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Forum PolitikZum Sterben in die Heimat

Viele Migranten kehren am Lebensende in ihre Heimat zurück. Denn in Deutschland kennen sie die Angebote nicht und können sich oft nur schwer verständigen. Wichtige Hilfe leistet hier "Dong Ban Ja".

"Bald kehre ich für immer nach Indien zurück", erzählte mir der etwa 60-jährige Inder, den ich in einem Berliner Restaurant kennenlernte. Er lebte allein, seine Familie war in Indien geblieben, und war erkrankt. Dies waren die letzten Worte, die wir wechselten. Eines Tages sei er einfach nicht mehr zur Arbeit gekommen, erzählte mir ein Kollege, als ich mich vier Wochen später nach ihm erkundigte. Wie kann ein alter Mensch einfach verschwinden?

Das konnte ich nicht nachvollziehen und machte mich auf die Suche. Ich fragte bei allen Indern aus dem Umkreis nach, bis sich tatsächlich einer erinnerte. Der Mann sei hier gestorben und sein Leichnam einem Forschungsinstitut übergeben worden.

Diese Geschichte ist nun rund zehn Jahre her. Sie markiert einen Wendepunkt in meinem Leben. Denn seitdem engagiere ich mich beruflich im sozialen Bereich, seit einigen Jahren für das interkulturelle Hospiz "Dong Ban Ja", das zum Huma- nistischen Verband Berlin-Brandenburg gehört. Der Inder ist kein Einzelfall – viele in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten kehren im Alter wieder in ihre Heimat zurück. Von denen, die hier bleiben, fürchten sich viele, in einem für sie fremden Land zu sterben. Grund dafür sind vor allem die unterschiedlichen Werte, fehlende Sprachkenntnisse und mangelndes Wissen über Versorgungsangebote. Den für sie wichtigen kulturellen Kontext können deutsche Institute und Einrichtungen häufig nur schwer vermitteln. Auch deswegen ist ein interkulturelles Hospiz so wichtig.

Ich selbst lebe seit 13 Jahren in Berlin, bin deutscher Bürger mit nepalesischen Wurzeln. Deutschland ist für mich also meine zweite Heimat, in der ich mich sehr wohl fühle. Dennoch kann auch ich die Sorgen vieler Migranten nachempfinden. Integration ist in Deutschland ein wichtiges Thema, leider wird dabei aber meist vergessen, wie Menschen mit Migrationshintergrund ihr Lebensende verbringen wollen und welche speziellen Angebote dafür nötig sind. Hier gibt es immer noch Defizite im Hinblick auf Respekt und kultursensibles Verhalten.

Rituale berücksichtigen

Ein Beispiel ist das Schicksal des Inders. Er war gläubiger Hindu und hätte sich daher sicher gewünscht, dass nach seinem Tod bestimmte Rituale beachtet werden. Zum Beispiel die Reinigung des Körpers oder die Verbrennung des Leichnams. Auch konnte er nicht seinem Glauben entsprechend bestattet werden. Als ich ihn damals kennenlernte, wusste ich noch nichts über die Hilfen des deutschen Sozialsystems und konnte ihm daher auch nicht zur Seite stehen. Heute ist das anders.

2015 hat "Dong Ban Ja" mehr als 85 Menschen begleitet, aber noch immer erfahren wir oft zu spät von Patienten, die unsere Hilfe brauchen, da viele Einrichtungen und Ärzte unser Angebot nicht kennen. Wir beschäftigen drei hauptamtliche Koordinatoren und mehr als 100 ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter anderem aus Korea, China, Vietnam, Indien, Nepal, Japan und Deutschland. Unter ihnen sind Muslime wie Christen, Buddhisten wie Hindus und auch Menschen ohne Religion. Das Projekt ist einzigartig, braucht aber auch angesichts steigender Flüchtlingszahlen mehr Unterstützung.

Fremde Gewohnheiten, unterschiedliche Religionen und Lebensauffassungen sowie verschiedenartige Krankheitsempfindungen und ein anderer Schmerzausdruck können im Alltag, insbesondere auch am Lebensende, zu Missverständnissen führen. Menschen, die dement und schwerkrank sind, vergessen oft ihre später gelernte Sprache und fallen daher zurück in ihre Muttersprache. Das erfordert eine einfühlsame und kultursensible Begleitung.

Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter geben den Sterbenden mit viel Einfühlungsvermögen, großer menschlicher Zuwendung und Stärke nicht nur Nähe, sondern auch ein Stück Heimat. Denn sie begegnen den Betroffenen und Angehörigen in ihrer jeweiligen Muttersprache. Das ist wichtig, da in vielen deutschen Heimen oder Kliniken kaum "muttersprachliche" Mitarbeiter zu finden sind. Wir achten darauf, dass unsere Begleitung in der jeweiligen Religion, Kultur und Sprache der Betroffenen erfolgt. Wenn jemand nicht religiös ist und aus diesem Grund eine Begleitperson wünscht, die nicht gläubig ist, werden wir diesem Wunsch bei der Auswahl der Begleitung entsprechen.

Hindernis Sprache

Unser Projekt war am Anfang für Migranten aus Korea gedacht – daher auch der koreanische Name "Dong Ban Ja". Inzwischen haben wir unseren Wirkungskreis erweitert auf den gesamten süd-/ostasiatischen Raum. In vielen asiatischen und natürlich auch anderen Ländern leben ältere Menschen mit Kindern und Enkelkindern als Großfamilie zusammen. Sie sorgen für die Kinder, übernehmen Aufgaben im Haushalt und werden finanziell unterstützt. Viele der hier lebenden älteren Migranten wünschen sich daher, hier genauso zu leben. Dieser Wunsch ist aufgrund des anderen sozialen Systems und anderer Wertevorstellungen aber oft nur schwer zu verwirklichen. Zudem spricht diese erste Generation meist kaum Deutsch, ist daher über Hilfsangebote schlecht informiert, lebt meist allein zuhause oder in einer Pflegeeinrichtung, wo sie sich aber nur schwer verständigen kann. Viele befinden sich aufgrund prekärer Arbeitsbedingungen in einer schlechten gesundheitlichen Situation, was schwierige soziale und finanzielle Verhältnisse noch verschlimmern.

Ein muttersprachlicher Begleiter ist für diese Betroffenen besonders wichtig, da auch die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern manchmal schwierig ist. Denn die zweite Generation verfügt häufig nur über einen geringen Sprachschatz ihrer Muttersprache.

Im Hinblick auf den sich für die Zukunft abzeichnenden erhöhten Bedarf suchen wir noch mehr ehrenamtliche Mitarbeiter aus den bisher genannten Kulturkreisen sowie aus Ländern, die wir noch nicht erreichen konnten. Wir bereiten jeden für seinen Einsatz als Begleiter vor: Die Ausbildung findet jährlich statt, ein Kurs dauert rund 130 Stunden und bezieht die Vorkenntnisse und Bedürfnisse der Teilnehmer ein. Sie werden von unseren eigenen erfahrenen Dozenten geschult. Nach Abschluss des Kurses erhalten sie ein Zertifikat. Sie bekommen regelmäßig Supervision und Fortbildungen.

Unsere Vision: Unsere Vision ist ein interkultureller Hospizdienst in jeder Stadt, um alten und kranken Menschen eine würdige Sterbebegleitung in der für sie geeigneten Form, Kultur und Religion zu ermöglichen.

Das Projekt

"Dong Ban Ja" heißt Menschen begleiten (Koreanisch). Unser Projekt, das interkulturelle Hospiz, wurde 2005 gegründet. Wir begleiten alle Menschen, unabhängig von ihrer Kultur, Religion oder Weltanschauung. Unsere Angebote:

  • Begleitung von schwerkranken Menschen und deren Angehörigen

  • Besuch in der gewohnten Umgebung (zuhause oder Pflegeeinrichtung) in ihrer Herkunftssprache

  • bei Bedarf Zusammenarbeit mit Pflegediensten, Ärzten und Angehörigen

  • Trauergespräche und -begleitung

  • allgemeine Beratung zur Krankheitsverarbeitung und zur sozialen sowie pflegerischen Versorgung

  • Beratung zur palliativen Versorgung

  • Vernetzung und Organisation von weiteren Hilfen

  • Beratung zur Patientenverfügung

  • Hilfe bei der Suche nach einem stationären Hospizplatz

dongbanja.de

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