Berlin. Der Polio-Impfschutz ist bei vielen Kindern in Deutschland schlecht. “Obwohl die Grundimmunisierung (aus 3 Impfstoffdosen) bis zu einem Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte, sind im Alter von zwölf Monaten nur 21 Prozent der Kinder vollständig geimpft”, teilte die Ständige Impfkommission (STIKO) in einer Stellungnahme mit. Jüngst waren Polioviren im Abwasser mehrerer großer deutscher Städte entdeckt worden.
Versäumte Impfungen werden zwar oft nachgeholt, trotzdem haben den Fachleuten zufolge nur 77 Prozent der Kinder in einem Alter von zwei Jahren einen vollständigen Impfschutz. Im Einschulungsalter von sechs Jahren hätten 88 Prozent den vollständigen Schutz. Ziel sei eine Impfquote von mindestens 95 Prozent bis zum Ende des ersten Lebensjahres.
Laut STIKO bestehen große regionale Unterschiede im Polioimpfschutz, mit Impfquoten von weniger als 60 Prozent im Alter von 2 Jahren in manchen Landkreisen. Zu den Bundesländern mit den höchsten Polioimpfquoten im Alter von 24 Monaten (vollständiger Impfschutz) gehören Niedersachsen (82 Prozent), Schleswig-Holstein (81 Prozent) und Hamburg (81 Prozent). Die niedrigsten Polioimpfquoten in diesem Alter weisen Baden-Württemberg (69 Prozent), Sachsen (72 Prozent) und Bremen (74 Prozent) auf. Fakt ist aber auch: Kein Bundesland erreicht eine Impfquote von 90 Prozent oder mehr.
Die Stiko empfiehlt daher: “Ärztinnen und Ärzte und anderes medizinisches Personal sollten jeden Kontakt mit ihren Patientinnen und Patienten nutzen, um den Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls Impfungen nachzuholen.”
Impflücken müssten schnellstens und altersgerecht geschlossen werden, insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern und Vorschulkindern sowie zusätzlich auch in Regionen mit besonders niedriger Impfquote bei älteren Kindern. Das Impfquoten-Dashboard „VacMap“ des RKI stellt die Impflücken nach Alter und Landkreis dar und kann dabei helfen, entsprechend Impfmaßnahmen zu planen.
Versäumte Impfung “schnellstmöglich nachholen”
Im Abwasser aus Klärwerken in München, Bonn, Köln, Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz sind im Oktober und November Polioviren nachgewiesen worden (“Der Hausarzt” berichtete). Bei den Erregern handelt es sich laut Robert Koch-Institut (RKI) nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit lebend-attenuierten Polio-Erregern zurückgehen.
Angesichts der aktuellen Impfquoten und der vom Schluckimpfstoff abgeleiteten Polioviren besteht laut RKI die Möglichkeit, dass in Deutschland Infektionsketten in der Bevölkerung nachgewiesen werden und auch wieder Menschen an Polio erkranken.
Quelle: dpa/red