© picture alliance / photothekGesundheitsminister Karl Lauterbach
Für den Betrieb der INZ, so der damalige Plan, sollte es eigene Budgets geben. Ungelöst bleibt bisher aber die Frage, wo das nötige Personal herkommen soll und wie Hausärzte in die INZ eingebunden werden, mahnt der Deutsche Hausärzteverband (www.hausarzt.link/yiTct).
Denn die Hausärzte werden schon in den eigenen Praxen dringend für die Versorgung der Patienten gebraucht. Das Problem der überfüllten Kliniknotaufnahmen dürfe nicht dadurch gelöst werden, dass Kapazitäten aus den Praxen in die Krankenhäuser verlagert werden, betont der Verband.
Nachdem lange Stille um die Notfallversorgung eingekehrt war, haben ambulante, stationäre und wissenschaftliche Vertreter für die Bertelsmann Stiftung Ende Januar einen eigenen Vorschlag vorgelegt. Statt der INZ denken sie einen digitalen Tresen an, der für die Steuerung der Patienten eingerichtet wird. Anfang März kündigte Lauterbach zumindest an, dass er die Notfallreform mit als eines der ersten Dinge angehen will. Oben auf seiner Agenda stünden aber aktuell auch die Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge und die Corona-Pandemie.
Masterplan Medizinstudium auf dem Abstellgleis
Apropos Personalbedarf: Ruhig schlummert seit März 2017 die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 vor sich hin. Dieser soll die Allgemeinmedizin stärken und somit langfristig helfen, den steigenden Hausärztebedarf zu decken. “Hier muss dringend gehandelt werden”, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt.
“Von Anfang an haben wir eine zügige Umsetzung angemahnt. Stattdessen steht der Masterplan seit fünf Jahren auf dem Abstellgleis, weil sich Bund und Länder nicht über die Finanzierung einigen. Damit riskieren sie die zentrale Säule unserer Gesundheitsversorgung, die sich in der jüngsten Corona-Pandemie wieder einmal als unersetzlich erwiesen hat.”
Umso wichtiger ist aus Sicht des Verbandes die Umsetzung des Masterplans vor dem Hintergrund, dass Minister Lauterbach Anfang März bekräftigt hat, er wolle 5.000 neue Medizinstudienplätze bundesweit schaffen.
“Ein reines Mehr an Plätzen garantiert leider nicht, dass die angehenden Ärzte auch später dort in der Versorgung ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Das ist aktuell eindeutig die hausärztliche Versorgung”, betont Weigeldt.
Versorgung auf dem Land
Ein weiteres spannendes Thema ist, wie die wohnortnahe Versorgung auf dem Land in Zukunft sichergestellt werden soll. Auch wenn in den letzten Jahren erste Maßnahmen eingeleitet wurden: Die Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin, die Etablierung von Weiterbildungsverbünden oder die Landarztquoten – all das reicht nicht, um den Nachwuchsbedarf zu decken, wirken diese Maßnahmen doch erst langfristig.
Die Koalition will hierzu besondere Versorgungsverträge wie Gesundheitsregionen finanziell attraktiver gestalten sowie multiprofessionelle, integrierte Gesundheits- und Notfallzentren ausbauen. Die ambulante und stationäre Bedarfsplanung will sie besser aufeinander abstimmen.
Unabhängig davon, wie die künftigen Planungsgebiete zugeschnitten werden, wegdiskutieren lässt sich der Bedarf an Hausärzten in fast allen Regionen – nicht nur auf dem Land – dadurch nicht, meint der Verband. Sie werden überall als erste Anlaufstellen für die Patienten vor Ort gebraucht.
Auf dem Land will die Regierung zudem Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen einsetzen. “Die direkte Anbindung an die Hausarztpraxen ist dabei entscheidend. Denn eine gute hausärztliche Versorgung gelingt vor allem durch kontinuierliche langfristige Betreuung der Patienten aus einer Hand”, sagt Weigeldt. Ein inzwischen bewährtes Beispiel dafür seien die Versorgungsassistenzen in der Hausarztpraxis (VERAH).
Digitalisierung
Bei der Digitalisierung hinkt Deutschland seit langem international hinterher. Daran hat auch der Spahnsche Aktionismus nichts geändert: Wurden die meisten digitalen Anwendungen doch unausgereift den Praxen übergestülpt, sodass sie die Abläufe mehr behindern als vereinfachen, kritisiert der Hausärzteverband.
