Die Sorge vor einem Honorar-, Arzneimittel- oder Heilmittelregress kostet viele Ärzte Zeit und Nerven – beides wäre in die Versorgung der Patienten besser investiert. Drei aktuelle “Fallstricke”:
Labordiagnostik
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat kürzlich die Richtlinie zur Zufälligkeitsprüfung (Paragraf 106a Abs. 3 SGB V) aufgrund geänderter Vorgaben aus dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) geändert. Bei der Zufälligkeitsprüfung (Paragraf 106a Abs. 1 S. 1 SGB V) sieht der Gesetzgeber jetzt zwar nur noch die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen (Honorarregress) vor.
Die bisherigen Regelungen der Richtlinie, die auch Regresse bei verordneten Leistungen oder Krankenhausüberweisungen ermöglichten, wurden gestrichen. Beachten sollte man aber, dass die Richtlinie weiter auf die selbst erbrachten und veranlassten ärztlichen Leistungen abzielt.
Überweisungen an Fachärzte oder ans Labor beispielsweise können auch künftig dieser Prüfung unterzogen werden. Dies ist besonders bei Laborüberweisungen spätestens mit der seit 1. April gültigen Laborreform (“Der Hausarzt” 20/17 und 1/18) von Bedeutung: Kommt es zu einer Unterdeckung im Labortopf, um die veranlassten Leistungen zu finanzieren, werden dafür haus- und fachärztliche Honoraranteile seit der Reform unterschiedlich herangezogen – und die regionalen Wirtschaftlichkeitsprüfungen wurden verschärft.
Seit 1. April müssen Hausärzte zum Beispiel begründende Diagnosen angeben, wenn sie Laborleistungen per Überweisung aus Laborvereinen oder von Laborärzten beziehen. Auf dieser Grundlage können – wenn nötig – Wirtschaftlichkeitsprüfungen erfolgen.
Krankentransporte
Das VSG hat 2015 festgelegt, dass die Wirtschaftlichkeit von Verordnungen ab 2017 anhand von Vereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und Kassen auf Landesebene geprüft werden kann.
Die Prüfung kann verordnete Krankentransporte umfassen und einen Regress nach sich ziehen. Daher sollten Hausärzte die Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) beachten. Nur Fahrten zu einer stationären Behandlung darf man ohne eine Genehmigung der Kasse verordnen (“Der Hausarzt” 2 und 11).
Die Kosten für Fahrten zu einer ambulanten Behandlung tragen die Kassen nur in Ausnahmen (s. Kasten). Ist unklar, ob es sich um einen stationsersetzenden Eingriff handelt, sollte man einen Genehmigungsvorbehalt der Kasse auf der Verordnung angeben. Dann muss der Patient die Genehmigung einholen.
Plausi-Zeiten
Das Hessische Landessozialgericht (Az. L 4 KA 65/14, 13.9.17) hat entschieden, dass die Prüfzeiten in Anhang 3 des EBM bei einer Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen verbindlich anzuwenden sind. Denn der EBM stelle einen Normsetzungsvertrag dar, der nur eingeschränkt der richterlichen Kontrolle zugänglich sei.
Das Urteil, gegen das eine Revision zugelassen wurde, zeigt, in welchem Umfang die KBV mit der Einführung einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation der EBM-Leistungen den Vertragsärzten einen “Bärendienst” erwiesen hat. Einerseits fließen in die Kalkulation Elemente wie eine Raumnutzung ein, die bei einer gut organisierten Praxis aber anders zu Buche schlägt.
Abgesehen davon, dass die aus den Zeitwerten kalkulierten EBM-Leistungen nur budgetiert und damit nur zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes vergütet werden, bleibt andererseits unberücksichtigt, dass es auch Leistungen im EBM gibt, deren Zeitvorgaben “gegriffen” sind. Das scheint den Richtern nicht bekannt zu sein.
Es sind besonders die hausärztlichen Leistungen wie Hausbesuche, bei denen dies der Fall ist (“Der Hausarzt” 15). Ein Hausbesuch im EBM hat eine (gegriffene) Zeitvorgabe von 20 Minuten, hier wurde nichts betriebswirtschaftlich kalkuliert. Trotzdem müssen Ärzte dies einhalten, wenn sie nicht in eine Plausibilitätsprüfung geraten wollen. Den teils erheblichen Abschlag auf das Honorar von aktuell 22,59 Euro muss man aber – jetzt nach richterlicher Entscheidung – hinnehmen.
Kommentar
Immerhin bei den Hausbesuchen scheint sich etwas zu bewegen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat im Mai die KBV um Unterstützung bei der Beantwortung einer Anfrage aus dem Bundestag gebeten. Darin ging es um Honorarrückzahlungsforderungen gegen Hausärzte wegen Mengenüberschreitungen bei Hausbesuchen (“Der Hausarzt” 12). Die KBV konnte dem BMG bisher nur auf Bundesebene vorliegende Abrechnungsdaten zur Verfügung stellen.
Prüfmaßnahmen bei Hausbesuchen oder Gesprächsleistungen nach den Nrn. 03230 oder 35100/35110 EBM erfolgen aber nur auf Basis regionaler Durchschnittszahlen. Unterschiede zwischen Stadt- und Landpraxen werden nicht berücksichtigt und ebenso wenig, dass viele Hausärzte subspezialisiert psychotherapeutisch, als diabetologische Schwerpunktpraxis oder in der Drogensubstitution arbeiten.
Die Prüfstellen machen es sich dabei in der Regel leicht und wählen bevorzugt Praxen aus, deren Überschreitung im Bereich des “offensichtlichen Missverhältnisses” liegt. Dort ist eine pauschale Kürzung möglich, ohne dass die Praxen dagegen etwas unternehmen können, da diese Vorgehensweise durch ein (sehr) altes BSG-Urteil abgedeckt ist.
Immerhin führte eine Initiative in Hessen zu einer Sachaufklärung, die bisher kaum bekannt war. In der erwähnten Stellungnahme betont das BMG, dass die Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen nach Paragraf 106a SGB V auf der Grundlage von Stichproben zu prüfen ist, die mindestens zwei Prozent der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung).
Paragraf 106a Abs. 4 S. 3 SGB V erlaube unter anderem Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten. Diese Prüfung sei aber nicht zwingend und die Ausgestaltung obliege allein der jeweiligen KV mit den Kassen. Die in den KVen praktizierte häufigste Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist somit gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, sondern nur die Stichprobenprüfung.
Das BMG geht sogar noch einen Schritt weiter: Insbesondere die KVen hätten auf angemessene und sachgerechte Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu achten, die einen Ausgleich zwischen Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und wirtschaftlicher Leistungserbringung ermöglichen. Geändert hat diese Klarstellung bisher leider nichts. Die Sorge vor Regressen nimmt insbesondere Hausärzten weiter die Ruhe und die Zeit, die sie benötigen, um sich uneingeschränkt ihren Patienten widmen zu können.