Berlin. Die Gematik hat den Prüfauftrag für eine elektronische Patientenakte als sogenannte Opt-out-Lösung erhalten. Das hat sie nach der Gesellschafterversammlung am Montag (7. November) mitgeteilt. Der Prüfauftrag gilt als Startschuss für die konkrete Umsetzung, wie Gematik-Produktmanager Charly Bunar jüngst gegenüber „Der Hausarzt“ erklärte.
Denn: Die Gesellschafterversammlung der Gematik hat aktuell zwar beschlossen, dass die elektronische Patientenakte „noch in dieser Legislaturperiode als eine Opt-out-Lösung funktionieren“ soll. Damit unterstreicht sie, was bereits im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zu lesen ist: „Alle Versicherten bekommen DSGVO-konform eine elektronische Patientenakte zur Verfügung gestellt; ihre Nutzung ist freiwillig (opt-out).“
Doch: “Die Aussage beantwortet noch nicht die Frage, wie dieses Opt-out konkret ausgestaltet sein oder welche Funktionen es mit sich bringen soll”, erklärt Bunar. Geht es beispielsweise nur um den Zugriff auf die eigenen Daten – oder sollen diese auch für die Forschung genutzt werden können?
Unter der Lupe: 4 “Opt-out-Dimensionen“
Nun hat die Gematik offiziell den Prüfauftrag erhalten, genau diese Fragen zu klären. In diesem Rahmen sollen Gematik-Angaben zufolge „vier wichtige Opt-out-Dimensionen“ geprüft werden:
- die Bereitstellung der Akte,
- der Zugriff auf die E-Patientenakte,
- ihre Befüllung und
- die pseudonymisierte Datenweitergabe zu Forschungszwecken.
Denkbar wäre beispielsweise, dass alle vier “Dimensionen” prinzipiell angelegt wären, ihnen jedoch einzeln widersprochen werden kann. Die genaue Ausgestaltung ist Inhalt des Prüfauftrags.
Wie kommt die Akte in die Praxis?
Offen ist beispielsweise, wie der Widerspruchsprozess genau ausgestaltet wäre, erinnert Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. “Die informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten muss auch bei einer Opt-out-Lösung unbedingt gewahrt bleiben.”
Ein weiteres Beispiel: Offen ist auch, wie genau die Akte zu ihren “Besitzern” – und letztlich auch in die Hausarztpraxis – kommen würde. Dass dazu – analog zur Steuer-ID, die Bürgern direkt nach der Geburt per Post zugeht – ein einfaches Schreiben ausreicht, bezweifelt Bunar aus seiner Erfahrung. “Patientendaten zählen zur Kategorie von Daten, die einen sehr hohen Schutzbedarf haben”, erklärt er.
Ganz konkret: Gelangt eine auf dem Postweg zugeteilte Steuer-ID in falsche Hände, so betrifft der Schaden “nur” die Finanzen des Geschädigten. Geschieht dies jedoch mit medizinischen Daten, kommt im schlimmsten Fall die Person selbst zu Schaden. “Das technische Schutzniveau müsste daher höher sein”, so Bunar.
Gelöst werden könnte die Problematik mit Hilfe der “Digitalen Identitäten” – ein Baustein der Telematikinfrastruktur (TI), der bislang an vielen Stellen unterschätzt geblieben ist. Mit diesem Identifizierungsmittel könnten Patienten künftig selbstständig auf ihre E-Akte zugreifen. Doch: Derzeit ist noch nicht klar, wann und wie genau dies sein wird.
Wichtig in der Praxis: Die aktuelle Version der E-Patientenakte kann während all dieser offenen Fragen weiter genutzt werden, betont die Gematik. “Wer bereits jetzt eine elektronische Patientenakte besitzt oder plant, sich eine einzurichten, wird später seine Daten auch in der Opt-out-Variante nutzen können.”
Hausärzte: “Zugang muss vereinfacht werden”
Ferner wurde beschlossen, dass auch der elektronische Medikationsplan sowie die elektronische Patientenkurzakte Teile der E-Patientenakte werden sollen.
Aus Sicht der Gematik werden mit den nun getroffenen Entscheidungen die Weichen gestellt, “um das Potenzial der elektronischen Patientenakte vollumfänglich auszuschöpfen”.
Auch der Deutsche Hausärzteverband sieht in der Opt-out-Lösung eine Chance, den viel zu komplexen Zugang zu vereinfachen. “Die Patientinnen und Patienten nutzen die Akte bislang nicht, weil die Anmeldung zu kompliziert ist”, so Geschäftsführer Sebastian John.
Gleichwohl sieht Hausärzte-Chef Beier “Opt-out” nicht als umfassendes Zaubermittel an. “Die Opt-out-Lösung würde der E-PA sicherlich kurzfristig einen Schub geben, der entscheidende Punkt ist und bleibt aber, dass sie für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten praktikabel sein muss und einen echten Mehrwert im Versorgungsalltag darstellt”, erinnert er. Damit das der Fall ist, muss die derzeit mehr als bescheidene Usability deutlich verbessert werden. Einfach nur gesetzlich zu regeln, dass die Opt-out-Lösung kommt, ansonsten aber die Anwendung so unpraktikabel zu belassen, wie sie derzeit ist, wird langfristig zu noch mehr Frustration führen. Ohne eine im Praxisalltag gut funktionierende E-Patientenakte ergibt auch eine Opt-out Lösung wenig Sinn.”