Ein Szenario, was in diesem Sommer wohl in fast jeder Praxis vorgekommen ist: Ein Patient stellt sich mit einer allergischen Reaktion auf einen Wespenstich vor. Nun bekommt er in diesem Fehlerbericht (s. Kasten) allerdings statt der geplanten Kortisonlösung nur die zum Auflösen des Kortisonpulvers gedachte Kochsalzlösung injiziert.
Der MFA fällt der Fehler auf, so dass das Kortison nachträglich oral gegeben wird. Die Praxis bespricht das Ereignis anschließend im Team und ergreift verschiedene Maßnahmen, um ähnliche Ereignisse zu vermeiden.
Eine allergische Reaktion ist ein potenziell lebensbedrohlicher Notfall. Schnelles Handeln ist gefragt, denn gerade ein Wespenstich im Mundbereich kann innerhalb von wenigen Minuten zu Schwellungen führen, die das Atmen schwer beeinträchtigen können. Glücklicherweise war dieser Fall offensichtlich nicht so dramatisch. Trotzdem ist der MFA und dem ganzen Team klar geworden, dass hier ein Fallstrick vorliegt, der im Sinne der Patientensicherheit beseitigt werden muss.
Neben der grundsätzlichen Sensibilisierung des Teams für Sicherheitsrisiken gibt es einige Dinge, die in Notfallsituationen helfen können. Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um als Praxisteam für Notfälle vorbereitet zu sein?
Auf den Notfall vorbereiten
Beim Notfallkoffer ist zunächst essentiell, dass alle Teammitglieder (auch die Auszubildenden!) wissen, wo dieser aufbewahrt wird. Weiter ist darauf zu achten, dass er nicht überfrachtet ist. Sinnvoll ist ein Koffer mit relativ wenig Material, was übersichtlich bereitliegt und auch in Stresssituationen gefunden und angewendet werden kann. Wichtig ist, dass der Koffer nur Sachen enthält, mit deren Handhabung das Praxisteam vertraut ist.
Da Notfälle selten sind, ist der Notfallkofferhäufig nicht auf dem neuesten Stand, das heißt Medikamente oder Tubus-Verpackungen (Haltbarkeit in der Regel fünf Jahre) sind abgelaufen. Der Inhalt des Notfallkoffers sollte daher am besten einmal pro Quartal auf seine Haltbarkeit geprüft werden – und darauf, ob die Batterien noch funktionieren.
Regelmäßige Notfalltrainings (mindestens einmal pro Jahr) mit Anwendung der in der Praxis verfügbaren Notfallmedikamente und weiteren Materialien (zum Beispiel Defi) sind ein Muss. Jedes Teammitglied sollte die korrekte Handhabung üben, damit die Prozesse im Notfall routiniert ablaufen können.
Bei einem solchen Training kann auch ein Notfallplan erstellt werden, der festhält, wer im Notfall für was zuständig ist. Wer also beispielsweise den Rettungsdienst informiert, wer beim Betroffenen bleibt oder wer sich um die anderen wartenden Patienten kümmert.
Es gibt verschiedene Anbieter von Notfalltrainings, die sich ihr Engagement mehr oder weniger gut bezahlen lassen. Die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen bieten Trainings an oder können Anbieter nennen, auch beim Institut für hausärztliche Fortbildungen sind Notfallkurse immer im Programm. Entscheidend kann hier sein, dass das Training nicht extern, sondern in den Räumen der Praxis stattfindet, damit es möglichst realitätsnah ist.
Neue Mitarbeiter einbeziehen
Notfalltrainings bieten auch die Möglichkeit, systematisch nach Schwachstellen in Abläufen zu suchen, bevor ein richtiger Notfall eintritt. In fast jeder Praxis wird es Fallstricke wie im Fehlerbericht beschrieben geben. Bei der Identifikation von Schwachstellen können vor allem neue Teammitglieder häufig gut helfen, da sie Prozesse mit unverbautem Blick betrachten.
Setzen Sie beim nächsten Notfalltraining die beiden neuesten Teammitglieder als Beobachtende ein mit der Maßgabe, am Ende mindestens drei potenzielle Fehlerquellen zu benennen. Sie werden erstaunt sein, was ihnen alles auffällt – und Ihre Patienten werden es Ihnen danken!