Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben Anfang Mai die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen (Paragraf 106b SGB V) überarbeitet (Alle Änderungen: www.hausarzt.link/zj1Am). Vertragsärzte sollen bei einem Regress jetzt weniger bezahlen müssen, weil nur die Differenz zwischen wirtschaftlicher und unwirtschaftlicher Verordnung zurückgefordert werden kann. Ob diese Neuerung den gewünschten Erfolg erzielt, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich gilt aber, dass selbst weniger Regress zu viel ist!
Die Prüfvereinbarung umfasst die Verordnung von medizinischer Rehabilitation, Arznei- und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie sowie Spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV). Hier konnten KV und Kassen bisher Regresse in voller Höhe bei Überschreitung der Richtgröße oder des Fachgruppendurchschnitts (Auffälligkeitsprüfung) verhängen. Nach dem neuen Absatz 2a des 106b SGB V dürfen Nachforderungen aus solchen Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung nicht überschreiten.
Unerwähnt lässt die KBV, dass die Vereinbarung auch nicht so “kundennahe” Aspekte enthält. Weiter werden fünf Prozent der Ärzte je Fach- oder Vergleichsgruppe pro Jahr einer Auffälligkeitsprüfung unterzogen. Die Frage ist: Wer entscheidet, wer dazu gehört?
Zudem soll der Differenzbetrag bei generellen Verordnungsausschlüssen nicht berücksichtigt und der volle Regressbetrag erhoben werden. Als Beispiele nennt die KBV die Verordnung von Lifestyle- oder Erkältungsmedikamenten und bei Heilmitteln die Musiktherapie. Zu beiden Bereichen gibt es Anhänge zur Vereinbarung, wonach etwa regional Zielwerte oder -quoten vorgegeben werden können. Diese Auflagen kann man kaum erfüllen, es sei denn, man gibt seine Praxis auf und beschäftigt sich nur noch damit.
Wer kann denn logisch nachvollziehen, dass ein hoch dosiertes Vitamin D-Präparat als wirtschaftlich gilt und ein niedriger dosiertes nicht? Schlimmer noch: Bei der Arzneiverordnung kann auch die “Erfüllung von Zielwerten” als Aufgreifkriterium für eine Prüfung dienen. Rabattverträge oder Erstattungsbeträge bei einzelnen Medikamenten werden zwar bei einer Prüfung berücksichtigt, dazu müssen aber die Kassen die Daten liefern, die dies oft selbst nicht überblicken.
Fast schon ein Hohn ist, dass die KBV für sich als Erfolg wertet, dass der Differenzbetrag auch für die Maßnahme “Beratung vor Regress” gilt. Umgekehrt bedeutet das, dass Vertragsärzte bisher zum Beispiel bei einer Überschreitung der Richtgröße oder des Fachgruppendurchschnitts bezogen auf den vollen Überschreitungsbetrag zu einer Beratung zitiert wurden und ihnen so diese nur einmalig mögliche Chance, bei einer Prüfung ohne Regress davonzukommen, regelrecht geraubt wurde.
Bei den Heilmitteln entscheidet mit der neuen Heilmittel-Richtlinie ab Oktober ein kaum noch überschaubarer Katalog aus Höchstmengen, Indikationen und besonderen Verordnungsbedarfen über die Einleitung einer Prüfung (“Der Hausarzt” 17/19).
Wichtig: Mit der Vereinbarung entsteht eine Regresszange. Mit deren Anpreisung als Erfolg will die KBV womöglich davon ablenken, dass sie bei den Prüfvorgaben für ärztliche Leistungen (Paragraf 106a SGB V) weniger gut verhandelt hat (“Der Hausarzt” 7/20). Demnach gibt es statt der Zufälligkeitsprüfung (Stichprobe mit mindestens zwei Prozent der Ärzte je Quartal) auf begründeten Antrag Einzelfallprüfungen. Diese können auch erfolgen, wenn Ärzte statistisch nicht von der Vergleichsgruppe abweichen. Hier können neben der Leistungsabrechnung auch Sachkosten und veranlasste ärztliche Leistungen, besonders aufwändige medizinisch-technische Leistungen in Regress genommen werden. Einen Antrag können Kassenärztliche Vereinigungen (KV), einzelne oder mehrere Kassen einreichen. Obwohl es sich hier um Einzelfallprüfungen handelt, gilt hier der neue Differenzbetrag nicht.
Darüber hinaus können Ärzte weiterhin auch nach Zeitvorgaben kontrolliert werden. Plausiprüfungen nehmen Überschreitungen der maximalen Arbeitszeit pro Tag von 12 Stunden und 780 Stunden im Quartal unter die Lupe.
Fazit: Die Rahmenvorgaben werden nun auf regionaler Ebene umgesetzt. Die KVen könnten Ärzte noch aus dem “Würgegriff” befreien, weil sie die Rahmenvorgaben nicht eins zu eins umsetzen müssen und weil Plausiprüfungen ausschließlich in ihrer Hoheit liegen. Hier sollten die KV-Vorstände Mut beweisen.