Qual der WahlVon der Einzelpraxis zur Gemeinschaft

Seit 2007 ist die Zahl der Einzelpraxen um 16,5 Prozent gesunken, Ärzte wählen zunehmend kooperative Tätigkeiten. Dabei haben sie die Qual der Wahl zwischen zahlreichen Optionen – ein kurzer Überblick.

Junge Ärztin: Viele arbeiten zuerst an-gestellt, können sich eine Niederlassung aber später vorstellen

Sie möchten das Angebot für Ihre Patienten und Ihr Tätigkeitsfeld erweitern, möchten den Standort sichern oder mit der Praxis wachsen und sind in einer Einzelpraxis tätig? Dann ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Für Sie gilt nicht nur das allgemeine Zivil- und Gesellschaftsrecht wie das BGB, Sie haben darüber hinaus auch die Vorgaben des Vertragsarztrechts und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu berücksichtigen. Der nachfolgende Überblick hilft Ihnen, die Begriffe zuzuordnen.

Wenn Sie gemeinschaftlich mit einem oder mehreren weiteren Ärztinnen und Ärzten tätig sind, haben Sie umfangreiche Vorteile:

  • Sie bieten Ihren Patienten ein breites medizinisches Angebot.
  • Sie können die Geschäftsfelder erweitern.
  • Sie haben erweiterte Sprechstundenzeiten.
  • Sie können sich auf Spezialgebiete konzentrieren.
  • Sie lasten Ihre Geräte und Einrichtungen besser aus.
  • Sie können gemeinsam teure Anschaffungen umsetzen und nutzen.
  • Die Vertretung bei Urlaub oder Krankheit ist geregelt.
  • Die Gemeinschaft hilft auch beim Verkauf der Praxis, insbesondere wenn Sie weiter zum Beispiel geringfügig zur Versorgung von Privatpatienten tätig sein möchten.
  • Sie haben Abrechnungsvorteile gegenüber der KV.

Für die gemeinsame Tätigkeit gibt es zahlreiche Optionen, darunter die einer Praxisgemeinschaft.

Praxisgemeinschaft

Was bedeutet eine Praxisgemeinschaft für Sie? Sie sind mit Ihrem Kollegen oder Ihrer Kollegin in gemeinsam angemieteten oder eigenen Räumen tätig. Jeder von Ihnen hat einen eigenen Patientenstamm, eigene Mitarbeiter, rechnet eigenständig mit der KV ab, handelt für sich selbst und auf eigene Rechnung. Für alle gemeinschaftlichen Verträge sind Sie aber gemeinsam verantwortlich und rechtsfähig. Das bedeutet, gegenüber dem Vermieter und dem Energieversorger treten Sie zum Beispiel gemeinsam auf und nehmen Ihre Rechte wahr.Anders verhält es sich hingegen in einer Gemeinschaftspraxis!

Gemeinschaftspraxis

Wenn Sie sich zu einer Gemeinschaftspraxis zusammenschließen, agieren Sie gemeinsam. Sie treffen gemeinsam alle unternehmerischen Entscheidungen, haben gemeinsames Personal und rechnen auch gemeinsam mit der KV ab. Sie entscheiden zusammen über Personaleinstellungen und Personalführung, Investitionen und Praxiserweiterung.

Der Charme liegt darin, dass Sie sich auch fachübergreifend zusammenschließen können. Ein weiterer Vorteil der Gemeinschaftspraxis ist, dass nicht nur Ärzte an dieser Gesellschaft beteiligt sein dürfen, sondern auch nichtärztliche Heilberufler und medizinische Versorgungszentren (MVZ).

BAG und Filiale

Für die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder Filiale denken Sie bitte an folgende Voraussetzungen: Eine BAG braucht mindestens zwei Ärzte als Gesellschafter. Sie sind mindestens mit je einer Person an dem jeweiligen Praxissitz tätig. So müssen Sie sicherstellen, dass die Patienten ausreichend versorgt sind und die Versorgung der Patienten am Vertragsarztsitz nicht beeinträchtigt wird.

