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ExpertengesprächEisen wird nicht nur fürs Blut benötigt

Auch wenn das Hämoglobin noch im Normbereich liegt, kann schon ein Eisenmangel bestehen. Was man bei der Substitution beachten muss, erläutert Professorin Gesine Weckmann im Expertengespräch.

Das Eiweiß Ferritin speichert in seinem Eisenoxidkern das Eisen

Welche Symptome sollten in der hausärztlichen Praxis an einen Eisenmangel denken lassen?

Häufig entdeckt man einen Eisenmangel per Zufall, etwa über ein routinemäßig erstelltes kleines Blutbild. Bei Hämoglobinwerten über 8,4 mmol/l (13,5 g/dL) ist das Risiko für einen Eisenmangel gering. Frauen können aber schon bei Werten im unteren Normbereich einen subklinischen Eisenmangel haben.

Welche Rolle spielt das unspezifische Symptom „Müdigkeit“ bei Anämie beziehungsweise Eisenmangel?

Klagen Patienten über Müdigkeit oder Nachlassen der Leistungsfähigkeit, denkt man in der Tat sehr oft an eine Anämie. Wir haben aber in einer Studie herausgefunden, dass Müdigkeit viel stärker mit Depression oder Angst und dass Kurzatmigkeit am ehesten mit kardiopulmonalen Erkrankungen assoziiert ist.

Daher sollte man in der Praxis bei solchen Symptomen nicht nur einen Eisenmangel ausschließen, sondern auch auf das psychische Befinden und die Funktion von Herz und Lungen achten. Auch Medikamente wie zum Beispiel Antihistaminika können Müdigkeit verursachen.

Auf das klassische Symptom „Blässe“ kann man sich heute kaum noch verlassen, weil immer mehr Menschen eine Tönungsgrundlage („Foundation“) im Gesicht anwenden.

Wie klärt man bei niedrigem Hämoglobin, ob ein Eisenmangel die Ursache ist?

Wenn sich die Anämie plausibel erklären lässt und keine Hinweise auf innere Blutungen oder chronische Erkrankungen vorliegen, kann man in einigen Situationen ohne weitere Abklärung von einem Eisenmangel ausgehen. Beispiel: eine gesunde junge Frau mit starken Monatsblutungen.

Das gleiche gilt, wenn sich Patienten weitgehend ohne Fleisch oder vegan ernähren. Voraussetzung ist natürlich, dass eine Verlaufskontrolle erfolgt, die zeigt, dass sich der Hämoglobinwert nach Substitution rasch normalisiert.

Welche Tests sind nötig, wenn es? keine plausible Erklärung für einen Eisenmangel gibt?

Dann geht es im hausärztlichen Bereich in erster Linie um das Erkennen einer „Anämie bei chronischer Erkrankung“. Das ist eine Anämie, die mit entzündlichen Prozessen im Körper einhergeht. Damit sind aber nicht nur Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder chronische entzündliche Darmerkrankungen gemeint, sondern auch chronische Niereninsuffizienz, Diabetes oder Tumorerkrankungen.

Liegen mittleres Erythrozytenvolumen (MCV), Serumeisen und Ferritin eindeutig unter der Normgrenze, spricht das für eine Eisenmangelanämie. Da das Ferritin zu den Akute-Phase-Proteinen gehört, kann sein Wert bei Vorliegen einer Entzündung trotz eines Eisenmangels normal sein, das heißt der Eisenmangel ist maskiert. Hier helfen Entzündungsparameter wie das C-reaktive Protein (CRP) oder die Blutsenkung (BSG) sowie das Transferrin bei der Differenzierung.

Sind MCV, Serumeisen und Transferrin verringert und gleichzeitig CRP beziehungsweise BSG erhöht, handelt es sich wahrscheinlich um eine Anämie bei chronischer Erkrankung, insbesondere wenn das Ferritin über 100 ng/ml liegt.

Nicht vergessen werden darf, dass eine Anämie bei chronischer Erkrankung nicht nur bei älteren Menschen vorkommt, sondern Infektionen auch bei Kindern oft schnell eine Anämie verursachen. Der Begriff „Anämie bei chronischer Erkrankung“ ist daher etwas unglücklich gewählt.

Welche Patientengruppen haben ein erhöhtes Risiko für einen Eisenmangel?

Ältere Menschen, vor allem wenn die Mobilität eingeschränkt ist, ernähren sich oft einseitig, das heißt sie essen wenig bis kein Fleisch und leben oft fast nur von Brot. Dazu kommt, dass die enterale Eisenresorption im Alter häufig beeinträchtigt ist. Bei älteren Patienten sollte man daher generell das Eisen im Auge behalten und auch auf das Vitamin B12 achten.

