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Arzt-Patienten-KommunikationDer Patient steht im Zentrum

"Wir Hausärzte können motivieren, begleiten und beraten. Der Rest liegt in der Hand unserer Patienten, " sagt Allgemeinärztin Sabine Gehrke-Beck und empfiehlt die Motivierende Gesprächsführung für eine zufriedenstellende Arzt-Patienten-Kommunikation.

Es habe ihr total gutgetan, dass sich jemand mit ihr über die Corona-Impfung unterhalten hat ohne sie zu drängen: Die Rückmeldung der Patientin nach dem Beratungsgespräch mit Allgemeinärztin Dr. Sabine Gehrke-Beck zu einer möglichen Immunisierung fiel durchweg positiv aus.

Der Umgang mit Impfskeptikern kann eine heikle Angelegenheit im Sprechzimmer sein. “Je mehr man jemanden drängt, desto mehr fühlt er sich in die Defensive gedrängt”, gibt Gehrke-Beck zu bedenken. Die Allgemeinärztin lehrt an der Berliner Charité und empfiehlt ihren Kollegen die Anwendung der Motivierenden Gesprächsführung in Erwägung zu ziehen.

Die patientenzentrierte Kommunikationsmethode will verhindern, dass Patienten im Arzt-Patienten-Gespräch eine Reaktanz entwickeln. Stattdessen sollen sie ermutigt werden, ihr Verhalten zu reflektieren und laut über eine Verhaltensänderung nachzudenken. Dies wird durch ein Set an pragmatischen Methoden und die Anwendung spezieller Gesprächsstrategien erreicht, zu denen das Stellen offener Fragen gehört.

Entwickelt haben das Konzept der Motivierenden Gesprächsführung zwei Psychologen bereits in den 1980er-Jahren in den USA; William R. Miller und Stephen Rollnick wollten Therapeuten und Medizinern mit “motivational interviewing” einen flexibleren Umgang mit Widerständen und Ambivalenzen seitens der Patienten ermöglichen.

Basis für die Methodik sind verschiedene Therapieansätze aus der Psychotherapie, bei denen der Patient als eigenverantwortlich handelnder Mensch mit der Fähigkeit und je nach individueller Situation auch dem Wunsch zur Verhaltensänderung gesehen wird.

Anfänglich wurde die Methodik der Motivierenden Gesprächsführung vorwiegend im klassischen Suchtbereich und zur Motivierung gesundheitsrelevanten Verhaltens eingesetzt. Mittlerweile hat sie sich unter anderem bei Essstörungen, Suizidalität, Ängsten, Depressionen, Spielsucht und Medikamenten-Compliance bewährt und wird international in der Hausarztmedizin, Suchtberatung, Psychotherapie, der Gesundheitsförderung, Sozialarbeit und im Vollzugswesen angewendet.

In Deutschland lehrt sie Sabine Gehrke-Beck im Studentenunterricht an der Berliner Charité. Dort ist die Methode heute prüfungsrelevant.

Wichtig zu wissen: Die Motivierende Gesprächsführung basiert auf vier Prinzipien:

  1. Empathie,
  2. Diskrepanzen erzeugen,
  3. mit Widerstand flexibel umgehen,
  4. die Selbstwirksamkeit des Patienten stärken.

Im Hinblick auf den Einbezug des Patienten ist die Herangehensweise der Motivierenden Gesprächsführung mit der Methodik des Shared-Decision-Making vergleichbar; anders als bei dieser Form der Patientenbeteiligung geht es bei der Motivierenden Gesprächsführung indes nicht darum, eine Entscheidung herbeizuführen, sondern einen Reflexionsprozess anzuregen, an dessen Ende eine aus medizinischer Sicht begrüßenswerte Verhaltensänderung stehen kann, aber nicht muss.

“Veränderungen brauchen Zeit”, sagt Gehrke-Beck. “Für die meisten Entscheidungen hat der Patient diese Zeit.” Ob er zum Beispiel einen Tag früher oder später mit dem Rauchen aufhöre oder mit dem Ausdauersport anfange, sei nicht entscheidend. Wichtiger sei, dass der Patient auf Basis klug gestellter Fragen und bereitgestellter Informationen zu einer für ihn stimmigen Entscheidung komme.

Reflexionsprozess anregen

“Die Motivierende Gesprächsführung nutzt auf zwei Wegen”, sagt Gehrke-Beck. Patientinnen und Patienten ermögliche sie, Verhalten zu reflektieren und eigene Schlüsse zu ziehen. Und sie nutze den Hausärztinnen und Hausärzten, weil diese eher das Gefühl bekämen, alles in ihrer Macht Stehende für den Patienten getan zu haben. “Die Motivierende Gesprächsführung ändert nicht unbedingt die Einstellung des Patienten, aber die Einstellung des Arztes”, betont Gehrke-Beck.

Wichtig sei, die Motivierende Gesprächsführung konsequent immer wieder und nicht nur einmalig anzuwenden. Sie biete auch die Möglichkeit dem Patienten die Beantwortung offener Fragen als Hausaufgabe mitzugeben und seine Antworten beim nächsten Kontakt zu besprechen.

Studien zeigen, dass die Motivierende Gesprächsführung durchaus erfolgreich ist. Ein Review aus dem Jahr 2013 von 48 Studien mit etwa 10.000 eingeschlossenen Patienten zeigte, dass unabhängig von Alter und Geschlecht der Patienten sowie Schweregrad der Erkrankung 63 Prozent aller Endpunkte des Gesprächs signifikant besser bewertet wurden.

Etwa 20 Prozent der Gespräche, bei denen die Technik eingesetzt wurde, zeigten bessere Ergebnisse als eine herkömmliche Information oder die Anwendung keiner Therapie. Ärzte bewerteten die Motivierende Gesprächsführung als mindestens genauso gut wie andere Therapien, dabei weniger aufwändig.

Das erlebt auch Sabine Gehrke-Beck so. Sie wendet die Motivierende Gesprächsführung seit mehr als acht Jahren bei ihren Patienten an und erlebt nicht nur eine höhere Patientenzufriedenheit, sondern auch eine Steigerung der eigenen Zufriedenheit mit dem Arzt-Patienten-Kontakt. •

Foto: , Illustration: Visual Generation – stock.adobe.com

Foto: Charité/Christian Vagt

Allgemeinmedizinerin Sabine Gehrke-Beck lehrt die Methode der Motivierenden Gesprächsführung an der Charité.

Literaturempfehlungen

Zur Einübung der Motivierenden Gesprächsführung steht unter anderem folgende Literatur zur Verfügung:

  • Körkel, J. & Veltrup, C. (2003). Motivational Interviewing: Eine Übersicht. Suchttherapie, 4, 115-124. https://hausarzt.link/Ja7vh
  • Sonnenmoser, M. (2009). Motivierende Gesprächsführung: Flexible Methode mit Potenzial. Deutsches Ärzteblatt 12/2009, 560. https://hausarzt.link/vwqTC
  • Miller, W.R. & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. (3., völlig überarbeitete Auflage). Freiburg: Lambertus-Verlag. (Original: Motivational interviewing: Helping people change. New York: Guilford Press, 2012).
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