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Versorgungsassistenz in der HausarztpraxisChance für die Praxis: “VERAH®-Studium”

Die Erfolgsgeschichte der Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis (VERAH®) bekommt ein neues Kapitel und macht Hausarztpraxen damit noch fitter für die Herausforderungen der Zukunft.

VERAH®-Studium: ein großer Teil des Studierens in der Hausarztpraxis statt.

Die Aufgaben in einer hausärztlichen Praxis werden immer vielfältiger, Supervision ein immer wichtigeres Thema. Viele Hausarztpraxen haben nicht zuletzt auch deshalb bereits Mitarbeitende zu Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (VERAH®) weiter qualifiziert.

Die Anforderungen an das Team werden voraussichtlich in den nächsten Jahren eher steigen, sodass es naheliegend ist, der allgemeinen Tendenz zur Akademisierung Rechnung zu tragen und hausärztlichen Praxismitarbeiterinnen die Möglichkeit eines Studiums zu eröffnen.

Der Deutsche Hausärzteverband hat deswegen Gespräche mit Hochschulen geführt, um ein Studium für VERAH® zu entwickeln, das gezielt auf anspruchsvolle auch medizinische Assistenztätigkeiten in einer Hausarztpraxis im Sinne einer Supervision vorbereitet.

Nachdem der Bedarf und ein sinnvoller Zuschnitt des Studiums durch eine Umfrage 2020 evaluiert wurde, sind Gespräche mit Hochschulen geführt worden, um die Möglichkeit eines solchen Studienganges zu diskutieren.

Nach umfangreichen und konstruktiven Abstimmungsgesprächen konnte mit der Hochschule für Oekonomie und Management (FOM), einer privaten und bundesweit tätigen Hochschule mit dem Schwerpunkt auf berufsbegleitendes Studieren, ein Kooperationspartner gefunden werden, mit dem ein Bachelorstudiengang für Medizinische Fachangestellte mit Weiterbildung zur VERAH® oder Nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPa) konzipiert wird.

Diese Prämissen sind handlungsleitend

  • Die Inhalte des Studiums müssen am Bedarf im Berufsfeld orientiert sein.

Die zukünftigen Bachelorabsolventinnen und -absolventen müssen die Gewähr haben, dass ihre Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Die Praxen müssen bei der Einstellung sicher sein können, dass die akademische Ausbildung auf die hausärztliche Praxis zugeschnitten ist und eine substanzielle Entlastung bedeutet.

  • Das Studium muss neben der Tätigkeit in einer Hausarztpraxis möglich sein.

Die angehenden Studentinnen und Studenten müssen ohne Überlastung die Berufstätigkeit und das Studium verbinden können. Um dies zu gewährleisten, finden ca. 70% des Studiums digital statt, zum Beispiel 2-3 x wöchentlich abends. Zusätzlich gibt es Präsenztage an den Standorten (in der Regel Samstage) oder zusätzliche Präsenztage in Form von 1-2 Blockwochen pro Semester (in der Regel montags bis freitags). Zu diesen Veranstaltungen treffen sich die Studierenden an einem der drei Hochschulstandorte München, Dortmund oder Mannheim.

  • Das Studium muss in einer überschaubaren Zeit zu absolvieren sein.

Die VERAH® sind erfahrene Teammitglieder, denen schon jetzt eine wichtige Aufgabe bei der Patientenversorgung und im Praxismanagement zukommen. Diese fachliche Expertise und berufliche Erfahrung ermöglicht den Studierenden daher einen Einstieg in das 3. Fachsemester. Der akademische Bachelorabschluss ist somit schon nach 5 Semestern möglich.

  • Das Studium darf die Studierenden finanziell nicht überfordern.

Unabhängig davon, ob die Studiengebühren alleine von den Studierenden getragen werden oder ob sich der Arbeitgeber daran beteiligt – die Finanzierung eines Studiums sollte für jeden möglich sein. Die Studiengebühr inklusive Prüfungsgebühr von 9.150 € insgesamt oder 295 € monatlich zuzüglich der Prüfungsgebühr in Höhe von 300 € erfüllt diese wichtige Voraussetzung.

MFA und VERAH® sind eine qualifizierte Berufsgruppe, akademisch weiterqualifizierte Teammitglieder geben Hausärzten aber zusätzliche Möglichkeiten, verantwortungsvolle organisatorische und medizinische Tätigkeiten zu delegieren. Zudem wird der Beruf der MFA durch diese weitere Qualifikationsperspektive aufgewertet und attraktiver. Der Akkreditierungsprozess des Studienganges läuft. Der Beginn ist zum Wintersemester 2022 geplant.