Aufnahme und Verwertung von Eisen sind ferner bei chronischen Entzündungen verringert. Schuld daran ist unter anderem das noch gar nicht so lange bekannte Entzündungsprotein Hepcidin.

Eine weitere wichtige Ursache für Eisenmangel ist die Menstruation, insbesondere wenn die Blutungen stark sind. Auch nach Einsetzen eines Magenballons zur Gewichtsreduktion besteht das Risiko für einen Eisenmangel. Einseitige Diäten können ebenfalls zu Eisenmangel führen. Generell muss man bei Menschen mit vegetarischer oder noch mehr veganer Ernährung auf einen Eisenmangel achten.

Ein Risiko haben ferner Kinder, wenn sie „schlechte Esser“ sind oder Stillkinder, deren Mutter sich vegetarisch beziehungsweise vegan ernährt.

An welche Red Flags muss man denken, wenn ein Eisenmangel bestätigt ist?

Da sind in erster Linie gastrointestinale Blutungen sowie ein malignes Geschehen zu nennen, insbesondere bei Menschen ab etwa 50 Jahren.

Wie geht man bei der Substitution von Eisen vor?

Das hängt unter anderem vom Schweregrad des Eisenmangels und der resultierenden klinischen Situation ab. Bei einem leichten Eisenmangel ohne gravierende Beschwerden beginne ich meistens mit einer Ernährungsberatung. Ich erkläre die Bedeutung von Fleisch für die Eisenversorgung und dass die Eisenaufnahme durch bestimmte pflanzliche Nahrungsbestandteile sowie insbesondere Tee und Kaffee beeinträchtigt wird.

Soll zusätzlich Eisen gegeben werden, empfehlen die Leitlinien möglichst eine orale Substitution. Wenn orales Eisen zu Übelkeit, Verstopfung oder auch Durchfall führt, kann es sinnvoll sein, niedrig zu dosieren und das Mittel vielleicht nur alle zwei oder drei Tage zu nehmen. Das Auffüllen der Eisenspeicher dauert dann aber länger.

Wann kommt die parenterale Eisengabe infrage?

Die parenterale Eisensubstitution ist gemäß den Leitlinien lediglich bei schweren und nicht behandelbaren Resorptionsstörungen indiziert, wenn der Nutzen das Risiko überwiegt. Ich empfehle in solchen Fällen zu überlegen, ob man die Patienten dafür an Spezialisten überweist.

Welche Zeitabstände sind für eine Erfolgskontrolle einer Eisensubstitution sinnvoll?

Nach ausschließlicher Ernährungsberatung sowie bei einer niedrig dosierten oralen Gabe ist es nach acht bis zwölf Wochen sinnvoll, das Hämoglobin zu messen. Gibt man höhere Dosen, nach vier bis sechs Wochen. Wenn sich die Situation rasch bessern muss, kann man nach einer Woche prüfen, ob die Retikulozyten steigen.

Wichtig ist, dass man die Eisengabe nach Erreichen eines normalen Hämoglobinspiegels für ein paar Wochen bis Monate fortsetzt, damit sich die Eisenspeicher im Körper komplett auffüllen können. Das lässt sich durch Kontrolle des Ferritins nach drei Monaten überprüfen.

Eisen wird nicht nur für die Blutbildung benötigt, sondern auch für die Muskelfunktion, das Immunsystem und viele Enzyme. So manche chronische Infektion mit Candida sistiert, wenn die Eisenspeicher wieder aufgefüllt sind.

Was ist vor einer Eisengabe im Einzelfall noch abzuklären, wann ist Eisen kontraindiziert?

Bei einer Anämie durch starke Menstruation sollte man immer das Von-Willebrand-Syndrom im Hinterkopf haben, von dem rund ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist. Hinweise sind eine Neigung zu blauen Flecken, häufiges Zahnfleischbluten oder eben starke Menstruationsblutungen.

Bei Menschen, die aus dem Mittelmeerraum und Asien stammen, kann eine Thalassämie vorliegen, vor allem wenn das Hämoglobin unter Eisengabe nicht steigt. Bei dieser und anderen Eisenverwertungsstörungen droht durch die Substitution von Eisen eine gefährliche Eisenüberladung des Körpers, insbesondere der Leber.

Diese Menschen weisen oft eine scheinbar schöne Bräunung der Haut auf, die durch eine massive Eiseneinlagerung bedingt ist. Bei Verdacht sollte in Absprache mit der Hämatologie weitere Diagnostik erfolgen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mögliche Interessenkonflikte: Weder Autor noch Interviewpartnerin haben welche deklariert.

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