Leichenschau nach GOÄDas müssen Hausärzte bei Zeitvorgaben beachten

Bei den neuen Zeitvorgaben zur Abrechnung der Leichenschau herrscht oft Unklarheit über den Bezugspunkt der zeitlichen Rahmenvorgaben. Viele meinen, sie bezögen sich auf die Untersuchung der Leiche. Richtig ist etwas anderes.

Seit 1. Januar gibt es neue GOÄ-Nummern für die Leichenschau (“Der Hausarzt” 1/20). Das Honorar wurde nach einem Raster, das auch bei der EBM-Kalkulation angewendet wurde, betriebswirtschaftlich kalkuliert. Die Folge: In der Legende der neuen Nrn. 100, 101 und 102 GOÄ tauchen Zeitvorgaben auf, deren Bezug erklärungsbedürftig ist. In einigen Publikationen wurde verbreitet, die Vorgaben von 20 Minuten (Nr. 100), 40 Minuten (Nr. 101) und 10 Minuten (Nr. 102) würden sich ausschließlich auf die Untersuchung der Leiche beziehen. Das stimmt so nicht!

Im Bewertungssystem führt der Zeitfaktor auf Basis eines fiktiven Arztlohns zum jeweiligen Honorar. Es handelt sich dabei um Durchschnittszeiten, die nicht exakt im Sekundentakt zu berücksichtigen sind. Dieses Prinzip liegt bei der gesamten ausstehenden GOÄ-Reform zugrunde und führt dazu, dass die Schwierigkeit einer Leistungserbringung nicht mehr – wie bisher – über Multiplikatoren geregelt wird, sondern einen Zeitfaktor und Zuschläge. Beides ist bei der Leichenschau bereits realisiert: Die Grundleistungen Nr. 100 und 101 GOÄ haben einen Zeitfaktor und einen Zuschlag für den Mehraufwand bei einer unbekannten Leiche. Man kann sie nur “einfach” berechnen.

Hausbesuch ist fakultativ

Nr. 100 (mind. 20 Min.) und 101 GOÄ (mind. 40 Min.) umfassen:

  • Untersuchung des Toten
  • (vorläufige) Todesbescheinigung
  • Aktenstudium, ggf. Einholung von Auskünften (Angehörige, Ärzte etc.)
  • ggf. Aufsuchen der Leiche

Dauert dies nur 10-20 Minuten (bzw. 20-40 Min.) sinkt das Honorar auf 60 Prozent. Bei der Messung der reduzierten Zeit zählt aber das “Aufsuchen” nicht mit, heißt es in einer Fußnote. Das Aufsuchen ist ein fakultativer Teil der Leistung: Das bedeutet, es muss nicht stattgefunden haben, wenn man sich aus anderen Gründen bereits vor Ort aufgehalten hat. Dies könnte vorkommen, wenn man zu einem Sterbenden gerufen wird und dieser nach einer Reanimation stirbt. Formal kann man hier den Hausbesuch zu Lasten der GKV berechnen und zusätzlich die volle Gebühr für die Leichenschau, wenn die Mindestzeit (ohne Aufsuchen) erfüllt ist.

Wie kommt es zu anderen Interpretationen?

Irritierende Gesetzesbegründung

Die gesetzliche Grundlage der GOÄ ist die “Fünfte Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte”. Dort finden sich zum Gesetzestext auch Begründungen. Diese sind nicht immer eindeutig und deshalb interpretationsbedürftig. So heißt es in der Begründung zur Nr. 100 GOÄ:

“Das Aufsuchen ist als fakultativer Leistungsbestandteil in die Leistung nach Nummer 100 einbezogen worden, weil es in aller Regel mit der vorläufigen Leichenschau anfällt. Die durchschnittlich für eine (…) vorläufige Leichenschau fachlich erforderliche Zeit beträgt rund 30 Minuten. Vor diesem Hintergrund wird für die vorläufige Leichenschau (ohne Aufsuchen) eine Mindestdauer von 20 Minuten vorgegeben. Die Mindestdauer bezieht sich auf alle inhaltlich mit der Leichenschau zusammenhängenden obligatorischen und fakultativen ärztlichen Leistungen vor Ort.”

Demnach könnte man meinen, dass das Honorar einer vorläufigen Leichenschau von 19 Minuten auf 60 Prozent gekürzt werden müsste. Die weitere Begründung liefert aber Aufklärung: “Die Bewertung ergibt sich aus den durchschnittlich anzusetzenden Zeiten für die vorläufige Leichenschau und dem Aufsuchen, für die jeweils durchschnittlich 30 Minuten zu veranschlagen sind (…).” Dies heißt, der Kalkulation liegen – getrennt nach Leichenschau und Aufsuchen – Durchschnittszeiten zugrunde, die im Einzelelement über- und unterschritten werden können. Veranschlagt sind für die Leichenschau und das Aufsuchen je 30 Minuten. Eine Leichenschau von insgesamt 20 Minuten, wobei 5 Minuten auf die Anfahrt entfallen, kann also zu 100 Prozent berechnet werden. Wäre das nicht der Fall, würde die Bewertungskalkulation, die bei Untersuchung und Aufsuchen den gleichen Zeitfaktor ansetzt, nicht mehr stimmen.

Dies gilt entsprechend für die 101 GOÄ. Die Begründung ist identisch, abgesehen vom Zeitumfang von 40 Minuten. Die Kalkulationsbasis liegt bei 60 Minuten und für das Aufsuchen bei 30 Minuten. Mit Blick auf die zu beachtende Sorgfalt, aber auch den im Honorar gewährleisteten Arztlohn handelt es sich bei den Zeitvorgaben folgerichtig um eine Mischkalkulation.

Modulation weiter möglich

Auch wenn es nicht mehr möglich ist, das Honorar über einen Multiplikator zu verändern, ist dies mit diesen Elementen weiter möglich. Eine Leichenschau, die insgesamt 50 Minuten dauert, sich aber aus 20 Minuten Anfahrt und 30 Minuten Untersuchung nebst korrespondierender Leistungen zusammensetzt, kann ebenfalls zu 100 Prozent in Rechnung gestellt werden. In diesem Fall genügt auch die in Paragraf 12 Abs. 2 GOÄ geforderte Zeitangabe aus dem Gebührenordnungstext von 40 Minuten. Umgekehrt wäre bei einer Anfahrt von 10 Minuten und einer Leichenschau, die trotz der nötigen Sorgfalt (z.B. bekannter Patient) nur 15 Minuten dauert, eine Kürzung auf 60 Prozent des Honorars angemessen. Denn die Mindestzeit von 40 Minuten wird unterschritten.

Dies gilt auch für die Zeitvorgabe beim Ansatz des Zuschlags Nr. 102, der ohne Bezug zum Aufsuchen mit 10 Minuten bemessen ist und deshalb auch mit (mindestens) 10 Minuten in die Gesamtdauer der Leichenschau einfließen muss.

Fazit: Die neuen Leistungen der Leichenschau nach GOÄ sind betriebswirtschaftlich kalkuliert und beziehen sich auf einen als angemessen anzusehenden Arztlohn, dem Zeitfaktoren zugrunde liegen. Ähnlich wie bei dem früher im Hinblick auf die Leistungstiefe heranzuziehenden Multiplikator kann jetzt auf der Ebene der Zeitfaktoren ein Ausgleich geschaffen werden. Dabei sollte lediglich unter Qualitätsgesichtspunkten der berücksichtigte Zeitanteil für die Anfahrt – so ärgerlich das auch sein mag – die Zeit für die Untersuchung nicht übersteigen.

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