Je nach Bedarf kann für Sie auch die Nutzung von ausgelagerten Praxisräumen relevant werden. Dabei sind von Ihnen die nachfolgenden Besonderheiten zu berücksichtigen:

  • die Räume sind für spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen vorgesehen
  • sie müssen sich in räumlicher Nähe zu Ihrer Praxis befinden
  • die Räume sind bei der KV anzuzeigen

Überörtliche BAG

Bei der überörtlichen BAG (üBAG) werden Sie gemeinsam mit einem oder mehreren Kollegen tätig. Die Gesellschafter sind rechtlich genau so eng verbunden wie bei der Praxisgemeinschaft. Für die Gründung und Ausübung braucht es mindestens zwei Einzelpraxen, die zum Gesamthandsvermögen werden. An dieser Gesellschaft erhält jeder Beteiligte Gesellschaftsrechte.

Aber auch Inhaber einer Einzelpraxis können eine üBAG gründen. Dafür müssen Sie einen weiteren Gesellschafter finden. Diesem verkaufen Sie einen Anteil an Ihrer Praxis und gründen dann gemeinsam eine üBAG.

Job-Sharing

Eine weitere Option mit Charme ist das Job-Sharing. Die Zulassung wird dabei auf zwei Ärzte verteilt, so dass ein Vertragsarzt in der verbleibenden Zeit zum Beispiel Privatpatienten behandeln oder sich privaten Aufgaben zuwenden kann. Als Job-Sharer dürfen Sie auch in genehmigten Zweitpraxen oder an anderen Standorten tätig sein. Nach einer Wartefrist von zehn Jahren erhalten Sie als Job-Sharer eine volle KV-Zulassung, das ist ein charmanter Bonus.

Zweigpraxis und Praxisfiliale

Vielleicht ist für Sie auch eine Zweigpraxis oder Praxisfiliale die richtige Wahl. Hier sollten Sie aber Besonderheiten beachten, die sehr teuer werden können:

  • Die Tätigkeit in der Filiale bedarf einer Genehmigung.
  • Die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes darf nicht beeinträchtigt werden.
  • Die Versorgung am Ort der Filiale verbessert die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten.

Vorsicht: Erfolgt der Praxisbetrieb ausschließlich durch angestellte Ärzte, müssen Sie Gewerbesteuer zahlen. Das gilt allerdings nur für die Filiale und nicht für den Vertragsarztsitz.

MVZ

Zudem gewinnen medizinische Versorgungszentren (MVZ) an Bedeutung. Sie können von Vertragsärzten als auch von Kliniken getragen werden. Diese Gesellschaftsform bietet einige Vorteile. Sie gründen ein MVZ und stellen Ärzte ein, um die Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Dabei können Sie sich etwa zunächst um ältere Kollegen bemühen, die in absehbarer Zeit Ihre Tätigkeit aufgeben möchten. Dann haben Sie die Chance, die Zulassung im MVZ behalten zu dürfen, wenn der Kollege in den Ruhestand geht. Somit bleibt die Zulassung beim Ausscheiden im MVZ.

Wenn Sie ein MVZ betreiben, zahlen Sie für die angefallenen Gewinne keine Einkommensteuer, sondern Körperschaft- und Gewerbesteuer. Das muss Sie nicht schrecken, denn in den meisten Fällen wird diese Steuerbelastung niedriger sein als die Einkommensteuer, die Sie gewohnt sind. Bedingt dadurch, dass Sie Alleingesellschafter des MVZ sein können, erhalten Sie sich die Freiheit, für alle Belange der Praxis eigenständige Entscheidungen treffen zu können. Die Zusammenarbeit mit Ihren angestellten Kollegen, können Sie dann durch frei formulierte Bonusverfahren fördern.

Sie haben viele Möglichkeiten und die Qual der Wahl, wenn Sie von einer Einzelpraxis in eine gemeinschaftliche Tätigkeit wechseln wollen. Wägen Sie die persönlichen Interessen und Zukunftsvisionen aller Beteiligten ab und Sie werden die richtige Gesellschaftsform für sich finden.

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