In beiden aktualisierten Leitlinien zum Typ-1-Diabetes wird den raschen Fortschritten bei der Entwicklung technischer Neuerungen Rechnung getragen. Besonders Glukosesensoren und automatische Insulin-Dosiersysteme (AID) wurden in den letzten Jahren so schnell weiterentwickelt, dass Langzeitdaten zum Outcome noch nicht vorliegen können. Dennoch sehen die Leitlinienverantwortlichen die Vorteile dieser Therapieoptionen als belegt an.
Eine kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mit Warnfunktion bei Hypo- und Hyperglykämie ist mittlerweile Standard.
Zur sicheren Diagnostik eines Typ-1-Diabetes in Abgrenzung zum Typ-2-Diabetes gibt die Therapie-Leitlinie zwar Empfehlungen, aber keine klare Richtschnur vor. Grundsätzlich wird in der Leitlinie aber die Bestimmung von Autoantikörpern in Kombination mit einer nachgewiesenen Hyperglykämie als diagnostisch für einen autoimmunen Typ-1-Diabetes angesehen.
Bei fehlenden Autoantikörpern mit nachgewiesener Hyperglykämie soll der Typ-1-Diabetes als idiopathisch klassifiziert werden. Die Bestimmung von Inselzellantikörpern wird nicht mehr empfohlen.
Autoantikörper bestimmen
Laut eines Consensus-Reports der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) kann kein einzelnes klinisches Merkmal einen Typ-1-Diabetes bestätigen. Am ehesten prädiktiv ist folgende Kombination: Alter < 35 Jahre, BMI < 25 kg/m2, unbeabsichtigter Gewichtsverlust, Ketoazidose und Glukose > 20 mmol/l (> 360 mg/dl).
Es wird auch in dieser Publikation empfohlen, bei klinischem Verdacht auf Typ-1-Diabetes die Autoantikörper zu bestimmen und bei Nachweis von mindestens einem Autoantikörper die Diagnose Typ-1-Diabetes zu stellen. Der Antikörpernachweis ist hoch prädiktiv für die rasche Progression zum schweren Insulinmangel, auch wenn zunächst noch kein Insulinbedarf besteht.
Zielwerte individuell festlegen
Bei der Therapie des Typ-1-Diabetes sollen bestimmte Zielwerte individuell mit den Betroffenen abgestimmt werden. Besonders der HbA1c-Zielwert sollte im Verlauf immer wieder diskutiert und ggf. angepasst werden. Eine Absenkung des HbA1c-Wertes im höheren HbA1c-Bereich ist mit einer sehr viel stärkeren Reduktion des Risikos für Folgeerkrankungen verbunden als im niedrigen HbA1c-Bereich. Der Nutzen eines HbA1c-Ziels unter 7,0 Prozent (53 mmol/mol) ist nur noch gering. Zielwerte unter 6,5 Prozent erhöhen das Risiko für Hypoglykämien.
Zur täglichen Selbststeuerung der Insulindosis gelten folgende Glukosezielwerte als angemessen, die allerdings ggf. individuell abgesprochen werden sollten: Glukose nüchtern bzw. präprandial: Im Mittel 80–130 mg/dl (4,4–7,2 mmol/l) sowie Glukose postprandial: im Mittel ≤ 180 mg/dl (10,0 mmol/l). Als weitere Messgröße zum Erreichen von Therapiezielen gilt beim kontinuierlichen Glukosemonitoring die Time in Range, also der Anteil der Glukosewerte im Zielbereich.
Strukturierte Schulungen anbieten
Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung der Insulintherapie ist eine strukturierte Schulung, besonders bei Kindern und Jugendlichen auch für Angehörige und Bezugspersonen. Wichtig ist auch die Teilnahme an Refresher-Schulungen, Ergänzungsschulungen und problemspezifischen Schulungen.
Patientinnen und Patienten (bzw. deren Bezugspersonen) sollten die Menge aufgenommener Kohlenhydrate auf eine Kohlenhydrateinheit (KE) (10 g) genau pro Mahlzeit richtig abschätzen können. Individuelle postprandiale Glukoseverläufe sollten bekannt sein. Wiederholtes Testen einer standardisierten Mahlzeit kann idealerweise über ein CGM durchgeführt werden.
Individuelles Testen der glykämischen Antwort (durch Glukose-Selbstkontrollen) auf die präferierten Lebensmittel und Mahlzeiten ist wichtig für eine individuelle prandiale Insulinapplikation. Es besteht aber keine Evidenz, dass zur Erreichung von Therapiezielen grundsätzlich Kohlenhydratträger mit niedrigem glykämischem Index bevorzugt werden sollten.
Laut Leitlinie soll eine mediterrane Diät empfohlen werden. Die diabetologische Einstellung bei Erwachsenen bei Erstdiagnose sollte in Zusammenarbeit mit einer dia-betologischen Praxis erfolgen. Kinder und Jugendliche sollten in pädiatrischen diabetologischen Einrichtungen behandelt werden.