Patienten mit Kreuzschmerz glauben oft, dass ein "Einrenken" ihre Beschwerden lindert. Wie Sie als Manualmediziner stattdessen vorgehen und was es bei Behandlungen im Bekanntenkreis zu beachten gilt.
Eva ist 35, schlank und sportlich. Sie arbeitet als MFA in der Praxis Ihres Weiterbilders. An einem Mittwoch kurz vor Mittag kommt sie auf Sie zu: “Kannst du mich mal schnell einrenken? Ich glaube, ich habe gestern eine unrechte Bewegung gemacht.” Sie sind Assistentin im letzten Weiterbildungsjahr und haben das Prüfgespräch Manuelle Medizin an Ihrer Landesärztekammer vor kurzem erfolgreich absolviert.
Vorsicht bei “Schnell mal”
Diese und ähnliche Szenarien, die Sie im Verwandten-, Freundes- und Kollegenkreis ereilen, bergen mehrere Stolperfallen. Einige Punkte sollten Sie deshalb schon im Vorfeld klären (s. Kasten rechts). In unserem Beispiel haben Sie sich bereits mit Ihrer Haftpflichtversicherung in Verbindung gesetzt, Eva hat sich nach Rücksprache einen Termin in Ihrer Sprechstunde eingetragen. Ihr Weiterbilder, ebenfalls Manualmediziner, hat Sie von Anfang an ermuntert, manualmedizinisch zu untersuchen und mit zunehmendem Wissen auch Behandlungstechniken anzuwenden.
Akut oder chronisch?
Eva hat keine Vorerkrankungen, sie nimmt keine Medikamente und es besteht keine Schwangerschaft. Sie klagt über mittig lumbalen Kreuzschmerz, “so wie vor einem Jahr nach einer ähnlichen Gartenaktion”. Sie vermutet, dass sie auch diesmal zu viel im Garten in kniender und vornüber gebeugter Haltung gearbeitet hat.
Gemäß Nationaler Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz [3] können Sie Manipulation und Mobilisation bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen anwenden. Massage ist beim akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerz nicht indiziert, kann aber bei der Behandlung subakuter oder chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen zum Einsatz kommen.
Dreischrittdiagnostik anwenden
Evas Kreuzschmerz ist akut und nicht spezifisch. Der Patientenakte entnehmen Sie, dass Ihr Weiterbilder sie vor einem Jahr bei lumbaler Blockierung erfolgreich mit einer Hakelzug-Muskelenergietechnik behandelt hat. Vielleicht würde sie erneut vom Hakelzug profitieren?
Sie untersuchen Ihre Patientin und denken dabei auch an die Dreischrittdiagnostik nach Bischoff. Diese beinhaltet:
1. die segmentale Bewegungsprüfung: Fahnden Sie nach eingeschränkter Beweglichkeit, untersuchen Sie bei der LWS etwa Lateralflexion und Vorbeuge im Seitenvergleich.
2. das Identifizieren des segmentalenIrritationspunktes: Suchen Sie bei der LWS nach Verquellungen in der autochthonen Rückenmuskulatur.
3. die Irritationspunktdiagnostik: Provozieren Sie den gefundenen Irritationspunkt.
Die freie Richtung bestimmen
Die Dreischrittdiagnostik hat Konsequenzen für die Lagerung der Patienten: Bei Manipulationen erfolgt der Impuls in die sogenannte “freie Richtung”, die Richtung der abnehmenden Schmerzreaktion. Keine freie Richtung – keine Manipulation!
Bei Eva nimmt der Muskeltonus unter Ihrer Fingerkuppe bei einer passiv von Ihnen durchgeführten Linksrotation ab und bei Rechtsrotation zu. Die freie Richtung ist somit links. Sie notieren als Befund: Dornfortsätze nicht druckschmerzhaft, Beckengeradstand, Finger-Boden-Abstand 0 cm, kein Rippenbuckel. LWS Seitneigung links/rechts 20/0/15. Vorlaufphänomen unauffällig. Zehen-und Fersengang intakt, Sensibilität der unteren Extremitäten seitengleich und intakt, ASR und PSR beidseits lebhaft und seitengleich, Lasegue beidseits negativ. L5+re lo (s. Kasten). Triggerpunkte: M. quadratus lumborum links positiv.