht dazu führen, dass wir rund um die Uhr im Einsatz sein müssen", sagt er. Im Gegenteil: "Telemedizin ist sinnvoll, wenn sie einen Zusatznutzen hat, etwa indem wir ärztliche Zeit besser nutzen."