Berlin. Die Halbwertszeiten bei Abrechnungsregelungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie werden kürzer: Wieder einmal übers Wochenende tritt ein Beschluss des Bewertungsausschusses (BWA) in Kraft. Damit wird im EBM für Haus- und Fachärzte die neue Pauschale 02402 für Corona-Abstriche infolge einer App-Warnung eingeführt (s. Tab. 1).
Erst am Freitag (12.6.) hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung nebenbei bei der KBV-Vertreterversammlung darüber berichtet. Am Montag (15.6.) wurde dann der BWA-Beschluss bekannt, der bereits seit diesem Tag gilt.
Die Änderung geht auf zwei Umstände zurück. Einerseits die neue „Test-Verordnung“ aus dem Bundesgesundheitsministerium, die die Kriterien für eine Testung auf das neue Coronavirus (SARS-CoV-2) deutlich ausdehnt, besonders auf asymptomatische Personen. Andererseits die Einführung der Corona-Warn-App, die die Regierung am Dienstag (16.6.) vorstellen will (s.u.).
Nach der „Test-Verordnung“ sollten diese Testungen unter Vorbehalt des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) stehen. Die Vertragsärzte wurden sozusagen aus der Versorgung zunächst „herausgekegelt“. Mit dem Beschluss des Bewertungsausschusses sind sie jetzt aber wieder „im Geschäft“. Auch bei Hausärzten können sich deshalb künftig Personen vorstellen, die einen Coronatest benötigen, weil ihre Handy-App es ihnen empfohlen hat. Abrechnungstechnisch ist dies jetzt durch den Beschluss des Bewertungsausschusses gesichert.
Das Robert Koch-Institut stellt Hausärzten hierzu ein Merkblatt zum Vorgehen bei diesen „App-Fällen“ zur Verfügung.
App schickt Alarmierte zum Arzt
Im Auftrag des BMG wurde ein smartphone-basiertes, auf Freiwilligkeit beruhendes elektronisches Warnsystem zur Eindämmung der Corona-Pandemie (Corona-Warn-App) entwickelt. Durch deren Verwendung können Kontaktpersonen, aufgrund der Erfassung eines Näheverhältnisses zu einer erkrankten Person, gewarnt werden.
Die App empfiehlt im Fall eines Warnhinweises dem Nutzer, sich an eine Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), die europaweite Telefonnummer 116 117 oder einen Arzt zu wenden. Um Betroffenen in diesem Fall neben einer Inanspruchnahme des ÖGD auch unmittelbar einen Zugang zu Vertragsärzten mit der Möglichkeit einer Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem beta-Coronavirus SARS-CoV-2 zu eröffnen, hat der Bewertungsausschuss entsprechende Abrechnungsleistungen beschlossen (s. Tab. 1).
Übergangslösung: Auf Muster 10 an die 32811 denken
Hiernach kann auch ein Vertragsarzt Personen nach einer Alarmierung durch die Corona-Warn-App auf SARS-CoV-2 veranlassen und selbst testen. Diese Regelungen ist somit eine Spezialregelung zur 32816 EBM. Für die Beauftragung der Laborleistung soll noch ein neuer Vordruck Muster 10C geschaffen werden.
Bis zu dessen Veröffentlichung sollen Ärzte weiter das Muster 10 verwenden. Dabei müssen sie im Feld „Auftrag“ allerdings explizit die Labornummer 32811 angeben.
Wie wirkt sich das auf die Praxis aus?
Mit dem BWA-Beschluss wird die 02402 EBM in den Abschnitt 2.4 EBM aufgenommen, die 12221 EBM in den Abschnitt 12.2 EBM, die 32811 EBM in den Abschnitt 32.3.12 EBM und die Kostenpauschale 40101 EBM in den Abschnitt 40.3 EBM. Für Hausärzte ist der KBV zufolge lediglich die 02402 EBM als Zusatzpauschale im Zusammenhang mit der Entnahme von Körpermaterial für Untersuchungen nach 32811 EBM relevant. Die Kostenpauschale 40101 EBM, die zur Abbildung der Versand- und Transportkosten für das Testmaterial dient, können laut KBV nur Laborärzte abrechnen. Dr. Gerd Zimmermann geht davon aus, dass dies auch für Hausärzte möglich ist, da eine Beschränkung nicht aus Beschluss oder Begründung hervorgehe.
