© privat Dr. med. Markus Koch ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Chefarzt der KJF Alpenklinik Santa Maria in Bad Hindelang-Oberjoch.
Andrerseits profitieren die Patienten in dieser Höhe bereits von den positiven Auswirkungen des Hochgebirgsklimas, die etwa durch den niedrigeren Luftdruck, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit zustande kommen.
Wodurch ist die Luft in dieser Höhe sonst noch gekennzeichnet?
Durch die Höhenlage (1.200 Meter) besteht am Standort unserer Klinik in Bad Hindelang-Oberjoch in den Allgäuer Bergen praktisch eine Hausstaubmilben-Freiheit. Daneben ist die Pollenbelastung durch das spätere Einsetzen des Pollenflugs für die meisten Allergene deutlich geringer als in der Tallage.
Wir haben eine Pollenfalle, die wir regelmäßig auswerten; die Ergebnisse kann man im Internet einsehen. Drittens ist die Luftqualität sehr gut, da die Luftverschmutzung selbstverständlich geringer ist als in großen Städten. Stickoxide zum Beispiel sind bei uns kaum messbar.
Inwiefern können Asthma-Patienten von einem Aufenthalt im Hochgebirge profitieren?
Durch die Allergenkarenz merken die Patienten rasch, dass ihre Symptome milder werden – auch ohne eine Therapieänderung. Das Klima und die Luft-Parameter haben verschiedene physiologische Auswirkungen, die in vielen Studien gemessen werden konnten – zum Beispiel eine Reduktion der Interleukine IL13 und IL 10 bei Kindern bereits nach drei Wochen Aufenthalt.
Bei einer Rehabilitation kommen neben der klimatischen Veränderung natürlich noch weitere Mechanismen zum Tragen, etwa eine optimierte medizinisch-therapeutische Versorgung, Schulungen sowie die pädagogische und schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen, bei denen aus gesundheitlichen Gründen Versäumnisse entstanden sind.
Oft hat auch der Abstand vom Alltag sowie die Möglichkeit, in der Natur aktiv zu sein und Stress abzubauen, eine gesundheitsfördernde Funktion. Wichtig ist zudem der Austausch mit anderen Betroffenen. All das schafft Entlastung und Ressourcen für die Krankheitsbewältigung zu Hause.
Laut Positionspapier der EAACI (s. Kasten) ist eine Hochgebirgstherapie für Patienten geeignet, deren Asthma trotz maximaler leitliniengemäßer Therapie anhaltend unkontrolliert ist.
Aus meiner Sicht ist eine Reha im Hochgebirge nicht unbedingt nur bei Therapieversagen indiziert. Bei vielen der von uns behandelten Patienten wünschen sich die Eltern einfach eine Stabilisierung oder möchten die Steroide absetzen oder reduzieren.
Wir empfehlen die Rehabilitation also nicht nur bei schwerstem Asthma, sondern bei Asthma unterschiedlichen Grades, weil wir oft eine Reduktion der antiinflammatorischen Medikation vornehmen können.
Gibt es auch Kontraindikationen für eine Hochgebirgstherapie?
Nur bei massivsten kardialen oder pulmonalen Problemen muss vorab geprüft werden, ob ein längerfristiger Aufenthalt in moderaten Höhen förderlich ist. Die gelegentlich fehlende Kondition und Belastbarkeit im Gelände kann meist während der Reha erworben werden.
Wie lange sollte der Aufenthalt dauern? Und nützt ein einmaliger Aufenthalt auch langfristig?
Nach drei Wochen sieht man schon Erfolge, es ist also kein mehrmonatiger Aufenthalt nötig. Von der Allergenkarenz profitiert man unter Umständen während der kompletten Saison. Wenn man die durch die Entzündung verursachten Umbauprozesse in den Bronchien verlangsamen oder stoppen kann, gewinnen die Patienten darüber hinaus langfristig, auch wenn man nach zwei Jahren keine messbaren Veränderungen mehr findet.
Spielt es eine Rolle, zu welcher Jahreszeit die Reha stattfindet?
Die Wahl der Jahreszeit spielt eine große Rolle, weil sich so die Allergen-Belastung gezielt reduzieren lässt. Durch unsere Pollenfalle können wir feststellen, wann die Allergene unterwegs sind; der Aufenthalt kann dann entsprechend geplant werden. Für Menschen mit Milbenallergie eignen sich Herbst und Winter am besten, weil sie zu dieser Zeit die meisten Beschwerden haben.
Bei welchen anderen Erkrankungen kann eine Hochgebirgstherapie helfen?
Sinnvoll ist sie etwa bei allergischer Rhinitis, allergisch bedingter Urtikaria oder Neurodermitis. Das Klima in Bad Hindelang-Oberjoch bietet ideale Voraussetzungen für die Therapie von Allergien, Atemwegs-, Stoffwechsel- und Hauterkrankungen. Wir behandeln zurzeit auch Patienten mit Post-Covid-Belastungsproblemen, diese sind bei Kindern aber sehr selten.
Positionspapier der EAACI
Die European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) hat kürzlich ein Positionspapier zur Hochgebirgstherapie (alpine altitude climate treatment, AACT) bei Asthma veröffentlicht. AACT ist demnach unabhängig vom Asthma-Phänotyp eine wertvolle Therapieoption für Patienten, deren Erkrankung trotz der medizinischen Fortschritte und einer leitliniengerechten Therapie nicht optimal kontrollierbar ist.
Laut EAACI induzieren der niedrige Luft- und Sauerstoffpartialdruck und die geringe Luftdichte, die relativ niedrige Temperatur und Feuchtigkeit sowie die erhöhte UV-Strahlung in moderater Höhe verschiedene physiologische und immunologische Anpassungsreaktionen. Zu den Charakteristika des alpinen Klimas zählen zudem reduzierte Aeroallergene wie Hausstaubmilben, Pollen und Pilze sowie weniger Luftverschmutzung.
Diese kombinierten Faktoren scheinen immunmodulatorische Effekte zu haben, die bei Patienten mit unterschiedlichen Asthma-Phänotypen krankmachende Entzündungsreaktionen regulieren und für weniger neuroimmunologischen Stress sorgen. Weiterhin könne das umfangreiche multidisziplinäre Therapieprogramm zu den beobachteten Veränderungen beitragen, so die EAACI.
Zu diesen zählen Verbesserungen bei der Asthmakontrolle und Lebensqualität, weniger Exazerbationen und Hospitalisierungen, ein geringerer Bedarf an oralen Kortikosteroiden, eine verbesserte Lungenfunktion, reduzierte Hyperreagibilität der Atemwege und verbesserte Belastungstoleranz sowie ein verbessertes sinunasales Outcome.
Quelle: DOI: 10.1111/all.15242