Ganz gleich, ob Erstellung von Dienstplänen, Urlaubsplanung oder Leitung der regelmäßigen Teamsitzungen: Lisa Janssen freut sich auf ihre zukünftigen Aufgaben. Dass sie nach ihrem Bachelor- Abschluss „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ innerhalb des Praxisteams Leitungsfunktionen übernehmen kann, war für sie eine Hauptmotivation für das berufsbegleitende Studium. „Ich finde es klasse, Wissen aus mir völlig neuen Bereichen – etwa dem Management – zu gewinnen und in der Praxis anwenden zu können“, sagt die 26-Jährige, die in der Praxis von Anke Richter-Scheer im nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen als Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis (VERAH®) tätig ist.
Bislang ist Lisa Janssens Tagesablauf stark geprägt von Disease-Management-Programmen (DMP), für die sie – neben dem gesamten Praxisablauf – zuständig ist. Ihre Kollegin kümmert sich vorwiegend um Haus- und Heimbesuche, eine weitere um die Rezeption. Künftig, hofft Lisa Janssen, wird sie ihre Chefin nicht nur mit Leitungsfragen etwa in der Personalplanung unterstützen können, sondern auch in der Vorbereitung von Anamnese, Diagnostik und Therapieplanung.
Ihr Studium, dessen Curriculum der Deutsche Hausärzteverband gemeinsam mit der Hochschule FOM entworfen hat, wird sie dazu befähigen. 2025 werden die ersten rund 100 Absolventinnen, unter ihnen Lisa Janssen, in „ihren“ Praxen durchstarten.
Wie genau sich ihr Praxisalltag ändern könnte, hängt dabei wohl auch von der Art und der Lage der Praxis ab.
Fallbeispiel 1: Einzelpraxis auf dem Land
Die Rolle der Führungskraft wird in kleineren Praxen wohl eher bei der Hausärztin oder dem Hausarzt verbleiben. Umso wichtiger könnte hier die Unterstützung in Anamnese, Diagnostik und Therapieplänen werden.
„Durch die größere Lerntiefe könnte die akademisch ausgebildete VERAH® perspektivisch Beratungsanlässe, die mit Hilfe definierter Scores zu bearbeiten sind, in eigenen Sprechstunden übernehmen“, skizziert Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes. Zwischen dem Sprechzimmer der VERAH® und dem eigenen sei dabei „nur ein Molekül Luft“, sodass stets eine Supervision möglich sei.
Blick in den Arbeitsalltag: In einem typischen Tagesablauf könnte die VERAH® im eigenen Sprechzimmer Patientinnen und Patienten mit akuten Beratungsanlässen wie Halsschmerzen oder Blasenentzündung empfangen. Vorstellbar wäre, dass sie die Anamnese übernimmt und – im Fall von Halsschmerzen – gemäß Leitlinie den Centor-Score ausfüllt. Sie hilft also mit bei Diagnose und Behandlungsplan unter Supervision von Hausärztin oder Hausarzt.
Fallbeispiel 2: Einzelpraxis in der Stadt
Das Patientenklientel in der (Groß-)Stadt kann sich – je nach Region – deutlich von jenem in ländlicheren Regionen unterscheiden. Hier könnte sich die akademisierte VERAH® einbringen und umfassend zu Reha- und Sozialleistungen, Formularen und Anträgen bei Behörden sowie Regelungen der Pflegeversicherung beraten. Anfragen von Ämtern und Kassen kann sie eigenständig beantworten.
Blick in den Arbeitsalltag: Neben dem „gewohnten“ Tagesablauf könnten im Alltag der VERAH® B. Sc. deutlich mehr Beratungen von Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen eine Rolle spielen. Denkbar wäre, dafür feste Sprechzeiten einzurichten. Die akademisierte VERAH® wird – neben Hausärztin oder Hausarzt – als feste Ansprechpartnerin wahrgenommen, sowohl in der Praxis als auch im häuslichen Umfeld.
Fallbeispiel 3: BAG, MVZ und Co.
Gerade in größeren Praxen, vor allem Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), könnte die VERAH® B. Sc. zur Praxismanagerin werden, an die Hausärztinnen und Hausärzte zahlreiche Aufgaben der Personalführung delegieren können. Sie könnte das gesamte Personalmanagement von der Personalgewinnung, Personalführung bis hin zur Kooperation mit der Lohnbuchhaltung verantworten, außerdem Dienst- und Urlaubspläne erstellen oder Bestandslisten für den Praxisbedarf führen.
Darüber hinaus ist mit wachsender Größe der Praxis auch ein höherer Grad an Spezialisierung wahrscheinlich: So könnte eine VERAH® gezielt Haus- und Heimbesuche übernehmen, eine andere das Wundmanagement.
Blick in den Arbeitsalltag: In größeren Praxen – etwa BAG oder MVZ – behält die VERAH® B. Sc. den Überblick: Sie hält die Fäden in der Hand und fungiert im Sinne einer guten Personalführung als erste Ansprechpartnerin für alle Kolleginnen.