Die “akademisierte” VERAH®: Neues Mitglied in der Team-Praxis

Hausärztliche Praxen sehen sich großen Herausforderungen gegenüber: Die zu betreuenden Patienten werden mehr, älter und kränker. Dies führt zu einem höheren Behandlungsaufwand, während gleichzeitig die Anzahl der “Arztstunden” sinkt, auch im ambulanten Bereich.

Zusätzlich nehmen die Anforderungen an Dokumentation, Aufklärung, Archivierung und Datenschutz zu. Daraus ergibt sich, dass Ärztinnen und Ärzte sich vermehrt auf ihre Kerntätigkeit, die Arbeit mit und an den Patienten beschränken und andere Tätigkeiten delegieren müssen.

Und hier setzt das Studium für VERAH® und NäPa an. Aus Befragungen und persönlichen Gesprächen wurde deutlich, dass das Studium sowohl zu einer höheren Befähigung zu arztentlastenden, medizinischen Tätigkeiten führen muss als auch zu Eigeninitiative und anspruchsvollen administrativen Tätigkeiten.

Allrounder für die Hausarztpraxis

Zurzeit werden in fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen der FOM und dem Hausärzteverband unter Beteiligung des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IhF) die Inhalte erarbeitet, die in der Praxis benötigt werden.

Eine vertiefte Kenntnis häufig in der hausärztlichen Praxis vorkommender Erkrankungen ist selbstverständlich und umfasst neben den “klassischen” chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, COPD, Depression, Herzinsuffizienz oder Folgeerscheinungen von Schlaganfällen auch täglich in der Praxis anzutreffende Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Rückenschmerz, grippalen Infekten oder auch Husten oder abdominale Beschwerden.

Auch eine verstärkte sozialmedizinische Kompetenz ist sehr wichtig. Sie zeigt sich unter anderem in der Befähigung, Rehabilitationsanträge auszufüllen, Anfragen von Ämtern und Kassen zu bearbeiten, bei Anträgen der Patienten wie einem Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung behilflich zu sein und sich auch in den Regelungen der Pflegeversicherung auszukennen. Dazu gehört auch, die Patienten und ihre Angehörigen beraten zu können. Hierdurch wird das ärztliche Team von nicht zwingend ärztlicherseits zu erbringenden Leistungen entlastet.

Ganz oben auf den geäußerten Wünschen stand auch das Erlernen von Untersuchungstechniken, um so – falls vom Arztteam gewünscht – schon Voruntersuchungen durchführen zu können, auch technischer Art wie Beurteilung einer Lungenfunktion, eines EKGs oder auch die Möglichkeit, einfache sonographische Untersuchungsgänge durchzuführen wie Überprüfung des Füllungszustandes der Harnblase, dem Auffinden eines Gallensteines oder dem Feststellen einer vergrößerten Schilddrüse.

Sehr wichtig ist auch die psychosoziale Betreuung der Patienten, die einen großen Anteil im Studium ausmachen wird; hier könnte man sich auch Studieninhalte vorstellen, die an Balint-Gruppen orientiert sind.

Im administrativen Bereich ist Personalführung ein wichtiger und häufig gewünschter Anteil. Viele Ärztinnen und Ärzte wünschen sich gerade hier eine Entlastung, somit sollen die Studierenden in die Lage versetzt werden, das nichtärztliche Praxisteam zu führen und dabei auch die Patientenorientierung und -sicherheit im Blick zu behalten. Daneben sind Qualitätsmanagement, Praxismanagement und Projektmanagement wichtiger Bestandteil des Studiums. Auch eine betriebswirtschaftliche Grundausbildung ist wichtig, um ökonomische Aspekte einer hausärztlichen Praxis im Blick zu behalten, wie Abrechnung in der HZV, KV und GOÄ und kostensparendes Einkaufsmanagement.

Wissenschaftliches Arbeiten inklusive

Und schließlich wird auch wissenschaftliches Arbeiten nicht zu kurz kommen. Die Studierenden werden also lernen, sich mit den Grundlagen Ihrer Tätigkeit auseinanderzusetzen, nicht leichtgläubig Werbeversprechen Dritter aufzusitzen und sich ein medizinisches Thema zu erschließen, selbst wenn es nicht intensiviert im Studium behandelt wurde.