Die 02402 EBM und die Kostenpauschale 40101 EBM dürfen jeweils einmal am Behandlungstag abgerechnet werden (s. Tab. 1). Neben der 02402 ist auch die Versicherten- oder Grundpauschale erlaubt. Die Vergütung erfolgt extrabudgetär. Zusätzlich sollten Hausärzte die Pseudoziffer 32006 ansetzen, damit der veranlasste Test nicht beim Wirtschaftlichkeitsbonus nach 32001 EBM ins Gewicht fällt.
Wichtig: Die Pseudonummer 88240 – mit der Praxen alle Kontakte klinischer Corona-Verdachtsfälle kennzeichnen – ist am Tag des Ansatzes der 02402 EBM nicht berechnungsfähig.
Die Regelungen gelten zunächst bis zum 31. März 2021 oder bis zu dem Tag, an dem der Bundestag die epidemiologische Lage von nationaler Tragweite aufhebt. Schon am 30. September dieses Jahres wird der Bewertungsausschuss allerdings prüfen, ob die Vorgaben aufgrund der Verfahrensabläufe im Zusammenhang mit der Corona-Warn-App angepasst werden muss.
Fazit
- Die Corona-Warn-App kann seit Dienstag (16.6.) in den App-Stores von iOS und Android heruntergeladen werden. Bei der Vorstellung der App wurde jedoch deutlich, dass zentrale Fragen zum Prozessablauf für Hausärzte bisher ungeklärt sind.
- App-Nutzer erhalten eine Risikoeinschätzung über die App. Unterschieden wird zwischen “niedrigem Risiko” und “erhöhtem Risiko”. Bei erhöhtem Risiko werden Nutzer aufgefordert weitere enge Kontakte zu meiden und sich telefonisch an Hausarzt, 116 117 oder Gesundheitsamt zu wenden.
- Nach einem Merkblatt des RKI für Hausärzte können diese, aufgrund der App-Warnung “erhöhtes Risiko”, nach einer Beratung einen PCR-Test veranlassen. Dies muss demnach aber nur als “Verdachtsfall” an das Gesundheitsamt gemeldet werden, wenn auch Symptome vorliegen.
- Erfolgt ein Test, soll der Arzt oder die Testeinrichtung an den Betroffenen einen QR-Code übermitteln. Diesen scannt der Patient mit dem Handy ein. Das Labor übermittelt dann verschlüsselt über den RKI-Server das Testergebnis an die App. Wie Ärzte an den QR-Code gelangen, ist noch nicht bekannt – aber folgender Prozess ist dazu bisher angedacht.
- Laut KBV dürfen Ärzte die neue 02402 EBM für Abstriche (mit der 32006) “ausschließlich” bei Personen ansetzen, die eine Warnung der Corona-Warn-App erhalten haben. “Kurative Abstriche bei Versicherten mit Symptomen sind weiterhin Teil der Versicherten- oder Grundpauschale”, sagt sie. Hingegen ist Dr. Gerd Zimmermann der Auffassung, dass sich diese Einschränkung nicht aus BWA-Beschluss oder Begründung ableiten lässt.
- Zur Kodierung bei “Tests nach App-Warnungen” sollen Hausärzte laut KBV zuerst die U99.0 mit der Z11 angeben. Bei negativem Ergebnis, bleibt es dabei. Fällt der Test positiv aus, soll auf die Z22.8G und U07.1G geändert werden (s. Tab. 2). Wenn Ärzte zudem angeben möchten, dass es sich um eine Kontaktperson handelt, können sie zusätzlich die Z20.8 dokumentieren.