Immerhin: In diesem Punkt ist das Bundesgesundheitsministerium bereits aktiv geworden und hat die Testphase von elektronischem Rezept (eRezept) und elektronischer Krankschreibung (eAU) verlängert.
Während beim eRezept zunächst 30.000 erfolgreich verschickt werden sollen, bevor ein offizieller Starttermin gesetzt wird, sollen die Praxen aber weiterhin bis 30. Juni 2022 die Voraussetzungen für die eAU schaffen. Die Nutzung des Arbeitgeberverfahrens soll aber erst ab 1. Januar 2023 verpflichtend werden.
Anfang März kündigte Lauterbach zudem einen Strategiewechsel an, den der Hausärzteverband begrüßt: Digitale Anwendungen sollen erst in die Praxen kommen, wenn diese ausreichend erprobt sind und einwandfrei funktionieren. “Der Nutzen muss für Ärzte und Patienten spürbar sein”, betonte der Minister. Seinen Fokus will er auf die Einführung der elektronischen Patientenakte legen.
Absage an die GOÄ
Die Ärzteschaft hat eine eigene unendliche Geschichte wie es scheint: Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wartet seit Anfang der 2000er-Jahre auf eine Reform. Und vieles wurde schon in die Wege geleitet: Die Leistungen wurden neu definiert, mit Verbänden und Fachgesellschaften mühsam abgestimmt, mit PKV-Verband und Beihilfe gerungen – doch nichts ist bislang wirklich in trockenen Tüchern.
Seit Anfang März ist klar: In dieser Legislatur wird es wahrscheinlich auch keine neue GOÄ geben. Darin sei sich die Koalition einig, sagte Lauterbach in einer Fragerunde mit Ärztinnen und Ärzten.
Er sei zwar mit der Bundesärztekammer im Gespräch, aber die GOÄ-Reform habe keine Priorität. Dabei wäre eine Modernisierung des rund 30 Jahre alten Regelwerks nötig, meint der Hausärzteverband. “Wichtig ist, dass die sprechende Medizin deutlich aufgewertet wird”, sagt Weigeldt.
Ausblick
Nach wie vor ist der Personalmangel in der Pflege eine riesige Herausforderung. Ob die bundesweit verpflichtenden Tariflöhne helfen, die ab September in der Pflege gezahlt werden, bleibt abzuwarten.
Dabei betrifft das Thema auch Hausärztinnen und Hausärzte, denn schließlich wollen sie ihre Patienten in Pflege- oder Altenheimen gut versorgt wissen. Dies klappt nur mit fachlich gut qualifiziertem Personal und einem guten Personalschlüssel.
Und das Ringen um Fachkräfte betrifft nicht nur die Pflege: Auch für Hausarztpraxen ist es oft schwer, gut qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Lediglich in der Pflege ist die Koalition bereits einen kleinen Schritt gegangen: Pflegekräfte sollen für ihren Einsatz in der Pandemie einen steuerfreien Bonus von höchstens 3.000 Euro erhalten.
Das Bundesgesundheitsministerium hat dazu Ende Februar Eckpunkte für die Umsetzung festgelegt. Hier ist eine gestaffelte Auszahlung (Vollzeitkräfte, Auszubildende, Hilfskräfte etc.) vorgesehen. Eine ähnliche Gratifikation wünscht sich der Hausärzteverband für die Praxen: Praxisinhaber sollten das Engagement ihrer Mitarbeitenden mit einem Bonus belohnen können, der nicht versteuert werden muss.
Ein erstes Gesetz kündigte sich bei Redaktionsschluss an. Damit will Lauterbach die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen angehen. Das dürfte nicht nur wegen der zuletzt ausgeweiteten Leistungen nötig sein, sondern auch für weitere Pläne der Regierung.
So steht noch der im Koalitionsvertrag angekündigte Aktionsplan „Gesunde Arbeit“ aus. Mit dem Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ soll, so heißt es, „unter Berücksichtigung der Evaluationsergebnisse der Ü45-GesundheitsCheck gesetzlich verankert und flächendeckend ausgerollt“ werden. Lauterbachs To-do-Liste ist also ganz schön lang.