Und das Beste an allem: All dies hat seinen Schwerpunkt auf Hausarztmedizin – und daher findet ein großer Teil des Studierens in der Hausarztpraxis statt. Am Ende wird dann eine akademisierte VERAH® fit sein für eine anspruchsvolle Tätigkeit in einer Einzelpraxis oder in großen Praxen mit vielen Ärztinnen und Ärzten.

“Akademisierung der VERAH®: Vorteile für jede Praxisgröße”

Interview mit Dr. Markus Beier

? Was war die Motivation/ Triebfeder hinter der Weiterentwicklung der VERAH®?

Beier: Die Akademisierung der VERAH® ist ein zukunftsweisender Schritt für den Strukturwandel der deutschen Hausärztelandschaft. Der allgemeinmedizinische Allrounder, der rund um die Uhr alle hausärztlichen Aufgaben quasi im Alleingang erledigt, dürfte bald endgültig ausgedient haben. Work-Life-Balance ist nicht nur ein ausgelutschtes Mode-Schlagwort. Sie ist eine Notwendigkeit, soll die Praxis perspektivisch gut aufgestellt bleiben. Die logische Konsequenz ist, auf Team-Play und die Delegation von Aufgaben seitens des Praxischefs und der Praxischefin zu setzen. Die sinkende Zahl an Hausärztinnen und Hausärzten sowie die steigende Patientenzahl macht dies umso dringlicher.

? Die VERAH® ist schon seit langem ein Erfolgsmodell, warum jetzt die Akademisierung?

Beier: Das stimmt. Schon lange setzen Hausärztinnen und Hausärzte auf die Kompetenz ihrer VERAH®. Über 15.000 sind mittlerweile in Deutschlands Hausarztpraxen eine unersetzliche Stütze. Das Angebot zur Akademisierung ist der nächste logische Schritt, um das Berufsbild weiter aufzuwerten, und ein wichtiges Signal in Zeiten eklatanten Fachkräftemangels. Der Deutsche Haus-ärzteverband als Pulsgeber der Akademisierung steigert mit dem Studium nicht nur die Attraktivität des Berufs der Medizinischen Fachangestellten. Wir sind der Meinung, gutes Personal hat wertige Fortbildungsmöglichkeiten verdient.

Dessen Qualifizierung aktiv selbst zu gestalten statt externe Lösungen integrieren zu müssen, ist immer die bessere Alternative. Diese Herausforderung hat der Deutsche Hausärzteverband angenommen.

? Wie könnte der Einsatz der “neuen” VERAH® aussehen?

Beier: Mit der Akademisierung der VERAH® macht der Verband nicht nur großen Gemeinschaftspraxen und hausärztlichen Versorgungszentren ein attraktives Angebot, um die Flut an Aufgaben zu kanalisieren und zu bewältigen.

Das Curriculum des Studiengangs ist so breit, dass hausärztliche Praxen jeder Größe aus einem Pool an Einsatzmöglichkeiten ihrer studierten VERAH® schöpfen können. Entlastung ist vom Praxismanagement bis hin zur Patientenbehandlung unter Supervision in Sicht, die “neuen” VERAH® können alle Spektren der Hausarztmedizin mitbedienen. Es kommt darauf an, was die Praxen daraus machen. Sicher ist das ein Prozess, der Zeit braucht. Das große Interesse seitens der Kolleginnen und Kollegen, ermittelt durch eine erste Bedarfsabfrage seitens des Hausärzteverbands, zeigt aber, dass das Potenzial der Akademisierung in der Hausärzteschaft erkannt ist.

? Wie sieht es mit der Finanzierung des Studiums aus?

Beier: Mit über 9000 Euro ist ein VERAH®-Studium nicht günstig, allerdings sollte sich die Finanzierung nicht zum Knackpunkt entwickeln. Hausärztinnen und Hausärzte sollten hier aktiv an einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung mitarbeiten, sei es über bezahlten Urlaub oder eine Beteiligung an den Studiengebühren. Gerade die Frage der Finanzierung bietet schließlich Möglichkeiten sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Auch diese Chance ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzen.

? Wird der Einsatz einer studierten VERAH® besonders vergütet?

Beier: Noch ist offen, wie der Einsatz einer akademisierten VERAH® vergütet wird. Bisher sind viele EBM-Leistungen auf Hausärztinnen und Hausärzte zugeschnitten. Aber der erste Studienjahrgang startet voraussichtlich im Wintersemester 2022/2023. Bis die ersten VERAH® ihre Studienabschlüsse in der Hand halten dauert es also noch drei Jahre. Bis dahin sollte hier eine Lösung gefunden sein.

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