So wie Verkäufer und Käufer oft eine unterschiedliche Vorstellung von dem Wert eines Gegenstandes und Auftraggeber und Auftragnehmer eine unterschiedliche Meinung zum Auftragsumfang einer Dienstleistung haben, so unterscheiden sich oft auch die Vorstellungen liquidierender Ärzte und Ärztinnen von den Vorstellungen von Krankenversicherern. Auch die Definition einer „eingehenden neurologischen Untersuchung“ bleibt von diesen Differenzen oft nicht ausgeschlossen.
Abrechnungsberechtigung
Darf der Hausarzt die GOP 800 der GOÄ, die eingehende neurologische Untersuchung, überhaupt abrechnen? Mancher Versicherer mag vielleicht meinen: nein. In der Tat aber ist die GOÄ eine Gebührenordnung, die keine Leistungen für bestimmte Arztgruppen isoliert zur Verfügung stellt. Somit ist auch die GOP 800 für Hausärzte abrechenbar. Diese Aussage stützt Paragraf 1 Abs. 2 Satz 1 der GOÄ (s. Kasten) und Paragraf 2 Abs. 3 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO), nach der eine gewissenhafte Ausübung des Berufs lediglich und „insbesondere die notwendige fachliche Qualifikation und die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erfordert.“ (1) Eine einzige Ausnahme besteht: Im Bereich der UV-GOÄ ist die Nr. 800 nur für Nervenärzte, Neurologen und Neurochirurgen berechnungsfähig – auch wenn zum Beispiel ein Schädel-Hirn-Trauma vorliegt (2).
Untersuchungsumfang
Wenn man sich den Originaltext der Nr. 800 GOÄ anschaut, ist von einer eingehenden, aber nicht von einer kompletten Untersuchung die Rede. Auch der Normgeber hat nicht aufgelistet, welche Teilbereiche zu diesem Untersuchungskomplex gehören. Hilfsweise geben wir die Auffassung der Bundesärztekammer wieder: „Unter einer vollständigen neurologischen Untersuchung ist unter anderem die Untersuchung der Hirnnerven, Reflexe, Motorik, Sensibilität, Koordination und des Vegetativums zu verstehen“ (3). Nur fakultativ kommt die Untersuchung des Augenhintergrundes dazu (s. Legendentext).
So wie die komplette neurologische Untersuchung abrechnungstechnisch nicht die unbedingte Voraussetzung ist, kann andererseits auch eine lediglich symptomorientierte Untersuchung mit zum Beispiel zwei Teilbereichen nicht automatisch zur Abrechnung der Nr. 800 führen. Die Prüfung auf Sensibilität und Motorik bei Verletzungen der Körperoberfläche erfüllt den Leistungsinhalt sicherlich nicht.
Auch bei der Bewertung der Leistung mit 190 Punkten kann man davon ausgehen, dass nicht alle Teilgebiete untersucht werden müssen, wenn man Teilleistungen gegenüberstellt, die eine eigene Abrechnungsziffer besitzen: die gezielte neurologische Gleichgewichtsund Koordinationsprüfung nach Nr. 826 mit 99 Punkten oder die Geruchs- und/oder Geschmacksprüfung zur DD von Hirnnervenstörungen nach Nr. 825 mit 83 Punkten. Auch wenn man die Nr. 800 mit den allgemeinen Untersuchungsleistungen vergleicht (Nrn. 5, 6, 7, 8), kommt man zu ähnlichen Feststellungen. Wenn die Teilgebietsuntersuchung beispielsweise des Abdomens oder des Thorax (Nr. 7) mit 160 Punkten bewertet wird, können 190 Punkte nicht grundsätzlich eine Untersuchung aller neurologischen Teilbereiche zur Abrechnung der GOP 800 erfordern.
GOÄ Paragraf 1 Abs. 2 Satz 1:
(2) Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.
Quellen:
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- Deutsches Ärzteblatt 104, Heft 42 (19.10.2007), Seite A-2904 (GOÄ-Ratgeber)